Castor:
Gerade bin ich am Überlegen einer neuen Marketingstrategie für eine unserer Bands, die unter meinen Fittichen steht, als Vince, der Inhaber des Tonstudios, in dem ich arbeite, in mein Büro kommt.
"Na wie läuft's?", Fragt er und pflanzt sich auf mein Sofa.
Er ist eigentlich ziemlich cool dafür, dass er doppelt so alt ist wie ich. Aber ich kann das nicht ganz objektiv beurteilen, da ich Vince ziemlich viel schulde.
Er hat mich von einem Straßenmusiker zu einem Musikproduzenten gemacht und mir somit eine Zukunft geschafft.Nach Lucas' Tod war ich ziemlich am Arsch und habe jeden Tag damit gekämpft, nicht in meine Sucht zurück zu fallen.
Ich habe meinen Schulabschluss versemmelt und konnte die mitleidigen Blicke meines Vaters und meiner Freunde nicht mehr ertragen, weshalb ich abgehauen bin.Dass das ohne Geld und Abschluss nicht viel bringt, hab ich dann erst bemerkt, als ich mit meiner Straßenmusik quasi ums Überleben kämpfen musste.
Klar hätte ich auch zurück zu meinem Vater gehen können, doch ich wollte nicht mehr.
Musik hatte schon immer etwas Besonderes an sich und mich damit über Wasser zu halten, hat mir das Gefühl gegeben, ich konnte wenigstens etwas schaffen.
So als hätte ich eine Kleinigkeit in meinem Leben noch im Griff.
Ich hab das einfach gebraucht, aber für immer wollte ich das auch nicht machen.
Nach etwa einem Jahr, in dem ich mich mit meiner Gitarre so durch geschlagen habe, hat Vince mich gefunden.
Er meinte mein Gitarrenspiel sei das eines Virtuosen und behauptete, ich habe ein Talent für Musik.
Mir ist das erst bewusst geworden, als er mich mit in sein Studio genommen und mir verschiedene Dinge gezeigt hat, die mir super leicht gefallen sind. Und jetzt drei Jahre später sitze ich hier und steige immer weiter auf.Das einzige, was mal kurz an meiner Karriereleiter gesägt hat, war Vincents Tochter. Sie war in mich verknallt, aber aus offensichtlichen Gründen konnte ich das nicht erwidern.
Sie hat mich bei ihrem Dad sehr schlecht dastehen lassen, aber als ich ihm erklärt habe, wieso ich damals von zuhause weggelaufen bin, hat er mir geglaubt, dass ich mich nicht an seiner Tochter vergreifen würde, sowie sie es gerne gehabt hätte und behauptet hat."Ich hab 2UF4 unter Vertrag genommen und beginne nächste Woche mit ihren Aufnahmen. BriceRecords hat mal wieder nur unseren Staub gesehen"
Vince ist mit dem Inhaber seines Konkurrenten ziemlich verstritten, weswegen es ihn freut, dass wir -beziehungsweise ich- die ganzen guten Musiker zu uns holen."Da das wird John aber freuen", grinst er.
Doch dann wird er ernster. "Eigentlich meinte ich dein Privatleben. Hast du Freunde gefunden?" Besorgt sieht er mich an. Vince ist echt eine gute Seele, das muss man ihm lassen.
Ich lächele ihn an. "Ich brauche keine Freunde, Vince, ich habe die Arbeit" Demonstrativ hebe ich ein paar Dokumente hoch.Er jedoch erhebt sich von meinem Sofa und nimmt sie mit weg.
"Sei vorsichtig damit", warne ich ihn.
Er sieht es durch. "Wann hast du das alles bearbeitet?", will er wissen.
Verwirrt sehe ich ihn an. "Heute Morgen. Jetzt gib es wieder her, du bringst meine Ordnung durcheinander"
Ich versuche danach zu greifen, aber er zieht es weg. "Andere machen diese Arbeit in einer Woche. Du solltest auch ein anderes Leben haben als das hier, Castor. Du bist viel zu jung, um an deiner Arbeit einzugehen"
"Ich liebe meinen Job", beleidigt sehe ich ihn an.
Andere würden sich über einen Mitarbeiter wie mich freuen.Er aber zieht mich auf die Beine, drückt mir meine Jacke in die Hand und schiebt mich zur Tür. "Du wirst jetzt Feierabend machen und etwas unternehmen", beschließt er.
"Und was soll ich unternehmen?"Nachhause gehen kann ich nicht. Meine Wohnung ist viel zu groß und ich habe Angst alleine, außer ich schlafe. Aber dann bin ich ja nicht alleine, sondern Lucas ist bei mir. Naja ich könnte ein bisschen LSD nehmen und dann Halluzinationen von ihn im Wachzustand bekommen, aber ich hab meine Dosis für diese Woche schon verbraucht und ich teile mir alles genau ein, damit ich nicht wieder abhängig werde.
"Tu irgendetwas, das andere in deinem Alter auch machen. Geh in eine Bar, lerne Freunde kennen, mach Sport, all sowas..."
Vielsagend hebe ich die Augenbrauen und mein Shirt, damit er sich meine Bauchmuskeln ansehen an.
Er verdreht die Augen "Okay, dann halt kein Sport. Mach einfach irgendetwas"Jetzt hat er mich bis vor die Eingangstür geschoben und drückt mich nach draußen.
"Aber Vince-"
Er hebt die Hand und schließt die Glastür von Innen.
Dann macht er eine Handbewegung, die wohl andeuten soll, dass ich mich verpissen soll. Wäre er nicht mein Chef, würde ich ihn jetzt den Mittelfinger vor die Nase halten, aber ich nehme die einfachere Variante und strecke ihn die Zunge raus.
Er lacht, bleibt so lange an der Tür stehen, bis ich gar keine Lust mehr habe, heute noch zu arbeiten.
Aber jetzt mal ernsthaft, andere waren doch froh über einen Mitarbeiter wie mich. Wieso lässt er mich nicht einfach in der Arbeit ertrinken, damit ausgepowert bin für einen tiefen Schlaf?Spontan entscheide ich mich dazu doch Sport zu machen.
So werde ich bestimmt auch richtig müde.
Ich mache mich auf den nicht allzu langen Weg nachhause und ziehe mich um. Kurze Jogginghose und Laufjacke, sowie Sportschuhe.
Obwohl ich laufen gehe, lasse ich meine Kette an. Ich lege sie nur zum Duschen ab, aber das auch nur weil ich nicht will, dass das Silber zu rosten beginnt. Lucas hat mir die Kette an unserem letzten gemeinsamen Abend geschenkt... Wie kann ich sie denn ablegen?Seufzend schnappe ich mit mein Handy und meine Kopfhörer, ehe ich auf die Tür zugehe.
Beim Öffnen der Tür laufe ich an einem aufgehängten Bild von Lucas und mir vorbei muss automatisch lächeln.
Damals hat es mich höllisch genervt, dass er ständig Bilder und Videos gemacht hat, obwohl ich selbst ja daraus ein Fotoalbum machen wollte, aber jetzt bin ich einfach dankbar dafür, dass er so unnötig viele Bilder gemacht hat.
Obwohl ich das Bild jeden Tag sehe, glaube ich, dass Lucas immer schöner wird, aber leider ist das nur Einbildung.
Genauso wie, dass er in meinen LSD-Trips auftaucht oder in meinen Träumen.Ein Teil von mir weiß, dass er tot ist, dass ich, wenn ich träume, nicht mit ihn sondern meinem Unterbewusstsein und meinen Erinnerungen spreche, aber der andere, viel größere, Teil will einfach daran festhalten, dass ich dieses Leben nicht ohne Lucas leben muss.
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Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)
Teen FictionEinen Job, der Spaß macht, eine eigene Wohnung, keine Geldsorgen und komplett zufrieden mit den sozialen Kontakten. So sieht Castors Leben aus. Auf den ersten Blick beneidenswert, wäre da nicht die Sache, die sich hinter der ersten Schicht verdeckt...