63.| »Na ja«

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Skulduggery hielt einen klobigen Fotoapparat in den behandschuhten Händen, der jedes Mal grässlich aufblitzte, als er den Auslöser drückte. Er bewegte sich gewissenhaft und verrenkte sich ab und zu um den richtigen Winkel zu finden - der Tatort musste perfekt dokumentiert werden.
Walküre stand ein paar Meter entfernt von ihm, die Arme vor der Brust verschränkt, den Kopf schiefgelegt und beobachtete ihn.
Es sah ulkig aus, wenn sie ehrlich war und das zauberte ihr ein Lächeln auf die Lippen.
Cho tigerte umher, suchte nach weiteren Hinweisen und bemerkte so ihr Starren nicht.
Walküres Gedanken machten sich, ohne dass sie es wollte, selbstständig. Sie dachte daran, wie gern sie Skulduggery an sich gedrückt und geküsst hätte.
Sich vor zu stellen, seine Lippen - auch wenn sie aus Wachs bestanden - auf ihren zu spüren und seine Hände in ihrem Haar und Nacken zu fühlen, bescherte ihr eine kribbelne Gänsehaut.
Er war sicherlich ein guter Küsser ... Worin war er denn nicht gut?
Na ja, Geschenke zu machen - darin war er nicht sonderlich gut, aber ein Kuss würde sie alle schlechten Geschenke vergessen lassen.
Da war sie sich sicher.
Sie seufzte leise und ihre Gedanken drohten in eine intimere Richtung zu gleiten.
Vor ihr blitzte ein Licht.
Walküre zuckte zusammen und machte erschrocken einen Satz nach hinten.
Sie riss die Augen auf und es blitzte erneut.
Sie rieb sich über das Gesicht und blickte Skulduggery an.
Er war fertig mit den Dokumtieren und stand vor ihr, gerade ließ er den Fotoapparat sinken.
„Hast du mich fotografiert?"
Er legte seinen Kopf ein wenig schräg. „Niemals."
Sie seufzte erneut.
„Es sind sicherlich zwei sehr schöne Fotos geworden", sagte er amüsiert, „besonders das zweite. Du sahst mit den aufgerissenen Augen und geöffnetem Mund aus wie ein Fisch."
„Du vergleichst mich mit einem Fisch?"
„Wenn dir dieser Vergleich nicht recht ist, hätte ich noch ein aufgeschrecktes Rehkitz auf Lager." Er hing sich den Apparat um den Hals.
„Ah, ja, das ist viel besser.", murmelte sie, als Cho herüber kam.
Er blieb neben ihnen stehen.
„Wir brauchen einen Leichensack, damit wir sie nach Irland bringen können."
„Das lässt sich wohl erledigen." Er verschwand.
„Nur damit das klar ist. Ich helfe dir nicht, sie darein zu legen."
„Das dachte ich mir", sagte Skulduggery nickend. „Dafür musst du China davon berichten."
„Ich? Wieso ich?"
„Weil sie dich lieber mag als mich."
„Das ist ja mal sowas von gelogen."
Cho tauchte wieder auf. In den Händen befand sich ein eingerolltes Material.
„Für gewöhnlich mögen mich die Leute nicht, Walküre."
Sie traten neben Juno Londons Leichnam und Cho rollte den Leichensack aus, öffnete den Reißverschluss.
„Wir reden hier von China."
Skulduggery bückte sich und ergriff die kalten Handgelenke. „Und weiter?"
„Du kannst sie nicht mit anderen Menschen vergleichen ... Also bitte."
„Na gut, ich hab gelogen. China mag mich mehr als dich."
„So weit würde ich jetzt nicht gehen ..."
Nachdem Cho die Fußgelenke umfasst hatte, hievten sie Juno London hoch und legten sie auf dem Sack ab.
„Du wirst mit ihr reden. Cho und ich werden währenddessen im Atelier sein."
„Damit du dich neu einkleiden lässt?" Walküre sah zu, wie er den Leichensack zurecht zog und den Reißverschluss schloss.
„Wir werden das weitere Vorgehen beraten.", er richtete sich auf. „Ich maschiere doch nicht ins Sanktuarium und reib der Ältesten Byrono das Verschwinden eines Familienmitglieds unter die Nase."
„Das hört sich aber genau nach dem an, was Skulduggery Pleasant machen würde."
Cho räusperte sich. „Ich könnte mit China reden. Ich setze Sie zwei vorher bei Mr Schneider ab."
Er deutete auf den Sack. „Die Leiche werde ich natürlich an die Pathologie des Sankruariums übergeben."
Walküre blickte zu Cho und dann wieder zu Skulduggery. „Das hört sich nach einem Plan an."
„Ach und meiner war kein Plan?"
„Doch, aber ... "
„Du gehst zu China und wir zu Grässlich."
Skulduggery nickte Cho zu.
Kaum dass Walküre geblinzelt hatte, stand sie auf irischem Boden.
Zauberer huschten an ihr vorbei, ohne sie eines Blickes zu würdigen.
Sie seufzte und sah auf den Leichensack hinab.
Eine Frau lief fast in sie hinein.
„Verzeihung, Miss Unruh", sagte sie.
„Schon gut. Ich müsste mit Tipp-"
„Ist das ... ?", sie blickte zu dem schwarzen Sack.
Walküre nickte stumm.
„Ich hole ihn sofort."
Die Frau eilte los.
Lediglich ein paar Minuten verstrichen, bis Tippstaff auf sie zu kam.
Sein Klemmbrett klemmte ihm unter dem Arm und seine Stirn hatte er in Falten gelegt.
Als er neben ihr zum Stehen kam, fiel sein Blick sofort zu dem Leichensack.
„Bitte sagen Sie mir nicht, dass es einer der Mitarbeiter aus dem Bunker ist."
Walküre fuhr sich durch das Haar.
Er stöhnte auf.
„Bringen Sie mich zu China -"
„Großmagierin Sorrows", korrigierte er.
„Bringen Sie mich zu ihr und ich erkläre das alles", versicherte sie.
Er sah sie einen Moment lang an.
„Großmagierin Sorrows ist nicht im Haus."
Walküre zog die Augenbrauen ein wenig zusammen. „Nicht?"
„Nein."
„Dann ... Dann werde ich den Ältesten Byrono und Scheyso Bericht erstatten?"
Tippstaff nickte, winkte einen Sensenträger heran und wies ihn an, den Leichnam zur Pathologie zu bringen.
Dann bat er Walküre, ihm zu folgen.
Walküre schluckte und fuhr sich erneut durch die Haare.
Sie durfte sich nichts anmerken lassen.
Sie würde lediglich über Juno Londons Tod sprechen, über die abgeschlossene Mission ... und darüber, dass sie und Skulduggery sich höchstwahrscheinlich auf die Suche nach Billy-Ray Sanguin machen würden.
Das sollte sie hinbekommen.

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Hi,
Eigentlich wollte ich das Kapitel nicht posten - also noch -, aber ich wollte euch auch nicht zu lange warten lassen.
Ich weiß nicht ganz, ob ich zu frieden bin oder nicht, aber ich hoffe, dass es euch wenigstens etwas gefallen hat ...
Eure Leni

[Meldet euch bei Rechtschreib- oder Grammatikfehlerin bei mir; meine Konzentration ist gleich 0]

Der Ring des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt