53.| »Gefallen«

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Malia blickte erneut in den großen Spiegel.
Ihre silbernen Haare lagen ihr lockig über die Schultern, die gleichfarbigen Augenbrauen waren filigran nachgezogen worden und das Taubenblut auf ihren Lippen betonte ihr Gesicht in einem grausigen Stil, der nur auf Phine Dona zurückzuführen war.
Sie erkannte sich selbst fast nicht wieder, aber sie liebte es.
Mr Delöl half ihr in ein schwarzes Kleid aus feinstem Samt und knöpfte es sorgfältig an ihrem Rücken zu. Er rückte es zurecht und strich den Stoff an ihren Armen glatt.
Malia stieg in blankpolierte Stiefeletten.
Als sie sich aufrichtete, legte der ältere Mann ihr eine zarte Perlenkette um den Hals. Dann besah er sie von oben bis unten und nickte bestätigend.
„Wenn du mir folgen würdest. Man erwartet dich.", Mr Delöl verschränkte seine Hände hinter seinem Rücken und setzte sich in Bewegung.
Ehe Malia ihm folgte, blickte sie für einen Moment erneut in den Spiegel.
Zusammen durchquerten sie den riesigen Thronsaal Phine Donas - die entsetzlichen Bilder flackerten inzwischen nicht mehr in der Luft und die Hyänen lagen ruhig in dem Käfig.
Sie kamen auf einen der vielen Korridore und folgten einer roten Spur, die verdächtig nach Blut aussah.
„Taubenblut.", erklärte Mr Delöl schlicht. „Die Kinder spielen wohl wieder mit den verletzten Viechern."
„Kinder?", fragte sie und sah ihn von der Seite an.
Er nickte. „Die dunklen Geschwister - Sie sind alle tot."
„Okay ...", sie wollte nicht weiter nachhaken.
Sie bogen um eine Ecke und stiegen eine kleine Treppe hinauf, passierten den nächsten Korridor.
Malia hatte längst die Orientierung verloren, als sie vor einer weiteren Treppe stehen blieben.
„Die letzte Tür links, Mädchen."
„Sie kommen nicht mit?"
Der Mann lächelte seicht. „Oh nein. Ich gehe wieder zu den Kindern."
„Okay ... Danke."
Mr Delöl nickte leicht, drehte sich um und ging den Weg, den sie gekommen waren, zurück.
Malia atmete tief ein und begann, die Treppen hinauf zu steigen. Die Stufen waren aus purem Gold und sie hatte Angst, Kratzer darauf zu hinterlassen.
Nach einigen Minuten kam sie an einem türlosen Eingang an.
Sie blickte sich um, trat dann aber zögernd in den Gang - es war stockduster und ihre Augen brauchten einen Moment, um sich daran zu gewöhnen.
Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor den anderen, beide Hände sicherheitshalber vor sich ausgestreckt.
Sie kam am Ende des Gangs an und blieb vor einer Tür stehen - das Holz war einen Spalt weit geöffnet.
„Nun Alevtina, du und das Kind seid nicht ohne Grund zu mir gekommen.", es war Phine Donas langsame Stimme. „Hat sie etwas böses getan? Willst du sie büßen lassen? Ich nehme sie gern auf, wie du weißt."
Malia umklammerte die Türklinke.
Deswegen waren sie doch nicht hier, oder?
„Sie würde sich sicherlich gut zwischen meinen Mädchen und dem kopflosen Burschen machen.", man hörte ein leises Schlürfen. „Nur eines müsste man ihr abgewöhnen."
Alevtina Jola schwieg.
„Das Lauschen, nicht wahr, Malia?"
Das Herz des Mädchen machte einen harten Sprung, dann schwang die Tür heftig auf und ein Schatten flog auf Phine zu.
Entschuldigung.", sagte sie kleinlaut, während ihr Blick fahrig durch das sorgfältig eingerichtete Zimmer glitt.
„Setz dich zu uns."
Sie tat wie geheißen.
Alevtina lächelte sie an. „Du solltest öfter Kleider tragen, Kind."
„Danke ... ", zum ersten Mal bemerkte sie, wie ihr Puls nicht in die Höhe schoss, als sie dieses wunderbare Lächeln sah.
„Nun?"
„Ich kam her, weil du mir einen Gefallen schuldest, meine Liebe."
„Und das Kind?"
Alevtina legte eine Hand auf Malias Schulter. „Sie ist meine Begleitung."
Phine nickte langsam.
„Es wird auch in deinem Interesse liegen."
„Ach ja?"
„Lord Vile."
Malia sah beide aufmerksam an.
„Lord Vile?", die roten Lippen in dem marmorweißen Gesicht begangen zu zucken.

*

Der Wind zerrte an ihrem neuen Mantel und wehte den Saum ihres Samtkleides umher, während sie neben Alevtina Jola die fünfunfdreißig Erzstufen hinab stieg.
Auf dem Schlossgelände stand eine schwarze Kutsche, welche von zwei dutzend schwarzen Gestalten umringt war.
Mr Delöl tauchte in einem Strudel aus schwarzen Schatten neben der Kutsche auf und öffnete die schmale Tür.
Ein kopfloser Körper, eingewickelt in einem Kartoffelsack, trug einen großen Koffer bei sich, welchen er in das Innere des Gefährts legte, ehe er davon watschelte.
„Sieh keinen von ihnen an.", Alevtinas Lippen bewegten sich kaum, „Geh einfach erhobenen Hauptes in die Kutsche."
Der Boden unter ihren Stiefeln schmatzte leise, als sie auf die Kutsche zu gingen.
Die schwarzen Gestalten regten sich nicht, lediglich der Wind ließ sie ab und zu ein wenig taumeln. Sie alle trugen Gewänder aus grauen Leinen, die ihnen bis zu den nackten, aufgeschürften Füßen reichten. Ihre Haare waren schwarz und verzottelt und verdeckten ihre Gesichter.
Als eine Gestalt umkippte, drehte Malia den Kopf automatisch in die Richtung.
Die Gestalt wischte sich fahrig die Haare zur Seite und hob den dreckigen Kopf. Ihre Augäpfel lagen vergammelt in den Augenhölen, ihre ganze Nase bestand aus pochendem Schorf und die Stirn zeigte blutige Narben. Die klaffende Wunde, die ihren Mund darstellte, verzog sich zu einem Grinsen. „Hallöchen", krächzte sie, ehe sie begann, unaufhaltsam zu kichern.
Malia erstarrte für einen kurzen Moment, dann wirbelte sich herum und kletterte in die Kutsche. Sie zog hektisch die Tür zu und ließ sich auf die Sitzbank neben Alevtina fallen.
Kurz war es still, dann lachte die Frau.
„Du hast sie angesehen, stimmt's?"
„Stimmt.", Malia seufzte.
„Hässlich, oder?"
„Eher ... entsetzlich."
Die schmale Tür schwang wieder auf und Phine Dona betrat die Kutsche, sie setzte sich auf die freie Bank und blickte Mr Delöl an.
„Tun Sie ihnen weh, wenn sie nicht gehorchen."
„Das werde ich, Ma'am.", damit verbeugte er sich und trat zurück.
Kaum war die Tür zu, da schlängelten sich schwarze Schatten aus Phines Händen. Sie verschwanden in den Wänden der Kutsche.
Es ruckelte stark.
Malia zog den Vorhang neben sich zur Seite und blickte aus dem Fenster.
Sie befanden sich in der Luft und ließen das Schloss hinter sich.
Sie sah zu den beiden Frauen.
Phines Gesicht war wie versteinert, doch Alevtina lächelte zufrieden.

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Hallo,
Eigentlich sollte das Kapitel schon vorgestern kommen, doch dann hatte ich zu viel Stress um das noch zu schaffen. Gestern war ich einfach zu unmotiviert und jaahh, tadaaa.
Ich hoffe, es hat euch gefallen.
Eure Leni

[Meldet euch bei Rechtsschreib- oder Grammatikfehlern bei mir.]

Der Ring des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt