54.| »Oma«

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„Ich gehe mal nachsehen, ob Grässlich dir einen Tee machen kann, ja?", Hope strich Fletcher behutsam das nasse Haar von der Stirn.
„Tee hört sich gut an.", erwiderte er heiser. „Eine Wärmflasche wäre auch nicht schecht."
Sie sah zu, wie er sich weiter in die Kissen des Sofas drückte und die geschwollenen Augenlider schloss.
„Ich bin gleich wieder da.", flüsterte sie, während sie ihm die Decke, in die er eingewickelt war, bis zum Kinn hoch zog und aufstand.
„Und du hälst deine Klappe.", sie blickte von Fletcher zu Severin, der neben einer angekokelten Kiste auf einem Tisch lag.
„Ich bin doch die ganze Zeit schon still!", quiekte der schwarze Schädel.
„Severin!", sie ballte ihre Hände zu Fäusten.
„Woah, woah", er sprach sofort leiser, „Wenn ich noch einen Körper hätte, würde ich jetzt meine Hände abwehrend in die Luft halten."
„Sei einfach still.", Hope ging an dem Tisch vorbei und näherte sich der Tür, hinter der sich das Herzstück der Schneiderrei befand.
„Du magst mich nicht mehr."
Sie blieb stehen.
„Seit letzter Nacht."
„Das stimmt nicht, Severin."
„Und wie das stimmt."
Hope drehte sich um und starrte auf den hinteren Teil seines Schädels." Hör auf, schweig einfach.", sagte sie bestimmt.
Und Severin gab keinen Mucks mehr von sich, nicht einmal seine Kiefer klapperten aufeinander.
Die geballten Fäuste verloren an Druck und öffneten sich wieder. Ihre Schultern sanken herab, sie schloss ihre Augen und atmete tief ein und aus.
Ein Räuspern ließ sie zusammen zucken.
Tanith stand in der Tür, durch die sie und Grässlich vor einer halben Stunde verschwunden waren, und blickte Hope lässig an.
„Alles klar hier drinnen?", fragte sie. Hope fand, dass irgendetwas an der blonden Frau anders war, doch was genau, wusste sie selbst nicht.
„Fletcher fühlt sich nicht gut.", sie deutete mit dem Daumen hinter sich, „Er will nicht sagen, was genau passiert ist."
Tanith zog eine Augenbraue hoch und sah an ihr vorbei.
„Außerdem ist er klitschnass gewesen, als er wiederkam ... Ich dachte, wir könnten ihm eine Tasse Tee machen."
Ein Nicken. „Willst du auch eine?"
„Wieso nicht?"
Tanith verschwand wieder im Herzstück der Schneiderei, während Grässlich ihren Platz einnahm.
„Wir haben die Kiste nicht aufbekommen.", Hope seufzte tief.
„Ist es dir recht, wenn ich es versuche? Ich könnte dafür sorgen, dass die Luft sich im Inneren ausdehnt. Die Schaniere würden aufbrechen."
„Gerne, ja."
Grässlich spreizte seinen Zeige- und Mittelfinger und die rußschwarze Kiste flog ihm in die Hände. Er schüttelte sie einen Moment, dann stellte er sie auf die Kommode neben der Tür.
Er konzentrierte sich auf die Luft im Inneren.
Hope trat dichter und lugte an ihm vorbei.
Sie beobachtete, wie die Seiten, die sowieso schon zerkratz und zerdellt waren, sich weiter ausbeulten. Die Scharniere quietschten verdächtig, eines brach sogar auf, doch mit einem Mal zog sich die Kiste wieder auf Normalgröße zusammen.
Grässlich ließ die Hände stöhnend sinken. „So wird sie sicherlich aufgehen, aber dafür brauche ich einen zweiten Elementmagier."
Er drehte sich wieder zu Hope um. „Hast du den Schädel dahinten- Was ist mit Fletcher?"
Sie fuhr sich durch die Haare. „Ehrlich gesagt, weiß ich das nicht."
„Sieht aus, als hätte er sich geprügelt.", der Schneider ging auf das Sofa zu. „Aber Fletcher Renn prügelt sich doch nicht."
„Stimmt, er teleportiert- Nein, er läuft lieber weg, anstatt seine Magie zu nutzen.", Tanith trat wieder in den Eingangsbereich. In den Händen hielt sie ein Tablett, auf welchem vier weiße Tässchen und eine Kanne voller Tee standen.
Grässlich lehnte sich über den jungen Mann und musterte sein Gesicht. „Fletcher.", er rüttelte an ihm.
Tanith stellte das Tablett neben Severin ab und ließ sich in einen Sessel gleiten, dann goss sie die Tassen langsam voll.
Hope stelle sich neben sie und beobachtete Grässlich.
„Fletcher."
„Das Adrenalin hat nachgelassen ... Ich glaub, ich hab 'n gebrochene Rippe.", seine Stimme war ziemlich rau und die Augenlider konnte er nur halb öffnen, so geschwollen waren sie.
Grässlich schüttelte den Kopf. „Ich seh gleich nach, aber kläre uns doch bitte darüber auf, was passiert ist."
„Tanith wird mich auslachen."
„Ja, da hast du wahrscheinlich recht.", sie hielt Hope eine der vollgegossenen Tassen hin, welche ihr diese nickend abnahm.
„Fletcher.", Grässlich richtete sich wieder auf.
„Nein."
Hope hatte ein paar Schlucke aus dem Tässchen genommen und stellte es nun wieder auf das Tablett. „Tanith wird dich nicht auslachen, bitte, Fletcher."
„Wieso ist Severin eigentlich so ruhig?", der Teleporter stützte sich langsam auf seinen rechten Ellenbogen und schwang die Beine vom Sofa, dann setzte er sich stöhnend auf um Grässlich Platz zu machen - dieser ließ sich neben ihn sinken.
„Lenk nicht vom Thema ab.", Tanith verschränkte ihre Arme vor der Brust.
„Hmpf."
„Fletcher.", Hope setzte sich auf die Armlehne des Sessels. „Bitte."
Fletcher seufzte erneut und ließ kurz den Kopf hängen. „Es besteht die Möglichkeit, dass ich mich zum Nordpol teleportiert habe - ihr wisst schon, um Mikes Kiste aufzubekommen - und eine kleine unscheinbare kleine Oma mit einem Stück Holz auf mich eingedroschen hat. Dabei war sie drei Köpfe kleiner als ich! Drei!"
„Oh Herr im Himmel!", Taniths Lippen verzogen sich zu einem Grinsen.
„Dann bin ich vor ihr weggelaufen und ich sage es euch!", er sah Grässlich an und dann Hope, Tanith ignorierte er trotzig. „Die Oma war flink wie ein Fuchs!"
Tanith ließ die Zähne blecken und Grässlich schmunzelte amüsiert.
„Macht euch nicht über mich lustig! Ich wurde angegriffen!"
„Jaah, von einer alten Frau. Oh, Renn, du hast es echt drauf."
Fletcher rümpfte die Nase und verdrehte die Augen.
„Wieso bist du eigentlich nass?"
Er blickte zu Hope. „Bin vor Schreck ins Wasser gefallen.", murmelte er. „Danach habe ich mich hierher teleportiert."
Grässlich schüttelte den Kopf und hielt ihm die Hand hin. Auf seinem Handteller lag ein kleiner Stein, den Hope von Tanith kannte - die beiden hatten ihn benutzt um ihre Kratzer und Hämatome zu heilen.
„Danke.", Fletcher nahm den kleinen Stein und stand taumelnd auf, ehe er zur weißen Tür huschte und im Badezimmer verschwand.
Für einen Moment herrschte Stille und Tanith begann, ihren Tee zu schlürfen.
Es klopfte an der Tür.
Der Scheider erhob sich und ging auf die Eingangstür zu. Er zog den dicken Vorhang zur Seite und lugte hindurch, dann hörte man, wie der Schlüssel sich im Schloss drehte und er die Tür öffnete.
Die beiden Frauen wandten sich um und blickten zur Tür.
„Oh, hi, Hope.", Shawn grinste ein wenig und zog seine Mütze ein wenig schiefer.
„Hey.", erwiderte sie überrascht.
Die Tür öffnete sich erneut und drei weitere Personen betraten die Schneiderei.
Hopes Augen wurden groß.

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Hallöchen,
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen, auch wenn es wie ein Lückerfüller erscheint; ist es jedoch nicht. Tja.
Eure Leni.

[Meldet euch bei Rechtschreib- oder Grammatikfehlern bei mir.]

Der Ring des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt