4.| »Verhaftung«

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„Gibbs! Er läuft Richtung Ausgang!", die schnaufende Stimme Anthony DiNozzos dröhnte durch den Knopf in dem Ohr des grauhaarigen Mannes.
Leeroy Jethro Gibbs sah sich um, während er über den großen Platz lief. Zwischen dem Ausgang und ihm waren Lagerhallen und Container. Würde er außen rum laufen, würden sie den Mörder entkommen lassen.
Er beschleunigte und lief auf eine der Gossen zu, die nicht breiter als einen Meter waren. Er hoffte, dass dort keine Überraschung hockte, die ihm die Beine wegriss.
Der Boden schmatzte unter ihm während seine Lunge begann zu brennen. Er wurde immer schneller und als er aus der Gosse hinaus sprintete, stieß er sich mit einer Hand an einem Container ab. Fast wäre er über seine eigenen Füß gestolpert, als er sich so in eine ansere Richtung manövrierte.
„Scott ist gleich beim Ausgang!", nun war es Bishops Stimme, „Vielleicht bekomm ich ihn noch!", sie klang entschlossen, dann war es still.
Er stieß sich an einem anderen Container ab, doch er brachte zu viel Schwung mit sich. Seine Beine verknoteten sich gerade zu ineinander und er rollte über den Boden. Er blieb eine Sekunde liegen und sein Ellenbogen schmerzte und er fragte sich einmal mehr, ob er langsam doch zu alt für diesen Beruf war. Dann hievte er sich hoch und lief zwischen den gestapelten Eisenschachteln durch, wurde wieder schneller und der Wind, der vom Hafen aus rüberwehte kitzelte seinen Rücken, schob ihn an. Er verließ das Labyrinth aus Containern.
Gibbs sah, wie der Mann in schwarzen Sachen, sein Name war Colleen Scott, aus der offenen Lagerhalle ihm gegenüber herausgeschossen kam, eine blonde Frau lief ihm hinterher; Eleanor Bishop. Leider war der Abstand zwischen ihr und dem Flüchtigen zu groß.
Die Lunge des Grauschopfes zog sich zusammen, als er noch einen Zahn zu legte. Das Feuer in ihm entfachte wieder und er war sich ziemlich sicher, dass er noch nicht zu alt für diesen Beruf war, nicht zu alt dafür war, die Menschen zu schnappen, die anderen Unrecht taten.
Er sprintete über den staubigen Boden, schnappte dabei nach Luft.
Der schwarz Gekleidete steuerte das große Tor an, das zur Stadt und runter von dem Gelände führte.
Jethros Füß hinterließen kleine Kuhlen im Boden und er schmiss sich mit ausgestreckten Armen nach vorne. Er stieß seitlich gegen den Mann und sie rollten, nach dem unsanften Aufprall, über den Boden.
Dem Verbrecher entwich ein Schmerzensschrei, der Polizist konnte es gerade noch so unterdrücken.
Er rappelte sich auf alle Viere und stürzte sich auf den Rücken. Scott klappte kerzengerade nieder und Gibbs zog seinen Arm nach hinten.
„Colleen Scott, ich verhafte Sie ...", er schnaufte angestrengt und sein Hals war trocken „... wegen dreifachem Mordes, versuchten Todschlages und Steuerhinterziehung.", wieder holte er Luft, „Sie haben das Recht zu schweigen, alles was Sie sagen kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet.", seine Stimme erstickte.
Der Geschnappte zappelte unter ihm, als ihm Handschellen angelegt wurden und Bishop zu ihnen stieß.
„Boss-", keuchte sie, „starke Leistung."
„Nenn mich nicht Boss.", der Teamleiter stellte sich auf die Beine und zog den Gefangenen hoch.
Auch Anthony kam nun zu ihnen.
„Lasst mich los, Bullenschwein!", zischte Scott.
„Und Beamtenbeleidigung.", fügte er gelassen dazu, dann: „Tony, sicher die restlichen Beweise, Bishop, du kommst mit mir."
Sie brachten den Mörder zu dem Auto und schnallten ihn auf der Rückbank fest. Gibbs knallte die Tür zu und zog seine Jacke aus, Elenoar beobachtete ihn dabei. Sein linker Ellenbogen blutete unaufhörlich, es brannte.
Die Frau mit den blonden, langen Haaren ging zum Kofferraum und kam kurz darauf zurück zu ihm.
„Danke.", murmelte er, als sie die Binde um seinen Arm wickelte.
„Nicht dafür."
Sie stiegen ein. Bishop hinten und Gibbs setzte sich auf den Fahrersitz und warf seine Jacke in den Fußraum des Beifahrerplatzes.
Sie fuhren los.
„Ah, hat der alte Mann ein Wehwehchen?", spottete der Glatzköpfige.
„Halt die Klappe.", er ließ sich davon nicht zur Weißglut bringen.
Er gab irgendein Murmeln von sich und wandte den Kopf dann zu der Frau neben ihm. „Wärst kein Cop, dann hättest du eine Chance gehabt, Süße.", er zeigte ihr seine gelben Zähne.
„Wenn ich kein Cop wäre, hätten Sie mich wahrscheinlich nie kennengelernt."
„Die Seiten wechseln kann man immer noch, Schätzchen.", er musterte sie und sah ihr wieder ins Gesicht.
„Sicherlich nicht."
„Doch, doch. So schwer ist das gar nicht. Man fängt einfach irgendwo an und dann kommt die kriminelle Ader von ganz alleine."
Sie verdrehte angewidert die Augen.
„In jedem von uns steckt ein Monster, nicht wahr, Agent Gibbs?", den Namen spuckte er in die Fahrerkabine, wie ein olles Stück Kaugummi.
„Er ist kein Monster.", murmelte Elli eher zu sich selber, als zu ihm.
„So wie der mich zu Boden gerissen hat schon. Ich habe jetzt bestimmt überall blaue Flecken und einen geprellten Arm.", er zog ein mitleidiges Gesicht.
„Und die Menschen, die sie getötet haben, sind nur noch entstellte Leichen, Scott. Jetzt halten Sie Ihren Mund.", sie hätte ihm ins Gesicht spucken können.
Der Anblick der drei Leichen, die er bis ins Schlimmste verstummelte, zeigte sich ihr nochmal vor dem inneren Auge.
„Wiedere ich Sie an? Das will ich nicht. Ich find Sie echt sympathisch, Bishop. Vielleicht sollten wir uns besser kennenlernen."
„Vielleicht sollte ich Ihnen das Maul stopfen.", knurrte Gibbs von vorne, als sie in die Tiefgarage fuhren und er den Motor abstellte. Aus dem Mund des Täters kam nur heiße Luft.
Sie stiegen aus und der Mann zerrte Scott hinaus.
„Hey, nicht so grob, Alterchen."
Gibbs zog ihn mit sich und im Gebäude übergab er ihn seinen Kollegen, dann wandte er sich an Bishop.
„Ruf im Krankenhaus an und frag, wie es McGee geht."
Sie nickte und er ließ sie stehen.
Im Fahrstuhl lehnte er seinen Körper gegen eine der vier Wände. Sein Finger drückte einen Knopf und das Ding schaltete das Licht aus und hielt an. Er schloss seine Augen und legte den Kopf in den Nacken.
Er dachte an die letzten zwei Tage, in denen er kaum schlief und sie Scott fieberhaft verfolgten, zurück. McGee wäre fast draufgegangen, als er ihn festnehmen wollte. Vier Schüsse - zwei in den Bauch, zwei in die Brust.
Er hatte keinerlei Informationen über seinen jetzigen Zustand und fühlte sich schuldig. Hätte er ihn doch nicht alleine dort reingeschickt. Aber er konnte es nicht rückgängig machen. Wenn er es aber können würde, dann hätte er viele Dinge aus seiner Vergangenheit geändert.
Er fuhr sich über das Gesicht und atmete durch. Alles tat ihm weh, er merkte die Müdigkeit nicht nur, weil sie sich über seine Augen legte, sondern auch, weil sie sich an seine Glieder heftete und sie hinunter zog. Er knöpfte seinen Kragen etwas auf, da er eng anlag und drückte dann wieder den Knopf, der den Aufzug in Bewegung setzte.
Die Türen öffneten sich und die orangen Wände erfassten sein Blickfeld gleich. Gibbs trat auf den Flur und steuerte das Büro an, in welchem er und sein Team arbeiteten.
Sein Vorgesetzter, ein Mann mit dunkler Haut, sein Name war Lion Vance, lehnte an seinem Schreibtisch und bei ihm stand eine straßenköterblonde Frau, sie war etwas stämmig und trug schwarze Sachen, die ihre Trauer zeigten. Ihre Mundwinkel hingen hinab und die Augen waren geschwollen, dennoch hingen ihre Schultern erleichtert herunter.
Jethro blieb bei ihnen stehen.
Vance richtete sich wieder auf. „Miss Connor, das ist Agent Gibbs.", sagte er zu der Frau gewandt.
Der Name sagte ihm etwas, sie war die Mutter von einem der Opfer. Die anderen zwei toten Frauen hatten keine Familie mehr.
Die Frau fiel dem Polizisten wortlos um den Hals und drückte ihn.
Er erwiderte die Umarmung mit dem rechten, dazu nicht schmerzenden, Arm und klopfte ihr seicht auf den Rücken.
Sie begann zu Schluchzen „Danke. Danke, dass Sie den Mörder meiner Tochter gefasst haben."
Er nickte.
„Ich bedanke mich auch für die anderen Mädchen, die keine Familie mehr hatten ... Jeder hat Gerechtigkeit verdient.", wieder schluchzte sie und ließ ihn los. „Danke.", wiederholte sie nochmal, ging dann.
„Es war nicht nur mein Verdienst.", murmelte er leise und sah ihr hinterher, dann widmete er sich seinem Chef wieder.
„DiNozzo hat angerufen und Bescheid gesagt, dass Sie ihn haben. Ich habe mich verpflichtet gefühlt, es ihr zu sagen.", meinte Vance dann.
„OK."
„Sie können nach Hause gehen. Ruhen Sie sich aus, Gibbs.", er klopfte ihm auf die Schulter, wobei dieser leicht zischte.
Jethro nahm sich das Holster mitsamt Pistole vom Gürtel und packte dieses, ebenfalls die Marke, in die oberste Schublade seines Schreibtisches und schloß ab. Er fühlte sich befreit, befreit von der Verantwortung eine Waffe bei sich zu tragen. Er mochte das Schießen und seine Arbeit, aber wenn die Müdigkeit sich über ihn legte, war es einfach nur lästig.
Diese Ansicht hatte er mit seinem Alter bekommen.
Draußen strahlte die Sonne ihm ins Gesicht und er genoss diesen kurzen Moment, spürte die Wärme, die ihn kirtzelte. Danach stieg er in seinen Wagen und verließ das Gelände.
Wieder machten sich seine Gedanken selbständig und er dachte an den verletzten McGee.
Wie ging es ihm?
Lag er im Koma oder war er wach?
Als sein Auto zum Stehen kam, war er wieder vollständig da. Er schnallte sich ab und stieg aus, sah sich dann etwas verwirrt um. Wie hatte er das denn geschafft? Er stand auf dem Parkplatz des großen Krankenhaus, in dem Timothy auf der Intensivstation lag.
Er zog die Schultern wieder hoch und streckte sein Rückrat druch. Er schloss den Wagen ab und ging auf den Eingang zu, musste aber geschockt zur Seite springen, als ein Krankenwagen auf ihn zuraste.
Die Sirenen heulten und die Türen wurden aufgeschlagen, hektische Anweisungen drangen an seine Ohren und dann wurde eine Liege an ihm vorbei geschoben, auf der ein blutiges Unfallopfer lag. Der Mann war intubiert und ein Arm hing herunter, einer der Sanitäter legte ihn wieder auf den Bauch des Mannes. Gibbs blieb kurz dort stehen, sah in das Innere des Wagens, in dem eine junge Frau hilflos stand und mit den Tränen rang, ihre behandschuhten Hände waren voller Blut. Sie sah jung aus, wahrscheinlich war sie noch nicht lange dabei. Als sie aufblickte, bemerkte er Tränen in ihren Augen. Er warf ihr einen mutmachenden Blick zu und ging dann selber in das Gebäude.

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Nächste Woche geht es dann weiter.
Ich freue mich über Vites und Kommentare.

Ich wünsche euch einen schönen Sonntag Abend!
Eure leni ❤️

Der Ring des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt