19: Sahnetorte

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Daniel:

Schon als ich über die laute Musik ein Glas habe zersplittern hören, habe ich mich von Mick gelöst und dorthin gesehen, sowie alle andern auch.
Dass so ein Typ Cas so grob angefasst hat, hat mich enorm wütend gemacht. Ich war kurz vorm Austicken und wollte dahin, aber dann hat Cas das Ganze schon ziemlich brutal geregelt und mich staunend zurückgelassen.
Ich hätte nicht gedacht, dass er ein Typ für Gewalt wäre.

Erst als ich mich aus meiner Starre lösen kann, weil er aus der Bar stürmt, gehe ich zu dem Typen, der in die Scherben gestürzt ist und reiße ihn rücksichtslos auf die Beine.
Aus schmerzerfülltem Gesicht sieht er mich an, doch mir ist das so ziemlich egal. „Fass ihn noch einmal an und es war das letzte Mal, das du überhaupt etwas gemacht hast", knurre ich ihm zu, ehe ich ihn wieder fallen lasse und ebenfalls aus der Bar gehe.

Ich habe keine Ahnung, wo Cas sein könnte, aber irgendetwas bringt mich dazu, in den Park zu gehen.
Es ist einfach ein Gefühl und es bestätigt sich, denn ich erkenne eine Gestalt auf einer Parkbank sitzen.

Cas hat die Beine angezogen und den Kopf in den armen vergraben, die er auf den Knien abgelegt hat.
Es sieht so aus, als wolle er sich in seinen eigenen Schutzkokon zurückziehen.
Die Situation eben hat zwar bewiesen, dass er gut auf sich selbst aufpassen kann, doch mir wäre es lieber gewesen, das wäre nie nötig gewesen.

Wortlos setze ich mich neben ihn und ziehe ihn in meine Arme.
Er gibt die abwehrende Körperhaltung auf und drückt das Gesicht in meine Halsbeuge.
Ich spüre, dass es feucht ist.

Ich drücke ihn so fest an mich, dass ich Angst habe, er könnte zerbrechen, aber eigentlich weiß ich, dass er schon lange zerbrochen ist, egal wie unzerstörbar er sich gibt.

Er verlagert sich auf meinen Schoß, legt den Kopf auf meiner Schulter ab, krallt die Finger um meinen Nacken.
Ich halte ihn fest.

„Willst du mal was wissen, das du mir vielleicht jetzt nicht glauben wirst?"
Er schnieft einmal und nickt dann, ohne sich von mir zu lösen.

„Selbst nach der dunkelsten Nacht, geht die Sonne wieder auf. Wir müssen es nur bis dahin durchhalten"
„Wir?", fragt er mit belegter Stimme.
Ich nicke und lege meinen Kopf auf seinen Locken ab. „Klar wir. Mick ist ein schlechter Küsser"

Deshalb muss Cas tatsächlich leicht lachen und kuschelt sich weiter an mich.
Ich weiß nicht, woher dieser Drang kommt, aber ich will ihn einfach unbedingt beschützen. Schon komisch, wenn man bedenkt, dass ich ihn vor ein paar Wochen noch für einen Psycho gehalten habe.

„Hat der Abend dir was gebracht?", murmelt Cas leise.
„Hoffentlich keinen Lippenherpes", gebe ich zurück, weshalb sein Köper vom Lachen bebt und er den Kopf hebt, um mich zusehen.
Oh mano. Er sieht so fertig und verweint aus.
Trotzdem lächelt er mich an, streicht mit dem Daumen über meine Unterlippe.
„Ich glaube, da ist alles gut"

Seine Augen treffen auf meine.
Heute Abend habe ich ziemlich viele Leute geküsst, aber weder bei den Mädchen noch bei dem Mann wollte ich das so wirklich. Nichts von beidem hat sich richtig angefühlt. Aber jetzt geht es nicht um mich, sondern um Cas.

„Wer war der Typ vorhin?", frage ich ihn, weshalb sein Lächeln vergeht, aber ich muss das wissen.
Er verdreht die Augen. „Das war Conner. Er versucht es schon seit Jahren bei mir, aber seine billigen Anmachen ekeln mich einfach nur an." Er lacht sarkastisch. „Er denkt, ich lass mich einmal von ihm ficken und dann wars dann, aber sowas will ich nicht mehr. Doch er versteht das einfach nicht."
Ich nicke verstehend. „Das war aber ziemlich heiß, wie du ihm in den Arsch getreten hast", meine ich.
Et lächelt leicht und zuckt mit den Schultern. „Als hübscher schwuler Junge muss man sich in einer Welt wie dieser verteidigen können. Immerhin bekommen nur Prinzessinnen einen Ritter in edler Rüstung"
Da hat er leider recht. Scheiß Disney...

„Sag mal Cas?" Eine Frage schleicht sich in mein Hirn, aber ich traue mich nicht wirklich, sie zu stellen.
„Was?" Misstrauisch erwidert er meinen unsicheren Blick.
„Das was du vorhin gesagt hast. Heißt das, du bist... Äh ich meine... also beim Sex, bis du da..." Nein, ich bekomme es einfach nicht raus.

Ihn bringt das zum Lachen. „Ja, ich bin bottom. Deshalb bin ich so begehrt, weißt du. In der schwulen Welt bin ich wie das beste Stück Sahnetorte, das jeder haben und vernaschen will, aber ich möchte in den Kühlschrank gestellt und behütet werden"
„Ich mag Sahnetorte" Okay, für diesen Satz, könnte ich mir selbst eine reinschlagen.
Aber ich denke eben einfach zu wenig nach, in Cas' Nähe.

Er kichert daraufhin total süß. „Also wenn du einen Kühlschrank hast, lass uns heiraten"
Das bringt mich zum Grinsen. Er ist so unglaublich.

Eigentlich sollte es bedenklich sein, dass seine Stimmung so schnell wechselt, doch vielleicht braucht er auch einfach jemanden, der ihm den Anlass gibt, um zu lachen und glücklich zu sein.

„Ich glaube, um zu heiraten brauchen wir schon bessere Gründe", meine ich bedauernd.
Er nickt. „Jaja leider."
Wir grinsen uns an wie zwei Idioten.

Nur für eine einzige Sekunde entwischt sein Blick meinem und landet auf meinen Lippen.
Sofort aber sieht er wieder in meine Augen.

„Und wie war die Sache mit Mick?", fragt er dann nach, nicht mehr so gut gelaunt.
Ich schüttele mich. „Nicht so das wahre. Aber mit den Mädels genauso wenig. Keine Ahnung, was ich bin"
Er sieht mich aufmunternd an und umfasst mein Kinn, damit ich ihn weiterhin ansehe. Wie kann er denn nur denken, ich könnte seinem Blick entfliehen?

„Du bist du und das zu wissen, ist vollkommen genug, okay? Alles andere findest du schon raus, wenn du mal das richtige fühlst. Es war eine dumme Idee, dich auf alle Geschlechter loszulassen, aber ich wollte dich einfach rauslocken. Als ich begriffen habe, was mit mir nicht stimmt, hat Lucas das sofort bemerkt und mich keinen Sekunde mehr alleine gelassen. Damals waren wir beste Freunde, aber hatten noch keine Romantischen Gefühle füreinander. Ich hab ihn gefragt, was er von Schwulen hält und er meinte, ich könne ihn grade so gut fragen, was ich von Schwarzen oder Asiaten halte. Dass es nicht darauf ankommt, als was sie bezeichnet werden, sondern darauf, was sie fühlen, auf ihre Persönlichkeit. Damals wussten wir es noch nicht, aber er war pansexuell und seien Einstellung zu vielen, oder einfach sie Art wie er empfunden hat, hat mir auch mit vielem geholfen. Ich denke, wenn du einfach diese Geschlechter denken ausschaltest und ein bisschen mehr auf deine Gefühle hörst, dann tust du schon das richtige"
„Pansexuell heißt was genau?", frage ich unsicher.
Ich bin in dieser Szene nicht so fest verankert...
„Dass er sich in den Charakter eins Menschen verliebt hat, unabhängig vom Geschlecht."

Er muss leicht lachen. „Sein Vater hat mich mal als Transe bezeichnet, dann ist er komplett ausgerastet und meinte, selbst mit Titten und Vagina, würde er mich noch lieben. Nachdem ich viele Jahre nur wegen meines Körpers umworben und begehrt wurde, war das sowas wie ein Zeichen für mich, dass ich es wert bin für die Person geliebt zu werden, die ich bin und nicht für mein Aussehen oder so."

Naja, dass so viele Leute auf ihn abfahren, wundert mich nicht.
Er sieht schon echt ziemlich gut aus...

Er scheint wohl auf eine Antwort zu warten, doch ich weiß nicht so richtig, was ich dazu sagen kann.

Er interpretiert mein Schweigen falsch, denn er sieht mich geschockt an. „Oh Gott, das tut mir so leid. Ich rede viel zu viel von Lucas, stimmt's?"
Er sieht mich verzweifelt an und will von meinem Schoß rutschen, aber ich halte ihn fest und verhindere es. „Rede doch keinen Mist. Es stört mich nicht, wenn du von Lucas redest. Im Gegenteil. Du hast dann so ein Strahlen in den Augen und wirkst so verträumt. Deine ganze Ausstrahlung ist dann so... Keine Ahnung. Es zeigt irgendwie, dass egal wie schlimm es ist, alles wieder gut werden kann."

Und das meine ich so.
Allein, dass Cas nach allem, was er durchgemacht hat, überhaupt noch lächeln kann, sollte mir schon einen Arschtritt verpassen und mich mal dazu zwingen, mich nicht von den Schatten meiner Vergangenheit jagen zu lassen.
Ich bin immerhin kein kleiner verängstigter Junge mehr.

Ich bin ich und das ist vollkommen genug.

Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt