33: Nächtliche Erinnerungen

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Daniel:

Es ist dunkel im Zimmer, ich liege mit Cas Rücken an Rücken im Bett, Haut an Haut.

Sein Bett gibt genügend Platz, damit ich wegrutschen könnte, aber ich will nicht.

Er schläft bestimmt schon seit Stunden, aber ich komme einfach nicht zur Ruhe.
Seine Frage hat mir die Wahrheit so richtig bewusst gemacht. Und zwar, dass alle anderen adoptierten Kinder 2 Familien haben und ich habe gar keine. Von Eltern brauche ich gar nicht erst anzufangen, nur meine Geschwister bedeuten mir etwas.

Serena, Julia, Ken und Robin. Zu Ken und Julia habe ich zwar fast keinen Kontakt mehr, aber trotzdem liebe ich sie und fühle mich nicht schlecht, wenn ich an sie denke.
Nicht so wie bei unseren Eltern oder bei meinem Onkel.
Serena nervt mich sowieso täglich wenn wir uns sehen, weil wir zusammen leben und die Sache mit Brooklyn und Robin hat uns irgendwie mehr zusammen geschweißt.
Aber trotzdem ist mir das einfach nicht genug.

Manchmal, wenn ich mit Cas zusammen bin, habe ich das Gefühl, es gibt so viel mehr, als das, was ich empfinde, aber genau wenn mir das bewusst wird, versuche ich mich wieder zu verschließen.
Je mehr Gefühle ich jetzt zulasse, desto schlimmer wird es hinterher.
Je mehr Gefühle ich für Cas habe, desto mehr hasse ich mich selbst.

Er tut doch gar nichts besonders, wieso zum Teufel mag ich ihn so?!
Was kann man dagegen tun?
Das muss aufhören!

„Dan?" Seine Stimme klingt leise.
„Mh?", frage ich.
„Dreh dich mal bitte um"

Langsam drehe ich mich unter der Decke um und sehe seinen blauen Augen entgegen.
Ich habe gar nicht mitbekommen, wie er sich umgedreht hat.

Er hebt die Hand, führt sie zu meiner Wange und gibt mir dann eine leichte Backpfeife. „Was beschäftigt dich so?"

Das bringt mich zum Schmunzeln. Statt es mal einfühlsam zu versuchen, haut er mich lieber. Typisch.

„Du", gebe ich zu.

Das einzige, das ich erkennen kann, ist ein leichtes blau, ausgehend von seinen Augen.
Dann ist da noch sein Atem, der leicht in mein Gesicht weht und der Duft, seines Parfüms, der ihn sogar nachts umgibt.

Nach kurzer Zeit spüre ich Bewegungen an der Matratze und, dass er meinen Arm anhebt.
Kurz danach liegt sein Körper nah an meinem und mein Arm umschlingt ihn.

Seine Hand streicht meine langen Haare nach hinten.
Ich spüre seinen nackten Oberkörper an meinem, unsere Brust, die sich berührt.

Und es macht mir nicht mal was aus.
Aber ich weiß, das sollte es.
Wieso sonst hätte mein Onkel mich dafür schlagen sollen?
Es muss doch falsch sein, was ich damals mit diesem Jungen gemacht habe.
Es muss falsch sein, was ich jetzt mit Cas mache.
Aber wieso fühlt es sich dann nicht so an?

Plötzlich brennen alle Stellen, an denen er mich berührt.
Es tut total weh, in seiner Nähe zu sein, ich spüre meinen Onkel quasi vor mir, wie mir immer wieder ins Gesicht schlägt. Wie er mit dem Gürtel ausholt und ihn auf meine Brust knallen lässt.Er

Nachts kommen diese Erinnerungen immer verstärkt zurück und Cas macht das alles nur noch schlimmer.
Ich will hier weg.

Etwas grob schiebe ich ihn von mir weg und erhebe mich aus dem Bett.
Blind steuere ich auch die Tür zu.

Als ich sie öffne, höre ich Cas meinen Namen hauchen, doch es ist mir egal. Er bringt alles durcheinander. Es ist alles seine Schuld.
Er tut irgendetwas mit meinen Gefühlen und jetzt bin ich komplett am Arsch.

Mein Dad hat recht, Cas manipuliert Menschen.
Zwar macht er das nicht absichtlich, aber es tut es und das ist es, was zählt. Ich kann das nicht gebrauchen.

Ich gehe einfach die Treppen runter und lege mich aufs Sofa, da ich richtig müde bin und einfach nur schlafen will.
Aber wie zu erwarten klappt das nicht.

Jetzt wo er nicht mehr da ist, will ich wieder in seiner Nähe sein.
Der Junge bringt mich noch um den Verstand!

Frustriert seufze ich und ziehe an meine Haaren.

Ich könnte einfach gehen, doch ich trage nur Boxer und außerdem habe ich Cas versprochen, ihn bei der Hochzeit nicht alleine zu lassen.
Ich kann ihn nicht im Stich lassen, das würde ich mir niemals verzeihen.

Ich sollte die Zeit mit ihm genießen, die wir noch zusammen haben, bis ich etwas finde, mit dem ich ihn an meinen Vater verpfeifen kann.

Ich will das echt nicht machen, aber ich muss. Nach allem, was ich meiner Familie angetan habe, ist das Geld, das sie durch mich bekommen, das mindeste, das ich tun kann.

Mein Wohlbefinden, mein Glück und meine Gefühle stehen nicht weit an oberer Stelle. Das war schon immer so.
Ich habe mich ja daran gewöhnt, doch wenn ich bei Cas bin, dann fühlt es sich so an, als wäre all das wichtig. Als wäre ich wichtig.
Und genau das ist es, wonach ich mein ganzes Leben lang gesucht habe. Jemand, der mein Leben nicht bedeutungslos macht.

Aber dann ist da noch diese Sache, dass Cas immer noch so an Lucas hängt. Ich nehme ihm das ja gar nicht übel, ich freue mich für ihn, dass er diese wahre Liebe fühlt, aber das gibt mir auch nicht gerade Hoffnung, ich hätte wenigstens einen Grund zu versuchen, meinen Gefühlen zu folgen.

Cas wird nie über Lucas hinweg kommen und ich nie über meine Vergangenheit.

Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt