46.| »Lagerraum?«

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„Grässlich?”, Tanith hatte ein wenig Dreck zur Seite gescharrt und schob ihre Finger unter eine Luke, die sich vor ihr im Boden befand.
„Mh?”
„Ich hab was.”, sie versuchte die Luke aufzuziehen, doch das Eisen rührte sich nicht.
„Muss wohl an den Seiten verschmolzen sein, als es gebrannt hat.”, warf er ein.
„Versuch du es mal.”, bat sie und richtete sich auf.
„Wie denn?”, fragte er.
Sie zuckte mit den Schultern.
„Du bist gar nicht bei der Sache.”, unterstellte sie ihm dann, als er sich nicht rührte und die Luke schon fast gedankenverloren ansah.
„Doch bin ich.”
„Nein, bist du nicht.”
„Woher willst du das wissen, Tanith?”, er verließ den kleinen Raum und steuerte die Diele an, über die er einen Tag zuvor gestolpert war.
„Du starrst vor dich hin und bist schweigsam, du überlässt hier drinnen irgendwie alles mir.” 
Grummelnd hob Grässlich die Diele aus dem Boden und ging zurück zu Tanith. Diese trat einen Schritt zurück und sah zu, wie er das Holz zwischen Luke und Boden klemmte. Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, stämmte er das Eisen hoch.
„War wohl doch nicht verschmolzen.”, meinte Tanith und schlüpfte durch die Luke.
Auch Grässlich zwängte sich durch das Loch hindurch und tippte Tanith an um ihr zu signalisieren, dass sie die Stufen der Holztreppe runtergehen sollte.
Sie hatte erst einen Schritt gemacht, da gab das durch den Brand morsch gewordene Holz nach. Die beiden donnerte auf den Steinboden zu.
Tanith hatte recht; Grässlich war nicht bei der Sache, weswegen er den Fall nicht mehr abdämpfen konnte und sie erbamungslos unten aufschlugen.
Stöhnend fasste die Schwertkämpferin sich an den Kopf und rutschte mühsam von der Scheide, in der ihr Schwert weilte, herunter.
Grässlich bewegte erst seine Füße, dann die Beine und die anderen Gliedmaßen, alles funktionierte noch.
Langsam stützte er sich auf seinen linken Ellenbogen. „Bist du verletzt?”
„Mir geht's gut.”, ihre freie Hand tastete nach ihm.
„Bist du dir sicher?”, Besorgnis ertränkte seine Stimme und er kam auf die Knie.
„Mein Kopf tut weh.”
Er tastete sich an ihren Armen hinauf zum Hals und dann nahm er ihr Gesicht zwischen die rauen Hände. Er versuchte ihre Gesichtszüge zu erkennen.
„Ist nur ein Kratzer.”, versicherte Tanith. „Eigentlich sollte ich wütend auf dich sein, dass du abgelenkt warst.”
„Da hast du wohl recht.”, er nickte. Inzwischen konnte Grässlich sie in der Dunkelheit besser erkennen.
Sie schlug ihm gegen die Seite, doch er ließ nicht von ihr ab. Sein Daumen streichelte ihre Wange.
Für einige Sekunden starrten sie sich wortlos an, doch dann machte Grässlich den ersten Schritt:
Er kam ihrem Gesicht näher.
„Grässlich.”, flüsterte sie.
„Tanith.”, erwiderte er genauso leise.
Und küsste sie.
Sie erwiderte den Kuss.
Leidenschaft und die lange versteckte Sehnsucht fiel über sie her. Alle angestauten Gefühle, die die beiden je für einander hegten, entluden sich in diesem Moment.
Doch so schnell der alles begonnen hatte, endete es wieder.
Grässlich ließ von ihr ab und Tanith rückte etwas von ihm weg.
„Das ...”
„War unglaublich.”, der Schneider fuhr sich über dein Gesicht.
„Stimmt.”, Tanith Low atmete einmal durch, ehe sie sich an seiner Schulter abstützte und aufstand.

*

„Tanith, warte mal.”, Grässlichs Hand umfasste ihre und hielt sie davon ab, das Haus zu verlassen.
„Ja?”
„'Tschuldigung.”
Sie runzelte die Stirn. „Für was?”
„Dafür, dass ich nicht bei der Sache war.”
Die beiden benahmen sich so, als hätte der Kuss nie stattgefunden.
„Was ist denn los?”
„Sahafaran.”, entwich es ihm schlicht.
Sie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Was ist das?”
„Sag mir nicht, dass du das nicht weißt.”
Sie schwieg Kurz. „Na schön, ich sag's dir nicht.”
Ein Schmunzeln huschte über Grässlichs Gesicht, dann wurde er wieder ernst. „Die Urväter.”, half er ihr auf die Sprünge.
Wusste sie denn wirklich nicht, was er meinte?
Tanith wollte ansetzen, aber unterbrach sich selber wieder, als sie von draußen Gebrüll hörte.
„Hört sich nach unserem Freundchen an.”, murmelte sie dann.
„Oh, wie ich mich schon freue ihn auch mal kennenzulernen.”, erwiderte Grässlich und verließ das Haus.
Tanith tat es ihm gleich, dennoch schlug sie einen anderen Weg als der Schneider ein und schwang sich über den Zaun.
„Was zur Hölle macht ihr auf meinem Grundstück?”, brüllte Brad Meyer.
Hope und Fletcher standen immer noch an der gleichen Stelle, an der sie die beiden zurück gelassen hatten.
Die Schwertkämpferin trat vor sie. „Ach sieh mal einer an.”, meinte sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust.
Brads Gehtempo verringerte sich, ehe er ganz zum Stehen kam. „Was ... Was wollt ihr?”
Doch eine Hand, die sich in seinen Nacken legte, ließ ihn zusammen zucken.
„Hey Kumpel.”, grüßte Grässlich, der sich dem Mann von hinten genähert hatte, gespielt freundlich. „Wie geht's?”
Augenblicklich versteifte sich die Haltung von Brad Meyer - damit hatte er nicht gerechnet.
„Ich glaube, wir sollten uns ein wenig unterhalten, meinst du nicht?”, Grässlichs Griff versträkte sich und er schob den Mann vor sich her.
Die Gruppe verschwand hinter dem Haus, fand sich kurz darauf auf einer alten und dazu unschönen Terrasse wieder.
Der Mann wurde in einen der Stühle gedrückt.
„W - was wollt ihr?”, all die Farbe war aus seinem Gesicht gewichen, genauso wie sein Selbstbewusstsein.
„Sagte ich doch schon: Reden.”, Grässlich zuckte mit den Schultern und zog sich ebenfalls einen Stuhl heran. Er setzte sich Brad gegenüber.
Dieser nickte nervös, sein Blick huschte zu den drei Personen hinter Grässlich, dann wieder zurück.
„A - also?”, stotterte er.
„Zu aller erst, würde ich gerne etwas wissen. Du musst verstehen, es ist mir ein persönliches Anliegen.”, Grässlich knackte kurz mit den Fingern und legte dann sein Kinn auf seine rechte Faust.
Brad schluckte.
Tanith kicherte erstickt und Fletcher stieß ihr stirnrunzelnd in die Seite. Hope blieb als einzige still ... Nun ja, Severin auch.
„Gestern ... Mr Brad Meyer, was hat sie da bewegt, mich niederzuschlagen? Sah mein Kopf aus wie ein Blumenstrauß, der eine Vase benötigte?”
„Ich, das-”
„Ja?”, Grässlichs Stimme war ruhig, gelassen.
Brads Hände fingen an zu zittern und er räsuperte sich. „Nein, Sir.”
Grässlich sah ihn abwartend an.
Der Mann räusperte sich immer wieder, blieb jedoch still.
„Nun ja, ich sehe schon, du bist sehr gesprächig.”, der Schneider erhob sich vom Stuhl und stellte ihn weg. „Ich denke, ich muss dir anders auf die Sprünge helfen.”
Brads Augen weiteren sich, seine Augenbraue begann zu zucken und dicke Tränen quollen aus seinen Augen hervor. „Nein! Nein, tun Sie mir nichts, bitte!”, platzte es aus ihm heraus. „Ich hatte Angst! Mike ist ein guter Freund von mir und bat mich, sein Haus zu verteidigen, wenn jemand dort einsteigen würde! Ohne Magie ist das ein wenig schwer.”, zum Ende hin wurde er immer leiser und sein Schluchzen lauter.
Grässlich rieb sich nachdenklich die Faust. „Ohne Magie? Habe ich richtig gehört?”
„Das reicht.”, kam es nun von Hope, sie legte Grässlich eine Hand auf die Schulter und zog ihn etwas nach hinten.
Verwundert sahen die drei Zauberer sie an.
„Lasst mich nur machen, geht ein wenig zurück.”
Der ältere Mann saß immer noch schluchzend und schniefend auf dem Stuhl, als sie sich vor ihn stellte. Sie zog den Stuhl wieder heran und setzt sich auf ihn. Aus ihrer Jackentasche holte sie eine Packung Taschentücher hervor und hielt ihm dann eins hin.
Brad Meyer starrte auf ihre Hand hinab.
„Niemand wird hier irgendjemanden weh tun. Nehmen Sie schon.”, Hopes Stimme klang angenehm warm.
Langsam hob er die linke Hand und nahm es an sich, schnäutzte hinein und trocknete dann zögerlich seine Tränen.
„Hören Sie, Mr Meyer, Mike war mein ...”, ja was war er? „... nun ja, soetwas wie ein Großvater für mich und -”
„War?”, fragte er brüchig.
Der Braunschopf senkte kurz den Blick „War.” und nickte.
„Oh Gott.”
„Wir versuchen seinen Mörder zu finden.”, erklärte sie weiter, „Als wir gestern herkamen um nach Hinweisen, Indizien oder wie man es nennen will, zu suchen, war das Haus schon verwüstet.”
„Und ich dachte...”, er beendete seinen Satz nicht.
„Ich weiß, was Sie dachten und weil Sie Mike versprochen haben, auf sein Haus aufzupassen, haben Sie das auch getan.”
Brad nickte abgehakt.
„Jedenfalls ... Wir haben herausgefunden, dass Mike einen Lagerraum gemietet hat, jedoch nicht auf seinen Namen.”
Der Mann wandte den Blick ab und sah auf seine ineinander verschränkten Hände, die in seinem Schoß lagen, nieder. Dann begann er leise zu sprechen. „Ja, Mike hatte einen Lagerraum.”, er schluckte, „Der war auf meinen Namen gemietet, er meinte, das wäre sicherer - wieso auch immer.”
Hope sah kurz über ihre Schulter hinweg zu ihren Begleitern und dann zurück.
„Ich hab das Zeug dort drinnen verbrannt.”, murmelte erstickt.
Hope rieb sich über den Nasenrücken.
„Er hat sich so lange nicht mehr gemeldet ... Und dann seid ihr gestern aufgetaucht und sein Haus war verwüstet, ich dachte ... Ich dachte, es wäre besser so.”
„Okay, danke, Mr Meyer.”, Hope erhob sich. „Dann ... Dann gehen wir jetzt.”
Der Mann stand ebenfalls auf, seine Beine schienen gleich nachzugeben. „Danke, dass Sie mir nichts getan haben.”
Die Frau nickte nur und trat zu ihren Begleitern. Fletcher legte ihr eine Hand auf die Schulter.
„Warten Sie!”, rief Brad Meyer plötzlich.

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Eure Leni 🌞

[Meldet euch bei Rechtschreib- oder Grammatikfehlern, meine Konzentration ist gerade bei Null]

Der Ring des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt