57.| »Herzlich Willkommen im Hungrigen Holzfäller«

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Der Hungrige Holzfäller war ein sehr gepflegtes Gasthaus am Rande eines kleinen Dorfes.
Das große Schild, auf dem der Name des Lokals stand, war blankpoliert und durch die riesigen Fenster konnte man erkennen, dass sich viele Wanderer dorthin verirrt hatten. Aber auch die Einwohner liebten es, dort zu speisen.
Durch eine grüne Doppeltür gelangte man in das Innere des Restaurants.
An den Wänden hingen alte, aber wunderschöne Bilder, neben diesen vereinzelt auch Schrotflinten, die seit Jahren nicht mehr benutzt wurden oder Geweihe.
An der Decke hingen kleine Kronleuchter, welche jedoch nur eingeschaltet wurden, wenn nicht genug Tageslicht durch die Fenster hinein strömte.
Die Tische aus dunklem Eichenholz hatte man nach Lust und Laune platziert. Was niemanden störte, da der Raum immer noch ordentlich und gemütlich wirkte.
Egal, wo man hinsah, man erblickte keinen Gast, der eine unzufriedene Miene zog.
Eine pummelige Frau kam auf Skulduggery und Walküre zu, nachdem sie eingetreten waren.
Sie hatte kurze, braune Haare und trug eine schmale Brille auf der Nase.
„Herzlich Willkommen im Hungrigen Holzfäller.”, sagte sie mit einem riesigen Lächeln im Gesicht und wies den beiden an, ihr zu folgen.
Sie lotste sie an den Gästen vorbei und blieb dann vor einem Tisch, direkt an einem großen Fenster, stehen.
„Ein schönes Pärchen verdient einen schönen Platz.”, sie kicherte. „Entschuldigen Sie mich einen Moment, ich hole Ihnen die Speisekarten.”
Kaum hatte die Frau zu Ende besprochen, drehte sie sich um und huschte davon.
Skulduggery sah ihr einen Moment nach, ehe er sich auf einen der beiden Stühle niederließ und den Knopf seines Jacketts öffnete, seinen Hut auf die Fensterbank legte.
Walküre setzte sich ihm gegenüber und zog sich ihre Jacke aus, hing sie über den Stuhl und betrachtete den Tisch und dessen Dekoration.
Sie bestand aus einem kleinen, liebevoll zusammengesteckten Blumenstrauß, der in einer altmodischen Vase stand, daneben befanden sich zwei Behälter, die mit Salz und Pfeffer gefüllt waren. Die Tischdecke war weiß und hatte keinen einzigen Fleck; das Silberbesteck wies Schnörkeleien auf und erinnerte an das, das man nur zur Geburtsfeiern aus dem Schrank holte.
Dann sah sie Skulduggery an.
„Und du meinst wirklich, dass die hier Pizza haben?”, fragte sie.
„Hier ist es wahrscheinlicher als im Bunker. Wir können natürlich zurück gehen und dir dort ein trockenes Sandwich kaufen.”
Walküre lehnte sich zurück. „Woher willst du wissen, dass die Sandwiches trocken sind, wenn du sie nicht probiert hast?”, sie verschränkte ihre Arme, „Du weißt schon, weil du ja nichts essen kannst.”
Skulduggery schmunzelte und dabei bildeten sich kleine Grübchen an seinen Mundwinkeln. „Stimmt, ich kann das nicht beurteilen.”
„Na siehst du.”, fauchte sie leise.
„Aber Cho konnte es beurteilen.”
Sie schnaubte und setzte sich ordentlich hin, als die Kellnerin wieder zu ihnen stieß.
„Hier sind die Speisekarten.”, sie reichte jedem eine. „Winken Sie mich einfach heran, wenn Sie bereit sind, zu bestellen.”
Und weg war sie.
Auch Skulduggery öffnete seine Speisekarte und begann, darin herumzublättern.
„Die haben ja wirklich Pizza.”, meinte Walküre nach einigen Minuten
„Du könntest dir aber durchaus auch ein Kindermenü bestellen.”, er blickte sie an. „Seite acht. Dann bekommst du sogar ein Trinkpäckchen.”
Walküre verdrehte die Augen. „Ich könnte mir aber auch ein Glas Whiskey bestellen, immerhin bin ich erwachsen.”
Er legte die Karte zur Seite. „Ich bin mir sicher, dass du lieber einen Orangensaft trinkst als Whiskey.”
„Ach ja?”
„Ja.”
Wenig später stand ein großer Teller, auf dem sich eine dampfende Pizza befand, vor Walküre ... und daneben ein Trinkpäckchen.
Skulduggery verkniff sich einen weiteren Kommentar und beobachtete sie, als sie anfing zu essen.
Seine Gedanken glitten kurz davon; er musste daran denken, was an diesem Morgen passiert war.
„Was ist?”, fragte sie mit vollem Mund.
Er reagierte nicht.
„Skulduggery.”, sie biss erneut ein Stück ab und trat ihm gegen das Schienbein. „Skulduggery!”
Er schüttelte minimal den Kopf. „Ja?”
Walküre säuberte sich die Finger und ergriff das Trinkpäckchen. „Du starrst mich an.”
„Das stimmt nicht.”
Sie steckte den Strohhalm in das Päckchen und nahm einen Schluck. „Doch das tust du und ich mag es nicht.”
„Ich starre nicht.”, wehrte er weiterhin ab. „Ich habe dich lediglich für einen Moment beobachtet.”
Sie zog ihre schwarzen Augenbrauen hoch. „Für einen Moment!? Ich habe meine Pizza halb aufgegessen.”
Er zuckte mit seinen schmalen Schultern. „Ich kann nichts dafür, wenn du schlingst.”
„Das habe ich doch gar nicht!”, sie wurde etwas lauter, aber sah sich dann sofort um, um sicherzugehen, dass keiner der Gäste es bemerkt hatte.
„Na, wenn du meinst.”
Walküre nahm noch einen kräftigen Schluck und widmete sich dann wieder ihrer Pizza.
Skulduggery wandte seinen Blick immer noch nicht ab.
„Ich meine es ernst, ich mag es nicht, wenn man mich anstarrt!”, zischte sie.
„Ich starre immer noch nicht.”
„Ach nein? Darf ich dich daran erinnern, dass du jetzt Augen hast – ”
Er legte den Kopf schräg. „Ja, das darfst du. Nett, dass du fragst.”
„Skulduggery!”, mit einem Ruck war der Teller auf der anderen Seite des Tisches und zerdepperte dort. Skulduggery blickte auf die restlichen zwei Stücke der Pizza, welche nun in seinem Schoß lagen, hinab.
Walküre packte das Trinkpäckchen und warf es hinterher.
Es knallte gegen seinen Brustkorb und die orangefarbene Flüssigkeit verteilte sich auf seinem Hemd.
Im Hungrigen Holzfäller war es still geworden, alle Blicke lagen auf ihnen.
Walküre sprang auf und flüchtete nach draußen.
Skulduggery entwich ein Geräusch, dass sich wie ein Seufzen anhörte, ehe er die Pizzastücke und das Päckchen zurück auf den Tisch legte.
Er erhob sich, platzierte ein paar Scheine am Rand des Scherbenhaufens und klemmte sich seinen Hut unter den Arm. Er nahm Walküres Jacke an sich und ging hinaus
Er musste nicht lange nach ihr suchen, denn sie saß ganz in der Nähe auf einer Bank und hatte den Kopf in den Nacken gelegt.
Er setzte sich zu ihr und trocknete mit einer unauffälligen Handbewegung sein Hemd.
Nach einer Weile legte Walküre ihren Kopf an seine Schulter.
„Es tut mir leid.”, sagte sie seufzend.
Skulduggery nickte.
„Grässlich bringt deinen Hut wieder in Ordnung und schneidert dir ein neues Hemd.”
„Natürlich wird er das.”
„Nimmst du meine Entschuldigung an?”
Er sah auf ihren Schopf nieder. „Musstest du dich jemals bei mir entschuldigen, damit ich dir verzeihe?”
„Nein?”
„Dann ist die Frage überbewertet.”
Walküre hob ihren Kopf etwas an und blickte ihm in die schwarzen, falschen Augen.
„Aber es geht um deinen Anzug.”
„Und um meinen Hut.”, ergänzte er.
Sie seufzte.
„Nun gut, ich gebe zu, dass es mich nicht kalt lässt, aber das ist nichts, was Grässlich nicht wieder ins Lot bringen kann.”
Kurz sahen sie sich schweigend an.
„Können wir uns umarmen?”
„Natürlich.”
Sie umarmten sich und Walküre schloss die Augen, während ihr Kopf an seiner Brust lag. „Dafür riechst du jetzt nach Orange.”
„Na super.”
Sie grinste

Der Ring des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt