58: Liebe

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Castor:

Ich fühle mich nicht mal schlecht.

In mir herrscht nur Vorfreude, während ich auf die Stadt hinunter Blicke, an deren Horizont gerade die Sonne aufgeht.
Es sieht so schön aus, dass ich mir einfach diese Zeit nehmen will.
Aber es erinnert mich auch an Dan und den Sonnenuntergang, den wir uns zusammen angesehen haben. Genau hier an diesem Ort.

Ich kann einfach nicht glauben, dass er mir alles nur vorgelogen hat. Dass ich mich in einen Menschen verliebt habe, der gar nicht existiert. Dass ihm all das nichts bedeutet hat.Ich

Er ist mir immer so ehrlich und aufrichtig vorgekommen.
Ich habe genau gespürt, dass da was zwischen uns war.
Aber vielleicht habe ich es mir auch einfach nur gewünscht.
So oder so, es ist vorbei und ich will, dass alles andere auch vorbei ist.

Ich spüre die Tränen meine Wangen benetzen, als ich mich langsam erhebe, um auf den Abgrund zuzugehen.

Alles, was mich vor ein paar Stunden noch am Leben gehalten hat, drängt mich jetzt einfach zu springen und all den Scheiß hinter mir zu lassen.

Wieder mal abzuhauen würde meine Enttäuschung, meinen Schmerz nicht hier lassen, aber wenn ich tot bin, dann ist all das in einem anderen Leben, einem, aus dem ich endlich befreit bin.

Wenn ich ehrlich bin, hat das Leben mir noch nie gut getan.
Als Kind war noch alles gut, aber da hatte ich auch Lucas, dann bin ich zum Junkie geworden, dann war ich depressiv und sexsüchtig, dann war ich mit Lucas zusammen, aber umso tiefer war der Absturz nach seinem Tod, aber die Zeit mit Dan... Es schien so, als habe er mich für alles entschädigt... Aber jetzt ist es schlimmer als je zu vor und ich will einfach nicht mehr.
Ich bin nicht so taff, wie ich immer tue und ja, vielleicht gehe ich den einfachen Weg, aber es ist auf jeden Fall der, der weniger wehtut.

Ich habe schon genug ertragen müssen. Es reicht mir. Ich hab genug von alle dem.

Ein letztes Mal atme ich tief und hörbar durch, ehe ich die Augen schließe und einen Schritt nach vorne mache, wodurch mein Fuß in der Luft schwebt.
Kurz danach löse ich den andern Fuß vom Boden, um ihn nach vorne zu setzen.

Aber statt zu fallen passiert etwas anders.
Ich spüre Arme um meinen Körper und werde zurück geworfen, rolle über den harten Boden, während mich jemand an sich presst.

Und sofort rieche ich, dass es Dan ist.

Er kommt auf mir zu liegen und sieht mich an, als könne er nicht glauben, dass diese Situation grade echt stattfindet.
Aber ihn anzusehen, seinen Duft einzuatmen, seine Berührungen zu spüren, macht alles nur noch schlimmer. Ich will hier weg. Bitte.

„Sag mal spinnst du?!", schreit er mich plötzlich an, obwohl sein Kopf nur knapp einen halben Meter über meinem ist.
Ich zucke zusammen.

Gerade war noch alles friedlich und schön, doch jetzt ist Dan hier und zerstört sogar den Moment meiner Flucht aus dem Leben.

Ich wollte es ruhig und friedlich und das hat er jetzt super kaputt gemacht. Sowie mich auch. So ein Arschloch.
Und trotzdem kann ich nicht wütend sein. Er hat mich da weggezogen das heißt ich bin ich nicht egal oder? Ich hasse diese Hoffnung einfach. Sie ist so ungewiss und am Ende enttäuscht sie nur.

Ich bin so erleichtert, als Dan von mir weggezogen wird und jemand mich auf die Beine stellt.
Weil ich nur Dan anstarre, erkenne diesen Jemanden erst, als er mich an sich drückt und mir dann zuredet. „Wie kannst du mir das antun, Baby? Mach mir doch keine solche Angst" Cody klingt echt verzweifelt.

Ich weiß nicht, wie es mir gehen würde, wenn er das vorhätte, was ich gerade vorhabe.
Denn ja, ich will es noch immer.
Aber vorerst will ich einfach nur spüren, wie Cody mich umarmt, weil es sich so anfühlt, als würde er mich vor allem Bösen beschützen könne.

Vor allem, nur nicht vor Dan.

„Cas, lass es mich bitte erklären", höre ich seine Stimme, doch drehe den Kopf von ihm weg.
Aber Cody schiebt mich leicht von sich. „Ich denke, du solltest ihm zuhören"

Überrascht sehe ich ihn an. „Ich dachte, du kannst ihn nicht leiden"
Cody schmunzelt. „Das war bevor er mir alles erklärt und dich filmreif von diesem Abhang weggezerrt hat" Vorsichtig lächelt er mich an.
Aber ich kann s nicht erwidern.

Obwohl ich viel Übung im falschen Lächeln habe, bin ich nun einfach zu kraftlos dazu.

Ich löse mich ganz von Cody, um ein paar Schritte von ihm wegzugehen, aber diese bringen mich näher zu Dan.
Hier will ich aber auch nicht seine, also geh ich nach vorne.

„Cas, bleib stehen", fordert Dan.
Ich tue es nicht, laufe weiter, bis ich nicht mehr kann, weil er von hinten die Arme um mich schlingt und mich festhält. Ich

„Lass mich los!", fordere ich wütend. Aber naja, der Nachdruck fehlt.
„Das werde ich ganz sicher nicht! "

Ihn so nah hinter mir zu wissen, bringt mich beinahe um.
Und es ist mit Sicherheit ein schmerzhafterer Tod als einfach von einer Klippe zu springen.

„Lass es mich erklären, Cas. Egal, wer dir was erzählt hat, ich werde dir die Wahrheit sagen, okay?"
Ich lache höhnisch auf. „Bisher dachte ich auch, alles was du gesagt hättest sei die Wahrheit. Ich habe dir jeden Scheiß abgekauft, und du hast dein Ziel erreicht, ich hätte alles für dich getan. Aber dein Vater hat mein Leben doch schon zerstört. Was will du denn noch von mir?" Ich klinge verzweifelt. Ich will einfach nur weg hier. Es soll aufhören sich so gut anzufühlen, dass er mich berührt.

„Ich wollte nie dasselbe wie mein Vater." Er klingt so ehrlich, aber das hat er immer... „Okay, am Anfang vielleicht schon, aber ziemlich schnell, war es mir egal, dass du nur mein Auftrag warst. Ich habe festgestellt, dass du es nicht verdient hast, dass man dir in den Rücken fällt, ich wollte dir nie wehtun. Ich hab versucht, dich vor ihm zu beschützen, ich habe meinem Vater gar nichts erzählt, aber seine Privatdetektive haben das alles rausgefunden, ich habe dicht gehalten, ich verspreche es."

Ich schüttele den Kopf. „Ich kann dir nicht glauben", beharre ich.

Woher will ich wissen, dass er nicht wieder lügt?

Ich spüre, wie er den Griff um einen Arme locker lässt und mich dann zum Abgrund schiebt.
Was soll das denn jetzt werden?

Er stellt sich neben mich. „Gut, wenn du mir nicht glaubst, dann springt doch. Niemand hält dich davon ab."
Er macht eine bedeutungsvolle Pause, in der ich versuche herauszufinden, was dann den jetzt zu bedeuten hat. „Aber wenn du springt, dann muss ich hinterherspringen. Und das nicht, weil ich mich schuldig fühlen würde, sondern weil es das Einzige wäre, das noch einen Sinn hätte. Mein Leben lang hab ich nach einem Grund gesucht, warum es mich überhaupt gibt, wenn alles an mir doch nur falsch ist und von anderen verabscheut wird. Ich weiß, dass ich kein guter Mensch bin, ich behaupte auch gar nichts anderes, aber auch schlechte Menschen können Gutes empfinden. Liebe zum Beispiel. Ich liebe dich, Cas und wenn du nicht mehr lebst, gibt es keinen Grund für mich, es weiterhin zu tun."

Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt