1: Der Auftrag

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Daniel:

"Daniel! Komm hier her!"
Oh nein mein Vater ist schon wieder am Rumschreien. Augenverdrehend erhebe ich mich von meinem Schreibtisch, um in sein Büro zu gehen. Sogar durch die geschlossene Tür hat man ihn schreien hören. Schrecklich.
Ruhig trete ich in den Raum und schließe die Tür hinter mir, damit die Angestellten nicht mitbekommen, wie er ausrastet.

Er lockert grade mit wütenden Bewegungen seine Krawatte, während er schwer atmet und eine Hand in die Hüfte gestemmt hat. Das heißt schon mal nichts Gutes.
"Was ist los, John?" Ich versuche mir meine Genervtheit nicht anmerken zulassen. Er ist so auf seine Wut fixiert, dass er es nicht mal bemerkt.
"Dieser Hurensohn von Greed hat uns schon wieder eine Band gestohlen! Die hätten echt was werden können..."
Mein Gehirn schaltet automatisch auf Durchzug.
Tut mir leid, aber ich kann mir nicht ständig dieselben Dinge anhören.

Mein Vater ist Musikproduzent und verliert in den letzten zwei Jahren immer mehr Kunden an seinen größten Konkurrenten. Er behauptet aber, das läge nur an dem neuen Mitarbeiter, da der die Kunden angeblich manipuliert. Vielleicht finden sie ihn auch einfach netter oder kompetenter als meinen Dad, wer weiß das schon?
Freundlicher als er zu sein ist jedenfalls nicht schwer.

"Daniel!" Seine scharfe Stimme lockt meine Aufmerksamkeit wieder auf sich.
Ich hebe beschwichtigend die Hände und setze meine gute Miene auf. "Ja John, ich bin da voll deiner Meinung. Aber der nächste Auftrag geht sicher an dich"
Das ist es, was ich immer sage, doch diesmal beruhigt er sich nicht, sondern schnaubt nur und läuft aufgebracht weiter auf und ab.
Dass er sich über das Kinn reibt, beweist, dass er nachdenkt. Wahrscheinlich heckt er mal wieder was aus.

Ich für meinen Teil finde viele Dinge, die er abzieht, ziemlich krass, aber ich will auch nichts dagegen machen.
Erst vor 2 Jahren habe ich meinen Vater kennengelernt, weil ich mit 18 erfahren habe, dass ich adoptiert bin. Dann habe ich meinen leiblichen Dad aufgesucht und versuche ihm seitdem zu beweisen, dass ich ein guter Sohn bin.
Gelinde gesagt würde ich alles für ihn tun, obwohl ich weiß, dass er ein Arschloch ist, aber zumindest habe ich jetzt die Gewissheit, dass ich das von ihm geerbt habe und es somit nicht nur meine schuld ist.

Als er plötzlich vor mir stehen bleibt und mich fest an den Schultern packt werde ich wieder aufmerksam. "Daniel, ich weiß wie du mir endlich beweisen kannst dass du es wert bist mein Sohn zu sein" Allein schon, dass er das so direkt sagt... Er wartet auch gar nicht auf eine Antwort, sondern redet weiter. Bei jedem Wort, das er spricht, wird sein böses Grinsen breiter. "Ich will, dass du dich mit Greed anfreundest, sein Vertrauen gewinnst und ihm dann all seine schmutzigen Geheimnisse entlockst, damit wir sie gegen ihn verwenden können" Er zieht die Augenbrauen hoch, sieht mich begeistert an, als erwarte er, dass ich Freudensprünge mache.

„Geht das nicht ein bisschen zu weit? Du zieht sein Privatleben dadurch voll mit rein. Das ist unprofessionell"
Sofort verändert sich seine Miene. "Kennst du dem Typen etwa?" Es wirkt schon fast bedrohlich, doch das kann ich mit Ehrlichkeit verneinen. " Nein, aber trotzdem..."
"Trotzdem würdest du ihn deiner Familie vorziehen?" Sein Blick wechselt ins Anklagende ins Verletzte.
Ich seufze. Er hat ja irgendwie Recht. Was interessiert mich irgendsoein Trottel?

"Natürlich nicht. Sag mir einfach was ich machen soll" Wieso ich mich so einfach geschlagen gebe? Tja, ich habe schon immer viel nach Zuneigung gesucht und sie nie bekommen.
Die Hoffnung, mein Vater würde mich vielleicht endlich weniger allein fühlen lassen besteht selbst nach vielen Enttäuschungen noch.

Das Leben bei meiner Adoptivfamilie nicht immer schlecht oder so, aber irgendwie habe ich schon immer gewusst, dass ich nicht dazu gehöre. Vielleicht war das auch einfach dem Wunsch geschuldet, etwas Besonderes zu sein, einzigartig, was mit 4 Geschwistern nicht einfach war. Jetzt habe ich noch einen älteren Halbbruder, mit dem ich mich zurzeit annähere doch viel Zeit zum Kennenlernen hat der nicht und wirklich Interesse fehlt auch. Kein Wunder, er wusste immer wie es ist eine Familie zu haben, wo dazuzugehören.
Ich habe zwar erst mit 18 erfahren, dass ich adoptiert bin, doch viel geändert an meiner Unzufriedenheit als Kind oder Teenager hat das nicht. Im Gegenteil. Ich glaube es hätte mir sehr geholfen zu wissen, dass es noch Hoffnung da draußen auf eine liebevolle Familie gibt, in der ich die Zuwendung bekomme, die ich verdiene.

Mein Vater hat eine Denkpause eingelegt, spricht nun aber weiter mit mir. "Ich werde dir alle Informationen geben, die ich über diesen Kerl finden kann und engagiere eine Privatdetektiv. Du wirst dich dann mit ihm anfreunden und sein Vertrauen gewinnen. Dann sehen wir weiter" Wieder ist er so begeistert davon.
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich davon halten soll, aber wie gesagt, ich habe Minderwertigkeitskomplexe und schreie förmlich nach Aufmerksamkeit. Ich muss das also quasi tun.

"Okay was weißt du bis jetzt über ihn?" Ich lasse mir von meinem Dad Zettel und Stift geben, damit ich mitschreiben kann. „Er heißt Castor Greed, arbeitet seit drei Jahren bei SingAndSounds und ist seit 2 erfolgreich als eigener Produzent natürlich unter dem Namen von Vincent Hall, dem Inhaber von SingAndSounds. Ich weiß, dass er single ist, 22 Jahre alt und ein Apartment in der Stadt hat. Für mehr muss ich den Detektiv engagieren, aber du kannst bestimmt schon einiges im Internet finden"
Woher weiß er überhaupt so viel von ihm? Das klingt schon beinahe so, als sei er besessen von dem Typen. Aber jetzt sollte ich vielleicht mal darüber nachdenken, dass der Kerl erst 22 ist und schon so einen Erfolg hat. Ganz ehrlich? Sein Leben will ich, egal was es kostet.

Bestimmt ist er einer von diesen Schnöseln, der schon immer alles in den Arsch geschoben bekommen hat und mit dem goldenen Löffel in der Fresse aufgewachsen ist.
Der Typ hat bestimmt noch kein einziges Mal echtes leid erfahren hat sich nie wertlos gefühlt oder verletzlich. Tja, ich schon. Und ich hasse solche Snobs wie ihn.
Ich kenne ihn zwar noch nicht, doch ich glaube nicht, dass sich meine Meinung ändern wird.

Ich meine, ich hasse es neue Leute kennenzulernen und den Typen soll ich eh nur veraschen also muss ich ihn ja gar nicht leiden können oder?
Oh Mann ich bin froh, wenn ich diesen Auftrag hinter mir habe, der macht mir jetzt schon Stress, wenn ich nur an ihn denke.

Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt