2.| »Der neue Boss«

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„Hallo Lisbon, ich weiß nicht, wie oft ich jetzt schon auf die Mailbox gesprochen habe, aber bitte rufen Sie zurück.", sein Telefon steckte zwischen Schulter und Ohr.
Er goss das heiße Wasser über den Teebeutel in die Tasse, Dampf stieg auf.
„Ich habe die Kündigung an mich genommen", er sagte es ihr jetzt erst, „und Minelli und den anderen gesagt, Sie seien krank. Wenn Sie zurückkommen, würde es niemandem auffallen, auch, wenn es schon zwei Tage sind.", er lachte gequält auf und kam sich erbärmlich dabei vor. „Ich ... Ich muss auflegen. Tschüss.", er stellte den Wasserkocher auf seinen Platz zurück, zog das Handy in seine Hand und legte auf. Er seufzte und ließ es in seine Tasche gleiten.
Nun wusste er, wie Lisbon sich damals gefühlt hatte, als er einfach verschwand und auf nichts reagierte.
Niedergeschlagen tauchte er den Beutel immer wieder in das Wasser ein, was sich leicht verfärbte.
„Jane?"
Kaum merklich zuckte der Blonde zusammen, als er die Stimme seines Chefs vernahm. Er setzte ein falsches Lächeln auf - ihm war nicht nach lächeln zu Mute - und drehte sich um. In seiner linken die Untertasse auf der das Porzellan stand und mit der rechten hielt er den Beutel an dem kleinen Schnipsel Papier fest.
„Virgil. Guten Tag.", grüßte er, als wäre alles so wie immer.
Der etwas rundliche Mann sah dennoch erbost aus. Seine Stirn lag in falten und er schnappte regelmäßig, in kleinen Zügen nach Luft.
„Was kann ich für Sie tun?", er ließ sich nicht verunsichern und ging auf den Mülleimer zu um den nassen Beutel wegzuschmeißen.
„Stimmt das?"
„Stimmt was?", er stellte seinen Fuß auf das kleine Feld und der Deckel sprang auf.
„Das - was ich gerade gehört habe! Dass Sie gelogen haben!"
Für eine Sekunde hielt der Berater inne, schmiss den nassen Beutel aber hinein und ließ den Deckel wieder hinunter fallen. „Was haben Sie denn gehört?"
„Spielen Sie nicht den Dummen! Ich wusste ja, dass irgendwas faul ist, als Sie mir sagten, dass Lisbon eine starke Erkältung hat, aber das ... Das, das dürfen Sie doch nicht tun!", keifte er und zog einige Blicke auf sich, doch die Kollegen gingen weiter.
„Was darf ich nicht tun? Ihnen ausrichten, dass Lisbon auch mal krank ist?", er führte die Tasse zu seinem Mund und setzte an. Die Flüssigkeit floss ihm die Kehle runter und brannte fast schmerzhaft.
Der Kopf Minellis nahm langsam eine rote Farbe an und er musste sich zwingen nicht loszubrüllen. „Sie sagten Kündigung, wo ist die?"
„Ich weiß nichts von einer Kündigung, tut mir leid.", er machte ein unschuldiges Gesicht.
Der kleinere Mann mit Halbglatze ließ einen kleinen Schrei und drehte sich um. Er ging und Jane hörte ihn nur noch Murmeln.
Als er weg war, ließ Patrick sein Kinn kurz auf die Brust sinken.
Na toll., dachte er, Jetzt holt er Rensen.
Wenn Jane einen Kollegen am meisten hasste, war es David Rensen.
Der Fünfundvierzigjährige war ein schadenfrohes, herzloses Arschloch.
Er war nicht sonderlich beliebt, dennoch hatte man Respekt vor ihm, da er ein guter Polizist war. Und Jane wusste immer, dass wenn Lisbon je den Posten abgeben würde, er ihn bekäme.
Er richtete sich wieder auf, nahm noch einen Schluck und maschierte ins Großräumbüro.
Grace Van Pelt, eine hübsche rothaarige Frau, mit etwas breiteren Schultern und dennoch schönem Körperbau, saß an ihrem Schreibtisch und sah zu Rigsby rüber.
Wayne Rigsby, er war groß, hatte braune Haare und dazu war er ziemlich verfressen. Dass er keinen dicken Bauch hatte, wunderte Jane fast. Und dann war da noch der Koreaner. Er saß an dem Schreibtisch, der hinter Rigsbys stand. Sein Name war Kimball Cho und er hatte monotone Gesichtzüge, er zeigte nicht oft Emotionen und seine Haare waren kurz geschoren und schwarz.
Er hatte sie alle ins Herz geschlossen.
Jane ließ sich auf der Ledercouch nieder und nahm wieder einen Schluck, als Van Pelt sich zu ihm drehte. Sie überschlug die Beine und lehnte sich zurück.
„Was gibt's, Grace?", hakte er nach - er war so charmant wie immer.
„Wie haben Sie Minelli denn nun schon wieder zum Platzen gebracht?", fragte sie belustigt und schmunzelte.
Auch Rigsby und Cho hörten zu.
Er nippte nochmals an der Tasse und stellte die Untertasse weg.
„Unnnnd?", forderte sie langgezogen.
Er seufzte und atmete durch die Nase aus, noch ein Schluck und er stellte die Tasse auf die Untertasse.
„Ich ..." er zögerte, doch es platzte aus ihm heraus. „Lisbon hat gekündigt. Ich habe ihre Kündigung mitgehen lassen und gesagt sie sei krank, weil ich dachte, ich könnte sie überzeugen, wiederzukommen. Sie reagiert auf keinen Anruf, drückt mich nicht mal weg. Minelli hat mich belauscht, als ich es ihr gesagt habe. Ich habe mich dumm gestellt, aber ..." er zuckte mit den Schultern und wich kurz den Blicken aus.
Graces Schmunzeln verschwand von ihren Lippen. „Was?"
Er nickte.
„Nein! Lisbon hätte sich doch von uns verabschiedet!"
„Ich glaube, sie hat das bewusst nicht getan."
„Wieso? Wir sind doch Freunde!"
„Vielleicht wusste sie, dass es ihr weh tun würde, Grace.", Rigsby seufzte.
Jane nickte.
Sekunden verstrichen, dann Minuten, fast eine ganze halbe Stunde, in der das Team seine Gedanken ordnete.
Jane erinnerte dieses Verhalten an eine Familie, die gerade ein Mitglied verloren hatte.
Er sah wieder auf, stellte sich den Blicken, sah aber wie aus dem Hintergrund Rensen und Virgil angewatschelt kamen.
Er seufzte und drückte sich dichter in die Kissen der abgewetzten Couch.
„Cho, Rigsby, kommen Sie dichter.", verlangte der alte Mann und die zwei kamen seiner Vorderung nach.
„Lisbon hat gekündigt.", er sagte es ihnen direkt. Wieso sollte er es verschleiern, was man das nicht behutsam überbringen konnte.
„Sie haben ihre Kündigung nicht.", mischte sich Cho ein, seine Stimme war so rau wie Schleifpapier, kein Hauch von Emotion in ihr.
„Doch.", Rensen warf Jane das kaputte, silberne Schloss in den Schoß. Es war das Schloss zu der Dachkammer, in der Jane sich immer aufhielt, wenn er alleine sein wollte oder nachdenken musste.
Der Blonde erfasste es und sah auf es hinab, schüttelte seinen Kopf.
„Das dürfen Sie nicht!", Rigsby steckte die Hände in die Hosentasche.
„Ach nein? Minelli darf nicht in eines der Zimmer, über die er das Sagen hat? Interessant.", der, von allen in diesem Raum verhasste, Agent nahm seinem Boss die Antwort ab.
„Rensen wird das Team übernehmen, gute Zusammenarbeit.", damit ging der Mann und ließ sie zurück.
Patrick erhob sich, ließ das Schloss auf den Boden knallen und warf seinen Freunden einen Blick zu.
„Heben Sie das auf.", befohl sein neuer Boss.
„Wenn es Sie stört, heben Sie es selber auf, werter Mister David Rensen.", er betonte seinen Namen mit einer Abneigung, die Van Pelt nicht oft gehört hatte.
Blondie verließ ebenfalls das Großraumbüro.
„Wo wollen Sie hin?!", hörte er es ihm hinterher schnallen, aber es scherte ihn einen Dreck.
Keiner lief ihm nach. Das Team wusste, dass er in einigen Stunden wieder aufkreuzen würde.
So war es immer.
Seine Füße trugen ihn druch den Flur zum Fahrstuhl und er verschwand in dem Ding.
Ja, wollte er hin?
Lisbon suchen konnte er vergessen. In ihrer Wohnung würde er sie nicht finden und in jedem Motel oder Hotel in der Stadt nachzufragen, forderte zu viel Zeit.

Der Ring des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt