27.| »Unsichtbarer Zug«

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Ein Windhauh kam ihnen entgegen. Ein kalter Hauch, der allmählich zu einem Windstoß wurde.
Die Sträucher, die bis zu den Waden reichten, wurden herum gerissen.
Der Abend raubte dem Himmel das Blau und legte einen Rotton über das Land.
Es war ein guter Tag, ein erfolgreicher.
OSullivan wandte sich den Zwillingen zu. „Holt die Hohlen, der Zug ist gleich da.” Er scheuchte sie mit einer Handbewegung fort.
„Und was soll ich machen?”, Malia stand zwei Schritte von ihm entfernt.
Er sah sie an und begann zu lächeln. „Sieh dir den Sonnenuntergang an, mein Kind.”, seine Füße trugen ihn zu ihr und er trat hinter sie.
Seine Stimme vernahm sie nun nah an ihrem Ohr. „Der Sonnenuntergang ist ein so schönes Spektakel, leider beachtet ihn niemand. Und das nur, weil wir ihn jeden Tag zu sehen bekommen. Man schenkt ihm einen kurzen Blick und dann wuselt man wieder herrum, ignoriert ihn. Wieso gab man uns so etwas schönes, wenn es nicht beachtet wird?”
Sie schluckte und ihre Muskeln spannen sich an.
„Manchmal stell' ich mich einfach auf meine Terrasse und beobachte die Sonne beim Untergehen. Es ist schön, aber auch düster. Erst wird alles so lieblich rot und orange, aber wenn die Sonne hinter'm Horizont verschwunden ist, stehst du in der Dunkelheit und die ganze Kälte umhüllt dich. Wie eine Hand,”, er legte seine an ihren Hals, „die dich nicht mehr loslassen will.” Sein Daumen streichelte ihre Haut und sein Atem kitzelte sie heiß am Ohr.
Seine Nähe verwirrte sie, verwirrte sie sehr sogar. Sie konnte sich nicht regen, nichts erwidern.
„Mache ich dich nervös?”, er kicherte rau.
„N - nein.”, ihr Hals war trocken, als müsse sie etwas trinken.
„Dein Puls sagt mir aber was anderes, Liebes.” Sein Zeigefinger lag die ganze Zeit auf der Halsschlagader.
Malias Schultern sanken hinab und sie schloss die Augen, atmete durch, währenddessen fuhr seine Hand von ihrem Hals hin zu ihrer rechten Schulter. Ein weiterer Windstoß fuhr an ihnen vorbei. „Der Zug wird gleich da sein.”, murmelte er und sie nickte abgehackt. „Genieß' noch die letzten Sekunden der untergehenden Sonne.”, damit ließ er von ihr ab und entfernte sich.
Langsam fuhr Malia sich mit den Handflächen über die Schläfen um sich den Schweiß, der sich gebildet hatte, abzuwischen. Ihr Herz hämmerte immer noch und ihr Hals prickelte.
Sie drufte das nicht fühlen!
Nicht für ihren Meister!
Diese Gefühle würden ihr nur im Weg stehen und ihr die Arbeit erschweren. Aber legte er es nicht darauf an?
Legte er es nicht darauf an, dass sie ihre Gefühle zeigte?
Das, was vor einigen Sekunden geschehen war, war wieder solch eine Sache ...
Ein lautes Quietschen riss sie aus den Gedanken und sie sah sich erschrocken um. Hinter war der Eingang zur Höhle, zu ihrer rechten eine freie Wiese, genauso wie zu ihrer linken. Und vor ihr sah sie immer noch die Spitze der Sonne.
Hatte sie sich das eingebildet?
Das konnte nicht sein.
Als sie zur Seite geschubst wurde, die Hohlen an ihr vorbei trotteten und verschwanden, wusste sie es.
Der Zug war da - eingehüllt in eine Blase die durch eine Tarnkugel entstand.
Ein Hohler trat ihr ausversehen in die Seite und stieg über sie hinweg. Die anderen gingen an ihr vorbei, als sei sie nur ein Stein.
Malia setzte sich gerade auf die Knie, als wieder ein Fuß mit ihrer Seite kollidierte.
Sie sah auf.
Pory stand vor ihr und sah sie selbstgefällig an. „Na, sulst du dich im Dreck?”
Sie seufzte und richtete sich auf, aber er verpasste ihr ein Schlag gegen die Schläfe. Ihr Kopf begann zu brummen und sie legte ihre Hand auf die pochende Stelle.
„Hör mal zu. Wir sind nicht dumm. Wir wissen, was du für ein Spiel spielst. Und zwar das Ich-kriech-ihm-in-den-Arsch-und-werde-sein-Liebling-Spiel.”
Wie einfallsreich., dachte sie, aber runzelte die Stirn. „Das stimmt doch gar nicht.”
„Jeder hier weiß, dass du sein Liebling bist, das merken sogar die Hohlen!”, er verteilte noch einen Schlag.
„Hohlen können nichts fühlen, geschweige denn etwas bemerken.”, grummelte sie und wollte sich in Bewegung setzen, doch wie aus dem nichts schubsten sie zwei Hände nach vorne. Sie taumelte und und landete wieder auf den Knien.
„Und auf besserwisserisch tust du auch immer.”, Sery verschränkte seine Arme und ging davon. Pory folgte.
Bis sich das Pochen in ihrem Kopf legte, blieb Malia sitzen, stand danach auf. Sie versuchte den Dreck von ihrer Hose zu entfernen, aber gab es schnell auf.
Na toll.
Sie sah aus, als hätte sie wieder versucht sich irgendwo durchzugraben.
OSullivan kam aus der Höhle.
Ein Riemen lief quer über seine Brust und auf dem Rücken lag die Tasche in der Der Ring des Drachens weilte.
Er sah sie an, zog kurz die Augenbrauen zusammen, aber betrat dann ebenfalls sie Tarnblase.
Der Zug war Silber, sah altmodisch aus und außerdem schwebte er einen halben Meter über dem Boden.
OSullivan packte eine Stange am Rand der Öffnung und zog sich hoch und als er drinnen war, ging er in die Hocke, hielt ihr seine große Hand hin.
Zögernd ergriff Malia diese und er zog sie zu sich in den Zug. Kaum saß sie auf dem Boden, schob sich die Schiebetür zu und das Quietschen ertönte wieder.
Der Zug bewegte sich kaum spürbar vorwärts.
„Für nächstes Mal: Wehr dich mit einen Schlag gegen Pory - Gott, wieso hat er sich ausgerechnet so einen dummen Namen ausgesucht? - mit der flachen Hand gegen das Kinn.”, sagte er leise und ließ ihre Hand los, „Kleiner Tipp: Ist der Schlag hart genug, bekommt er eine Gehirnerschütterung. Und was Sery betrifft, du bekommst sicherlich noch deine Chance ihn auch in den Dreck zu schubsen.”, er wartete nicht darauf, dass sie etwas erwiderte. Er richtete sich einfach auf und verließ den Waggon.
Sie fuhr sich druch die silbernen Haare und seufzte. „Danke.” - sie war sich bewusst, dass er es nicht mehr hörte.

*

„Mr OSullivan.”, grüßte Billy-Ray Sanguin, als der gutaussehende Mann in den Waggon trat.
„Sanguin.”, erwiderte er.
Der Mann mit den schwarzen Augenhöhlen saß in einem Sessel und nippte an einer großen Tasse. Es war einer dieser Momente, in denen er keinen Schmerz verspürte.
„Unser Gast?”, OSullivan setzte sich ihm gegenüber in einen zweiten Sessel und blickte aus dem Fenster.
Die Landschaft flog an ihnen vorbei.
„Im vierten Waggon, aber er wirkt etwas ... durcheinander auf mich.”
„Durcheinander?”, echote er fragend.
Ein Schlürfgeräusch - „Ja. Anders ... als hätte er nicht mehr alle beisammen.”
Der Mann schwieg, beobachtete das Land und nickte dann.
Nach einigen Minuten stand er auf.
„Ich will dich warnen ...”
„Wovor?”, unterbrach er Billy-Ray.
„In den letzten Stunden hat er einen Tisch und zwei Stühle auseinander genommen, die Kissen zerrissen und ordentlich Rabatz gemacht.”
Ohne etwas darauf zu erwidern, verließ OSullivan diesen Waggon, durchging einen anderen und betrat den verwüsteten.
Überall lagen Holzstücke von den Möbeln und die Federn aus den Kissen herum. Einige Fenster hatten Sprünge und der Teppich wurde aufgerollt. Vor ihm lag eine Jeans, auf den kaputten Stühlen ein zerissenes Hemd und vor dem Feldbett eine Unterhose.
Das Feldbett war das einzige in dem Waggon, was unberührt dort stand. Auf diesem lag ein Mann mit blondem wirren Haar, sein bewundernswerter Oberkörper war unbedeckt und man sah die Narben, die ihm im Laufe der Jahre und im Krieg zugefügt worden waren.
Eine weiße Decke - auch diese hatte er heil gelassen - bedeckte seinen Unterkörper, sein rechtes Bein hing vom Feldbett hinab und der Fuß trug noch den abgewetzten Stiefel. Der andere stand unterm Bett, die Socke lag daneben.
OSullivan wollte auf das Bett zugehen, blieb aber zwischen den Trümmern stehen, als der Blondhaarige seinen Kopf drehte und ihn ansah.
Falls er aufspringen würde und ihn versuchte an zugreifen, hätte er seine zwei Dolche schneller aus den Scheiden gezogen, als Walküre Unruh und Skulduggery Pleasant einen Blick austauschen konnten.
Der Mann setzte sich auf, reckte sich einmal und schwang dann das andere Bein vom Feldbett. Die Decke blieb auf seiner Mitte und er grinste OSullivan an.
„Schön, dass du dich uns anschließt.”
„Find ich auch.”, er klang fröhlich, auch, wenn er heiser war. „Ach. Das mit den Möbeln ... tut mir leid. Ich dachte, da wäre eine Fliege, aber das war viel größer. Sogar größer als ein Vogel ... Ich glaube, es war eine Katze mit Flügeln!”, er lachte auf, „OSullivan! Hast du schon mal eine Katze mit Flügeln gesehen?”
Er schüttelte den Kopf.
„Sie war blau und hatte lila Streifen ... Wenn ich so nachdenke, sah sie aus wie die Grinse-Katze aus Alice im Wunderland, bloß die, die hier war, hatte weiße Flügel! So wie ein Pegasus oder wie die fetten Dinger heißen! Ich glaub, die kann man essen ... Kann man? ”
OSullivans Miene bröckelte langsam. Was hatte dafür gesorgt, dass aus diesem ansehnlichen und klugen Mann ein Verrückter wurde, der nackt gegen eine Grinse-Katze mit Flügeln kämpfte?
War es wahr, was die Leute erzählten?
Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, ihn mit ins Boot zu holen. Planten er und seine Perle etwas?
Der Mann lachte auf, es klang nicht mehr verrückt. „OSullivan, glaubst du wirklich, dass ich verrückt bin? Egal, was man sich erzählt, das sind Geschichten. Ich bin vollkommen klar bei Verstand. Ich wollte euch nur ein bisschen ärgern.” Sein Lächeln sah normal aus, kein Anflug von Wahnsinn, auch nicht in seinen Augen.
„Ich dachte schon, ich müsse dich töten.”
„Ja, das glaub ich dir.”, er stand auf.
„Du bist nackt ...”
„Das ist mir klar, aber muss ich mich dafür schämen?”, er sah an sich herunter und dann wieder zu OSullivan - er erwartete keine Antwort - „Ich gehe duschen und danach freue ich mich darauf, mit euch zu sprechen.”, er ging an ihm vorbei, nahm die grüne Tasche, die OSullivan nicht gesehen hatte, und verließ den Waggon.

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Hey, I'm back

Yeahhh, was denkt ihr, wer der Mann ist, den OSullivan und Sanguin mit ins Boot geholt haben?

Ich freue mich über Feedback und Votes!

Eure leni ❤️

[Teilt mir bitte mit, ob ich Schreib- oder Grammatikfehler gemacht habe. Ihr wisst ja. Konzentration gleich Null.]

Der Ring des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt