24.| »Vor Grässlichs Atelier«

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Finbars Karre hielt vor einem Laden, der von außen nicht gerade einladend wirkte. Skulduggery war schon ausgestiegen, Teresa hingegen schnallte sich gerade erst ab und ergriff den Koffer.
„Tschüss, Finbar.", sie klopfte ihm auf die Schulter, ehe sie den Wagen verließ.
„Byechen, Hope."
Sie machte die Tür zu und er fuhr einige Meter, wendete dann und ließ den Wagen in die Richtung rollen, aus der sie gekommen waren.
Teresa wandte sich Skulduggery zu. „Wie spät haben wir es?", hakte sie nach. Ihr Handy hatte sie ausgeschaltet und ihre Uhr arbeitete seit Tagen nicht mehr. Beides lag in den Tiefen ihres Seesacks. Mist! Der Seesack! Sie hatte ihn in Finbars Auto gelassen.
„Fünfzehn Uhr ungefähr ... Stimmt etwas nicht?"
Sie sah die Straße entlang. Der Wagen war schon nicht mehr zu sehen. „Mein Seesack. Ich hab ihn im Auto gelassen."
Er klopfte ihr auf die Schulter. „War nur ein Seesack mit Klamotten."
„Und mit dem Bild von mir und meiner Mutter.", sie seufzte.
Skulduggery schwieg und verstaute seine Taschenuhr wieder. Als er das Bild in seiner inneren Tasche sah, dachte er kurz darüber nach, es ihr zu geben, aber ließ es dann doch da, wo es war.
„Den Laden, den du da drüben siehst,", fing er an, „gehört einem meiner Freunde. Sein Name ist Grässlich Schneider. Bitte erschrick dich nicht vor seinem Anblick, er ist mit einem Fluch belegt."
Teresa beobachtete den Laden. „Was für einer?"
„Sein ganzer Körper ist mit Narben übersät, manche Leute reagieren darauf ... etwas anders.", er knöpfte sein Jackett zu.
„Ist er nett?"
„Ja."
„Dann sehe ich keinen Grund ihn anders zu behandeln."
Skulduggery legte den Kopf schräg und setzte sich in Bewegung, sie folgte. Gemeinsam überquerten sie die Straße und gingen über den schmalen Bordstein. Seine schlacksige Hand legte sich auf den Knauf, aber die Tür ließ sich nicht öffnen. „Das überrascht mich jetzt.", murmelte er, „Obwohl, nein, tut es doch nicht."
Sie schwieg, stand einfach daneben.
Das Skelett nahm die Hand wieder vom Knauf und sah durchs Schaufenster, sah aber nicht viel, da ein Vorhang zugezogen war.
Natürlich! Da er nicht da war, hatte Grässlich sicher Walküre Unterstützung angeboten und ihr geholfen. Mit ihrer Zustimmung oder ohne diese, wie auch immer.
„Ich rufe ihn an.", meinte er dann und zog das Gerät hervor, wollte es anmachen, aber es regte sich nichts. „Na toll, dann müssen wir nach Roarhaven."
„Und wenn wir einfach auf ihn warten?", warf sie ein.
„Ich denke nicht, dass er herkommen wird."
Sie besah das Schaufenster kurz und dann blickte sie wieder zu dem toten Mann. „Und wenn doch?"
Er seufzte und lehnte sich gegen das Glas. „Wir warten eine halbe Stunde, wenn er nicht auftaucht, fahren wir nach Roarhaven."
„Okay. Meinst du der Koffer hält mich aus?"
Er legte den Kopf schräg. „Was?"
„Ich will mich setzen. Meinst du der Koffer hält das aus?"
„Ich finde, er ist sehr robust und du scheinst mir nicht all zu schwer sein."
Sie lächelte leicht „Gut." und legte den Koffer auf die oberste Stufe an der Tür, setzte sich.
Eine kurze Stille entstand. Skulduggery regte sich kein bisschen, Teresa hingegen schaute sich die ganze Zeit um.
Roarhaven", kam es dann von ihr, „Was ist das?"
„Eine Stadt in der Zauberer leben. In der das irische Sanktuarium steht.", erklärte er ihr und vergrub seine Hände in den Hosentaschen.
Sie nickte und legten ihren Kopf auf ihren Handteller, ihr stützte Ellenbogen auf dem Knie.
„Du hast dir während der Fahrt eines der Bücher angesehen, oder?"
„Ja. Da waren ziemlich komische Gestalten drinnen."
Sein Blick lag irgendwo in der Ferne. „Faszinierend, nicht wahr?"
„Oh ja. Das Buch fing mit einem Krieger - Kann man ihn so nennen? - namens Mevolent an, aber irgendwann wurde es mir zu abgedreht. Ich habe bei solchen komischen Dingern aufgehört ... Wie heißen die nochmal? Diese schwarzen Dinger, die in einen fahren?", sie sah ihn an.
„Restanten."
„Restanten.", echote sie, „Ja, das waren die."
Wieder diese Stille, dann stellte sie eine Frage, die ihr plötzlich auf der Zunge brannte. „Weiß man, wer Lord Vile war?"
Skulduggery regte sich kurz nicht, dann sah er sie durch die falschen Augen an.
„Also, ich meine ... weil er ja eine Rüstung trug. Hat man ihn jemals ohne gesehen?"
„Er hat sie immer getragen, immer."
„Achso.", ihr entging der scharfe Unterton in seiner Stimme nicht. Sollte sie lieber die Klappe halten? Nervte sie ihn? „Tut mir leid, wenn ich dich nerve ... Es hat mich nur interessiert.", sprudelte es aus ihr heraus.
Shit.
Er legte den Kopf wieder schräg, dieses Mal auf die andere Seite.
Sie ignoriere das Brennen in ihren Wangen und wandte den Blick ab.
„Du bist neugierig, das ist normal ... Bloß die Leute - Leute wie Mevolent und Lord Vile - sind böse Menschen, gegen die ich und andere früher, vor einer wirklich langen Zeit, gekämpft haben."
Sie nickte. „Und ihr habt sie besiegt?"
„Das haben wir. Aber wir sind nicht die Helden ..."
Sie fixierte einen Stein. „Im Krieg gibt es nie Helden. Die, die zwar gewinnen, werden sich danach trotzdem nicht besser fühlen. Sie müssen an all das denken, was passiert ist und an das, was sie getan haben. Richtig?"
„Das ist sehr richtig, Hope."
Plötzlich spürte sie eine tiefe Traurigkeit in sich. Sie war so froh, dass ihre Mutter nicht Teil dieses Krieg gewesen war ... Oder war sie es doch? Nein, ausgeschlossen. Sie war nicht so alt wie Skulduggery oder andere Zauberer. Immerhin alterte sie genauso wie ihr Mann - wie Teresas Vater.
„Denk darüber nicht weiter nach, Hope, es macht einen nur traurig und das bist du gerade.", er war dichter gekommen und und legte ihr eine Hand auf ihre Schulter.
„Okay.", damit war das Thema gegessen, jedoch hatte sie in sich immer noch dieses Gefühl.
Die Hand rührte sich nicht von ihrer Schulter, sein Daumen strich auf und ab.
Inzwischen saß Skulduggery links von ihr auf einer Stufe. Er holte wieder seine Taschenuhr heraus und besah das Zahlenblatt, dann hielt er sie hoch, damit Teresa rauf sehen konnte.
„Sieht wohl so aus als müssten wir nach Roarhaven."
„Mh-hm.", Teresa nickte und erhob sich, nahm den Koffer. „Und wie?"
Er sah sich um, während er sich aufrichtete. „Warte kurz hier." Das Skelett mit menschlicher Fassade quetschte sich durch eine Gosse hindurch und stand kurz darauf in dem kleinen Gärtchen hinter dem Atelier. Er ging auf die Garage zu, stieß die Tür auf und erblickte dann den weißen Wagen. Nicht sein Geschmack, aber so lange er sie nach Roarhaven bringen konnte, beschwerte er sich nicht.
Skulduggery ging die Regale ab, bis er den Ersatzschlüssel fand und ihn an sich nahm.
Teresa stand unverändert am Bordstein, als er vorfuhr und ihr mit einem Kopfnicken signalisierte, dass sie einsteigen sollte.

Der Ring des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt