19.| »Was?«

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Sie hatte bemerkt, dass ihr jemand gefolgt war und nun wusste sie auch wer.
Sie sah ihn an.
Dort stand er, hinter einem Baum und blickte kurz ertappt weg. Er seufzte und trat vor den Stamm.
Sie sah nochmal zu den Grabsteinen von Shannon und Kelly Gibbs und ging dann zwischen ihnen hindurch, steuerte den Taxifahrer an. Aber mittlerweile bezweifelte es. War er wirklich ein Taxifahrer? Hieß er wirklich Mr Pleasant?
Vor ihm machte sie Halt, eineinhalb Meter trennten sie voneinander.
„Sie verfolgen mich - Wieso?”, Teresa sah sich um und umfasste mit der linken Hand die Rechte.
„Sie ... Sie haben noch meinen Schal.”
Sie schüttelte den Kopf. „Wenn es wirklich um den Schal gegangen wäre, hätten Sie sich nicht hinter dem Baum versteckt.”, ihre Arme verschränkten sich vor ihrem Brustkorb.
„Ich wollte Sie nicht stören, während Sie hier sind.”, erklärte er.
„Sie wissen schon, dass ich mal Polizistin war oder? Ich könnte Sie aufs Kreuz legen.”
„Bezweifle ich.”, murmelte er und wollte weiterreden, aber sie unterbrach ihn. „Wie bitte? Nur weil ich eine Frau bin?”
„Nein, nein. Ich ... Nein, natürlich könnten Sie mich aufs Kreuz legen.”
„Ach und warum sagten sie gerade, dass sie es bezweifeln würden?”, sie beobachtete sein Gesicht, doch es war keine verräterische Regung zu sehen.
„Teresa, ich ...”
„Woher zur Hölle kennen Sie meinen Namen?!”, schnallte ihre Stimme dazwischen.
„Mist.”, grummelte er.
Nun hatte er sich verraten und konnte es nicht mehr rückgängig machen. Er konnte schon, aber er wollte ihr Gedächtnis nicht manipulieren.
Sie starrte ihn an. „Wer sind Sie?”
Pleasant wusste, dass sie kurz davor war zu flüchten.
„Skulduggery Pleasant.”, er hielt ihr die behandschuhte Hand hin.
Sie löste den Blick sah zu seiner Hand und dann wieder hoch. Und dann kam es, sie drehte sich um und lief. Dabei riss sie sich den Schal vom Hals und schmiss ihn weg.
Er warf den Kopf in den Nacken und folgte ihr.
Sie lief quer über den leeren Friedhof hinweg und dann über eine Straße. Teresa blickte nicht zurück, sie wollte hier einfach weg. Sie hatte keine Ahnung, wer dieser Mann war, aber er anscheinend wusste, wer sie war.
Sie bog ab und kam in eine Nebenstraße, sie nahm eine Gosse und kam wieder auf die Hauptstraße nicht weit entfernt von Jerry's Flowers. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein Taxi eine Frau stieg gerade aus und bezahlte. Sie ergriff die Chance, legte einen Zahn zu und riss die Tür auf, stieg ein.
Der Taxifahrer sah sie durch den Rückspiegel an, nachdem er das Geld verstaut hatte, und sie nannte die Adresse.
Das Auto fuhr los und Teresa blickte aus dem Fenster. Der Fremde Mann stand am Bordstein und sah ihr hinterher. Sein Mantel wehte im Wind, der Schal wurde von einer Seite zur anderen geschleudert und der Koffer wurde immer noch von der linken Hand festgehalten.
Als das Taxi sich weiter entfernte lehnte sie sich gegen den Rücksitz und schloss kurz die Augen.
Skulduggery Pleasant, sie wiederholte den Namen immer wieder, doch sie konnte damit nichts in Verbindung bringen.
Rein gar nichts.
Dieser Name war ihr so Fremd, wie einem jungen Hund der erste Schnee.
Das Taxi hielt und sie bezahlte, stieg aus. Im Haus schloss sie die Tür ab und endledigte sich ihrer Jacke. Die Schuhe streifte sie ab, dann ging sie ins Wohnzimmer.
Teresa blieb abrupt stehen, als sie den schwarzen Koffer sah, der auf dem Couchtisch lag. Sie sah sich um, aber das Wohnzimmer war leer.
Wie war er hier her gekommen?
Ihre Zunge fuhr über ihre Oberlippe, dann ging sie auf den Couchtisch zu und beugte sich zu dem Koffer runter. Zögernd legte sie die Daumen auf die kleinen Flächen und die Hebel schoben sich zur Seite, die Schnallen sprangen auf. Sie öffnete ihn und das erste, was sie erblickte war ein Zettel.
Sie nahm ihn in die Hand.

Sieh dir alles an, was im Koffer ist. Wenn du dich bereit fühlst, komm in den Garten. Ich sitze unter dem Baum und warte auf dich.
-Skulduggery

Sie schluckte und sah sich nochmals um, um wirklich sicher zu gehen, dass er nicht hinter ihr lauerte.
Sie legte den Zettel bei Seite und ließ den Blick über den Koffer schweifen: Rechts oben waren zwei Bücher mit Ledereinband, sie waren festbebunden.
Daneben steckte eine porzellanfarbene Hand. Ihre Finger waren so geformt, als warteten sie nur darauf etwas zu halten. Auch sie war festgebunden.
In der Lücke, rechts unten, weilte eine Holzschachtel. Es war ein helles Holz, in welches ein Zeichen eingeritzt war - es war ein Kreis, in dem ein Herz war, darin wieder ein Kreis und dieser Kreis zog sich wie eine Spirale bis zur Mitte hin.
Links oben war ein kleiner Beutel befestigt. Sie zog ihn vorsichtig auf und eine Katusche legte sich frei. Sie klappte sie auf: eine wunderschöne Brosche. Sie kam ihr bekannt vor.
Teresa packte sie wieder ein und zog den Beutel zu. Unter dem Beutel war noch eine Holzbox. Sie war viel größer und hatte in der Mitte eine durchsichtige Platte. Sie erkannte bunte Steine - oder waren es Kristalle? -: Blaue, grüne, rote ...  Zwischen dieser Box und der Hand-Halterung - sie wusste einfach nicht, was es war -, klemmte ein Stück Papier. Sie erwischte es mit Zeigefinger und Daumen und zog es heraus, öffnete es.

*

Mein Liebes Kind.
Wenn du diesen Koffer erhälst, dann heißt dies höchstwahrscheinlich, dass ich tot bin.
Mucksmäuschentot.
Es tut mir leid.
Bitte weine nicht zu viel. Ja?
Der Mann, der dir diesen Koffer überbringen wird, ist ein guter Freund von mir. Bitte vertraue ihm.
Vertraue ihm so, wie du mir vertautest.

Frischling, ich bitte dich, sei aufmerksam beim Lesen und halte es nicht für einen schlechten Scherz.
Wie soll ich anfangen? Soll ich direkt sein? Soll ich dich sanft in das Thema führen?
Teresa, die Welt, so wie du sie kennst ist nur die Hälfte von dem, was ich in meinem Leben erfahren habe.
Es gibt eine zweite.
Die Welt der Magierer und Zauberer.
Sie unterscheidet sich von unserer und trotzdem leben die Menschen mit diesen außergewöhnlichen Kräften direkt unter euch.
Es gibt sie auf der ganzen Welt.
Deine Mutter war auch eine Zauberin. Sie beherrschte die vier Elemente - Luft, Feuer, Wasser, Erde.
Sie war eine kluge Frau, eine sehr kluge Frau. Sie wollte nicht, dass du in diese Welt reinrutscht, denn so schön sie auch sein kann, so gefährlich und mörderisch ist sie.
Nicht jeder besitzt Magie, aber bei dir war ich mir immer sicher. Meine Vermutungen bestätigten sich, an dem Tag, an dem du einen Busch abgebrannt hast. Der Feuerball war einfach aus deiner Hand geflogen.
Das war ein Anblick!
Deine Mutter aber, redete dir diese Kräfte aus und so geriet deine Magie in eine Schublade, die verschlossen wurde und nie wieder geöffnet werden sollte.
Ich entschied mich, nach dem Mord an deiner Mutter, dass ich dir diesen Koffer packen werde - und ich tat es.
Ich weiß, dass, wenn ich sterben werde, es mit irgendetwas großem zusammenhängt und mein Tod nicht vertuschbar dir gegenüber sein wird.
Du würdest mich noch ein letztes Mal sehen wollen.
Du würdest das, was die Leute behaupten würden, nicht glauben.
Niemals würdest du das.
Deswegen war ich mir so sicher, dass ich dir diesen Koffer zukommen lassen werde. Ich möchte, dass du selber entscheidest, ob du in diese Welt kommen willst oder lieber dein Leben weiterführen möchtest und die Magie vergisst.
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Falls du dich dafür entscheidest, den magischen Weg deines Lebens zu wählen, bitte ich dich, dich an Skulduggery Pleasant zu wenden.
(Der Mann, der dir diesen Koffer hier geben wird)
Ich möchte dich vorwahnen:
Er ist ein Skelett.
Ja, wirklich.
Er lebt ein totes Leben und stolziert als Skelett durch die Gegend.

Und noch etwas: Diese Welt kann wirklich gefährlich sein ...
Pass auf dich auf oder sie bringt dich um.

Du warst immer mein lieblings (Zieh)enkel.

Dein Mike.
*

Zitternd sank Sie auf die Knie.
Der Brief war alt, nur die letzten vier Absätze waren neu dazugekommen, vielleicht vor ein oder zwei Wochen.
Sie wusste, dass es alles stimmen musste, denn Mike hatte sie nie angelogen, niemals.
Zu ihr war er immer ehrlich gewesen.
Immer!

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Jetzt geht's erst richtig los 😏
Ich freu mich über Feedback und Sonstiges.
Eure Leni ❤️
(

PS. Sorry, falls bei der Formatierung des Briefes etwas schiefgagngen ist (damit meine ich, dass nicht alles mittig ist), irgendwie könnte ich das nicht mehr richtig ausrichten. Habe es mindestens 10 Minuten versucht...)

Der Ring des DrachensWo Geschichten leben. Entdecke jetzt