34.| »Severin«

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Hope stand unter der Dusche und ließ sich das Öl aus den Haaren spülen.
Sie schwieg.
Tanith hingegen saß auf der Mamorplatte, in der vier Waschbecken eingelassen waren. Die grüne Jacke Hopes lag in einem der Waschbecken. Der Schutzstoff war nass, denn sie hatte sie für Hope ausgewaschen.
Neben Tanith lag der schwarze Schädel.
Sie konnte sich die Frage nicht verkneifen. „Hattest du mal einen Körper?"
„Uhm. Keine Ahnung, das hab ich vergessen."
„Wie - Du hast das vergessen? Sowas vergisst man doch nicht."
Er gab ein komisches Geräusch von sich. „Doch! Ich bin ganz schön vergesslich, liegt wahrscheinlich an meinem Alter. Das kannst du mir glauben."
„Und wie sollst du Hope dann etwas nützen, wenn du so vergesslich bist?"
„Gute Frage. Vielleicht fällt es mir wieder ein, wenn du mich auf Augenhöhe hebst."
Tanith packte ihn und hielt ihn hoch, damit er ihr direkt ins Gesicht sehen konnte. „Und?"
„Ne. Schüttel' mich mal."
Sie schüttelte ihn, merkte dabei nicht, wie Hope nach einem Handtuch griff und sich einwickelte.
„Immer noch nicht. Wirf mich mal hoch, aber ...", bevor er weitersprechen konnte, flog er bis kurz unter die Decke und landete wieder in ihren Händen.
„Und?"
„Immer noch nichts."
Tanith seufzte und hob den Blick.
Hope verschwand gerade hinter einer Ecke um sich umzuziehen. „Wie sollst du ihr denn etwas nutzen, wenn du alles vergisst?", flüsterte sie nochmals.
„Weiß nicht, aber Mikey hat mir was auf den Kopf geritzt."
Kurz stierte sie ihn an. „Das sagst du mir jetzt erst!?"
„Sooorryyyy."
Sie drehte den Schädel und erblickte drei Sigillen, die sie in ihren ganzen zweiundneungzig Lebensjahren noch nie gesehen hatte. Mist. „Weißt du, wie man sie benutzt? Die Sigillen?"
„Nö, hab ich auch vergessen."
Tanith ließ den Kopf hängen und legte dann den Schädel weg. Die einzige, die ihr genau sagen konnte, was das für Sigillen waren, war China. Vielleicht sollte sie vorher doch Skulduggery anrufen und fragen, ob sie China miteinbeziehen.
Hope kam wieder, die Hände vor ihrem Oberkörper verschränkt. Sie zerrte den Pullover unter Severin weg und zog ihn über die noch feuchten Haare, strich sich diese danach aus dem Nacken.
„Können wir zu Grässlich?", fragte sie.

*

Zusammen betraten sie das Krankenzimmer.
Grässlich Schneider lag in einem breiten Bett, zugedeckt mit einem weißen Laken. Ein Schlauch führte von einem Arm hin zu einem Tropf und sein Kopf war in Binden eingewickelt.
Er hatte die Augen geschlossen. Anscheind schlief er.
Hope fühlte sich schlecht. Skulduggery hatte ihm aufgetragen, mit ihr dorthin zu fahren ...
Während sie mit Severin in den Händen am Fußende stehen blieb, ging Tanith weiter auf ihn zu. Sie setzte sich auf die Bettkannte und legte eine Hand auf seine Brust, klopfte leicht.
„Lassen Sie mich schlafen, Doktor Synecdoche."
„Ich sollte mich beleidigt fühlen, dass du mich mit ihr verwechselst."
Grässlich öffnete die Augen und begann zu grinsen.
„Wie fühlst du dich?"
„Ganz okay.", er legte seine Hand auf ihre.
„Dann bin ich ja beruhigt."
Die beiden sahen sich einen Moment lang stumm an, dann wandte Grässlich seinen Blick zu Hope, aber ließ dabei nicht die Hand von Tanith los.
„Moment mal?", seine Wangen zogen sich kaum merklich hoch, was ihr signalisierte, dass sich seine Stirn hinter dem Verband leicht runzelte. „Habe ich Halluzinationen?" Er hob Taniths Hand hoch „Dann müsstet ihr ja auch welche sein, aber ich ..." und ließ sie los, damit sie mit seinem Brustkorb kollidierte. „... spüre ja die Berührung. Mh, also entweder Vertrag ich die Schmerzmittel ganz und gar nicht oder Hope hat wirklich einen Schädel in den Händen."
Taniths Finger kraulten kurz die Brust. „Du verträgst die Mittel."
„Mh, okay ... Was ist das denn für ein Schädel?"
Hopes Stimme war ungewollt leise, als er sie wieder ansah. „Ich hab ihn in Mikes Keller gefunden. Er nennt sich Severin."
„Wow."
„Er hat mir rausgeholfen, als jemand im Haus war."
„Wow.", wiederholte Grässlich. „Und was kann er?"
Hope sah zum Schädel. „Sprechen. Er kann sprechen ... Er ist einer von Mikes Hinweisen, glaube ich zumindestens."
Grässlich wollte sich aufsetzen, spürte aber wie sein Kopf abermals schmerzhaft pochte und ließ es sein. Kurz schloss er die Augen. „Und was weiß er."
„Er hat's vergessen.", Tanith seufzte, „Aber auf seinem Hinterkopf sind Sigillen eingeritzt. Ich hab keine Ahnung wofür die sind ..."
„... Und du willst nicht zu China.", beendete er ihren Satz. „Gut, gib mir den Schädel, Hope." Seine Augen öffneten sich wieder und er streckte ihr die Hände entgegen.
Hope ging zu ihm und übergab Severin.
„Heyey.", sagte er mit klappernden Kiefern gedehnt.
„Ich werde dich nicht küssen, Flirtbirne."
„Wie kommst du denn darauf?", kicherte er, „Aber wirklich nicht?"
Grässlich verzog das Gesicht. „Nein, das ist als würde ich meinen besten Freund küssen."
„Och. Mich hat schon lange keiner mehr geküsst."
„Halt die Klappe."
„Ich schmolle, nur damit du es weißt."
Grässlich drehte ihn um und besah den Hinterkopf. Drei Sigillen waren zu erkennen. Sie überschnitten sich und in jeder war ein anderes Symbol. In der linken war ein Kreuz, in der Rechten eine Rose und in der, die unter den beiden war, waren vier Kreise.
„Mhhhh.", machte er.
Tanith seufzte nochmal. „Du weißt es auch nicht, oder?"
„Ruf Skulduggery an."
Die Blondine zog ihr Handy hervor und wählte die Nummer.
Es klingelte kurz, dann wurde abgenommen.
„Hallo?" - so samtweich wie immer.
„Skulduggery, ich bin's. Wir brauchen kurz deine Hilfe.", meinte sie.
Im Hintergrund war Lärm zu vernehmen und eine fremde Stimme gab Befehle.
Der Lärm wurde leiser. „Wobei?"
„Hope hat etwas gefunden, auf dem Sigillen eingeritzt sind."
„Ein Indiz?"
„Nenn' es, wie du willst ... Wir wissen nichts mit ihnen anzufangen, wenn du es auch nicht weißt, dann müssen wir ... wohl oder übel - nebenbei gesagt, für mir wäre es übel - zu China."
„Nein.", meinte er und der Lärm wurde wieder lauter, „Wo seid ihr?"
„Auf der Krankenstation. Zimmer Zehn."
Ein kurzes Schweigen, dann „Warte einen Moment."
Skulduggery legte auf und Tanith steckte ihr Handy weg.
Keine Sekunde später stand er mit Cho im Krankenzimmer. Chos Klamotten waren von Staub bedeckt, seine hingegen noch sauber.
Skulduggery legte den Kopf schief, als er Grässlich im Bett liegen sah. „Was ist denn mit dir passiert?"
Severin kreischte kurz. „Ein Skelett! Jemand meinesgleichen!"
„Klappe! Du bist nicht meinesgleichen.", er konzentrierte sich wieder auf den Verletzten.
„Unwichtig."
Skulduggery nickte, sah zu Hope und machte eine Handbewegung.
Ihr braunes Haar wurde augenblicklich trocken und lockte sich über ihre Schultern hinweg.
„Wow.", murmelte sie.
Dann ließ er die Luft sich kräuseln und holte den Schädel in seine Hände.
„Hi.", grüßte Severin.
Skulduggery drehte ihn stumm um und besah, genauso wie Grässlich zuvor, die Sigillen. Er wandte sich zu Cho. „Teleportieren Sie wieder zur Höhle und holen sie mich in einer viertel Stunde ab."
Der Teleporter nickte und verschwand.
Skulduggery ging auf den kleinen Tisch an der Wand zu und stellte den Schädel ab. Dann zog er das Holz fast bis zur Mitte des Raumes und holte einen Stuhl heran. „Hope, setz dich bitte.", bat er.
Sie zögerte, aber tat es.
Er beugte sich über ihre Schulter hinweg nach vorne und nahm ihre Hand, knickte alle Finger, bis auf den Zeigefinger, ein. „Fahr von links oben über die Rose hinweg und dann runter zu den Kreisen, dann umrundest du alle Sigillen."
„Tut das weh?", hakte sie nach.
„Nein."
Erst tat Hope nichts, aber dann machte sie es und die Sigillen füllten sich mit blauem Licht. Plötzlich begann der ganze Schädel zu leuchten.
„Mach weiter.", befahl er und sie widersetzte sich nicht.
Der Schädel leuchtete noch heller und dann erschien plötzlich das Ebenbild von Mike Franks an der Wand. Es flackerte, wurde aber mit jeder Sekunde schärfer.
„Du kannst aufhören.", murmelte Skulduggery.
Sie tat es und das Bild begann sich zu bewegen. Es sah sich um und blickte Hope dann direkt an.
„Hallo, Kind."
Sie zuckte zusammen, als sie seine Stimme hörte.
„Ich wusste, dass du dich für diese Welt entscheidest ... auch, wenn sie, na ja, nicht normal ist.", sprach er weiter.
Hope presste ihre Zähne auf ihre Unterlippe und atmete durch die Nase tief ein und aus.
„Ich schätze, du wirst es dir zusammen mit Skulduggery ansehen, aber es ist besser so, glaube ich ... Hallo Skul."
Es war nur eine Aufnahme, nicht so etwas wie der Echostein ihrer Mutter.
In ihrem Hals bildete sich ein Kloß, sie musste sich räuspern.
Das Bild begann zu flackern. Sie sahen wie es die Lippen weiterhin bewegte, jedoch drang kein Ton an ihre Ohren.
Hope fuhr nochmal über die Sigillen, aber nichts veränderte sich.
Es lief einfach weiter so ab.
Das Bild verschwand für quälend lange Sekunden und tauchte wieder auf. Flackerte wie eines der Flimmergirls, gegen die Skulduggery und Walküre mal gekämpft hatten.
„Ihr müsst sie aufhalten, ansonsten gibt es eine Katastrophe!", hörten sie ihn verzerrt sagen.
Er verschwand.
Die Sigillen drückten sich plötzlich aus dem Knochen hervor und stiegen in die Luft. Skulduggery wollte nach ihnen greifen, glitt aber durch sie hindurch. „Verflucht!"
Sie verpufften und Tränen liefen über Hopes Gesicht. Stumme Tränen, die ihr kein Schluchzen abverlangten.
Severin meldete sich zu Wort, „Das war krass!" doch niemand erwiderte etwas.
Skulduggery begann auf und ab zu gehen.
„Leuttttee"
Skulduggery schritt um den Tisch herum und legte die Hände auf die Knie, kam auf Augenhöhe. „Du musst dich doch an irgendetwas erinnern, irgendetwas was er dir erzählt hat. Irgendetwas!"
„Ähm."
„Streng dich an!"
„Ich glaub ... Ich glaube, Mike hat mal irgendso einen Reifen erwähnt."
Skulduggery legte den Kopf schief. „Einen Reifen?"
„Ich würde jetzt nicken. Irgendso ein großes Ding. Groß im Sinne von wichtig oder so."
„Was ... Was weißt du noch?", fragte Hope brüchig.
Leere Augenhöhlen unter einem Hut sahen zu ihr rüber.
Severin schwieg kurz, dann: „Ich glaub, er hat sich irgendwo was dazu aufgeschrieben oder so."
„Wo?", sie wusch die Tränen nicht weg.
„In einem Lager oder so, da hat er immer gearbeitet. Also an einem Schreibtisch oder so."
„Du meinst einen Lagerraum?"
„Ja!"
Skulduggery seufzte und richtete sich wieder auf. Er strich seinen Anzug glatt, obwohl es nicht nötig war. „Okay. Ich werde zurück nach Romänien gehen und ihr ruht euch für heute aus. Vorher trage ich jemanden auf, dass er bis morgen herausfinden soll, wo der Lagerraum ist."
Hope nickte stumm. Tanith auch.
„Habt ihr eine Höhle gefunden?", fragte Grässlich nun.
Skulduggery nickte schon wieder. „Morgen werden wir sie verlegen können. Wenn nichts dazwischen kommt."
„Für gewöhnlich ..."
Er hob die Hand und unterbrach Tanith. „Pscht. Ich will es nicht hören, ja?" Er wandte sich an Hope. „Hast du den Koffer?"
„Er ist im Atelier."
„Gut. Dort liegt er gut. Lass ihn dort.", er nuschelte schon fast.
Sie erwiderte nichts darauf.
Er musterte sie und deutete dann auf den Kragen ihres Pullovers. „Ist das festgetrocknetes Öl?"
„Ja.", warf Severin ein.
„Woher?"
„Jemand war im Haus, als Tanith Grässlich hier her brachte und ich ..."
„Ihr habt sie alleine dort gelassen!?", grollte seine sonst so samtige Stimme.
„Ich wollte es so.", sagte Hope rasch, „Also, eh. Ich bin beim Aufstehen gegen das Regal gekommen und hab einen Eimer auf den Kopf bekommen. Severin hat mich da raus gebracht und dann sind wir wenig später wieder auf Tanith gestoßen."
„Dann ist ja gut.", murmelte Skulduggery leise.

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Ja, hallo, was soll ich sagen?
Keine Ahnung. Hinterlasst Vites und Feedback, ich freu mich drüber.
Joar bin irgendwie nicht zufrieden mit dem Kapitel, but yeah
Bye, eure leni

Der Ring des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt