44.| »Adrenalin, Noradrenalin, Kortisol«

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Die ganze Nacht arbeiteten sie daran, ein perfektes Loch in die zähe Felswand zu sprengen. Es lief immer gleich ab:
Ausmessen; Sprengstoff befestigen; sprengen; Geröll wegbringen und von Neuem beginnen.
Mittlerweile war es sechs Uhr und Skulduggery bahnte sich seinen Weg durch den Bunker.
Er war auf dem Weg zu Walküre, wollte sie wecken, falls sie noch schlief, und sie über den Stand der Höhle in Kenntnis setzen und darüber, dass die Big Maschine in einer halben Stunde hinüber gebracht werden würde.
Ja, die Mission schien dieses Mal glatt über die Bühne zugehen.
„Walküre.”, Skulduggery trat gegen das Feldbett.
Sie grummelte etwas und drehte sich auf die andere Seite, kehrte ihm den Rücken zu.
„Walküre Unruh.”, sagte er mit Nachdruck.
Sie blieb einfach liegen, doch Skulduggery war sich ziemlich sicher, dass sie nicht mehr schlief, so ergriff er die Decke und zog sie ihr vom Körper.
„Aua!”, herrschte Walküre ihn an, als sie auf dem Boden landete.
„Hättest dich mal nicht festgehalten.”, Skulduggery schmiss die Decke wieder auf das Feldbett.
Seufzend streckte Walküre ihren rechten Arm in die Höh' und sah ihn abwartend an.
„Was?”
„Hilf mir hoch.”
„Nein.”, er schüttelte seinen weißen Schädel.
„Bitte.”, schmollte sie und wedelte mit der Hand hin und her. „Gib dir einen Ruck.”
Seufzend umfasste er ihre Hand und wollte sie gerade hochziehen, als Walküre zu grinsen begann.
„Hm?”
Sie packte mit ihn mit der Linken, umklammerte sein Handgelenk und stemmte ihre Beine hoch.
Es ging zu schnell, als das Skulduggery sich hätte wehren können.
Walküres Füße stießen kräftig gegen seine Lenden und während er leise aufstöhnte, riss sie ihn über sich hinweg. Sie ließ ihn rechtzeitig los und er krachte in das leere Feldbett, auf dem Pat Byrono am Abend zuvor noch saß.
Sie kam auf die Knie, richtete sich auf und schlüpfte anschließend in ihre Stiefel.
Ächzend kam er wieder auf die Füße.
„Was ist denn in dich gefahren?”, fragte er.
Walküre schloss den Reißverschluss ihrer Jacke und eilte in Richtung der Tür.
Skulduggery spreitzte seine Finger und brachte die Luft dazu, sich zu kräuseln.
Wie ein Lasso rutschte ein unsichtbarer Strick an ihr hinunter und zog sich an ihrer Hüfte fest.
Der Strick riss sie zurück und ließ sie rückwärts auf ihren Schlafplatz zutaumeln. Sie verlor das Gleichgewicht, plumpste auf den Rand des Feldbettes, welches nachgab und zusammen mit ihr zur Seite kippte. Sie stieß sich den Kopf.
Er entspannte seine Hand wieder und verschränkte seine Arme.
Sich den Kopf reibend, stand Walküre auf.
„Pleasant!”, zischte sie; ihre Augen funkelten angriffslüstigt.
„Wer austeilt, sollte einstecken können.”, sagte er schlicht.
Walküres Hände ballten sich zu Fäusten, ihre Knöchel färbten sich weiß und rote Flammen entfachten.
Wer austeilt, sollte einstecken können!”, blaffte sie.
Ein Feuerball flog auf ihn zu und Skulduggery lenkte ihn mühelos in eine andere Richtung. Noch in der Luft erloschen sie Flammen.
Sie ließ einen Schrei, das Feuer in ihren Händen verpuffte und sie sprintete los. Sie drückte die Arme und das Kinn nach unten und ließ sich von der Luft in ihn schleudern.
Hart stieß sie mit ihm zusammen, doch kein Geräusch verließ ihren Mund.
Beide krachten gegen die hinter ihnen liegende Wand, rutschten an dieser herunter und begannen zu rangeln.
Walküre schlug wütend um sich, traf dabei jedes Mal ein anderes Körperteil ihres Partners.
Dieser packte sie schlussendlich grob an den Handgelenken und drückte sie auf den Rücken.
„Hör auf.”, zischte er.
Sie kreischte wutentbrannt.
Sie zappelte unaufhörlich.
Sie trat nach ihm.
Skulduggery setzte sich rittlings auf die Junge Frau, seine Hände umklammerten ihre Gelenke noch stärker.
„Bruhig dich, Stephanie!”
Mit einem Mal klappte ihr Mund zu, ihre Glieder erschafften und sie lag regungslos unter ihm. Mit weit aufgerissenen Augen, ja sie schienen gerade zu hervorzuquellen, starrte sie ihm entgegen.
„Stephanie”, hauchte sie atemlos.
Er hatte sie seit unzähligen Jahren nicht mehr so genannt und es wurmte sie!
Sein Klammergeiff lockerte sich etwas.
Seine Kiefer bewegten sich, doch er blieb stumm; er starrte sie durch die leeren Augenhöhlen ebenfalls an.
„Bin nicht Stephanie!”, flüsterte sie, „Nicht hier zumindestens!”
„Weiß ich doch.”, sagte er mindestens genauso leise.
„Wieso dann?”, fauchte sie.
„Weiß nic-”
„Ich hasse dich!”, spie sie ihm entgegen, entwand sich aus seinem Griff und schlug ihm gegen die Brust.
„Tust du nicht.”, sagte er bestimmt, „Sag mir jetzt - Verdammt nochmal!”
Walküre streckte ihr Bein wieder durch, nur um es kurz darauf wieder gegen seine Mitte rumsen zu lassen.
„Bei Grässlichs grauen Sackhaaren!”, er krümmte sich über ihr und brauchte einen Moment, ehe er sie wieder ansah.
Walküre schwieg, dann - urplötzlich - riss sie ihn zu sich runter und drückte ihren Mund mit solch einer Wucht auf seine kalten Zähne, dass ihre Oberlippe aufplatzte.
Wie vom Donner gerührt, stemmte Skulduggery sich hoch und rutschte von ihr runter.
„Was”, wisperte er, „war das?”
An Walküres Mundwinkel floss ein Blutrinnsal hinab. „Du hast mir weh getan.”, grummelte sie.
Kurz trat Stille ein.
Skulduggery fasste sich wieder. „Irgendetwas stimmt nicht mit dir, Walküre.”, sagte er mit fester Stimme.
„Mit mir stimmt alles! Alles, Skulduggery!”, schnaubte sie verärgert.
Walküre sprang auf, in Richtung Tür.
Skulduggery, der es schon fast geahnt hatte, hechtete ihr hinteher, schlang seine Arme um ihre Taille und riss sie auf die Knie.
„Walküre!”
„Jetzt bin ich wieder Walküre, 'n! Genau!”, zischte sie.
Er gab ein genervtes Geräusch von sich und spreitzte seine Finger, als sie abermals anfing zu zappeln.
Die Luft um sie herum wurde dünner. Schon bald hechelte Walküre angestrengt, kurz darauf sank sie zusammen.
Skulduggery löste seine verkrampten Finger und drehte sie auf den Rücken.
Walküre atmete falch.
Kopfschüttelnd wischte er ihr das Rinnsal vom Mundwinkel und stand auf. Er hob sie hoch und warf sie wie einen nassen Sack über die Schulter.

Der Ring des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt