Castor:
„Du musst mir noch deine Nummer geben", meint Dan, als er mich an der Wohnungstür abliefert.
Grinsend sehe ich zu ihm hoch. „Sicher, dass du nicht schwul bist und versuchst mit mir zu flirten?"
Er verdreht die Augen „Absolut sicher."
Das glaubt wahrscheinlich auch nur er.Während wir draußen waren, habe ich ihn drei Mal beiläufig am Arsch berührt und kein einziges Mal hat es ihn gestört.
Und er will mir erzählen, er ist nicht zumindest homosexuell angehaucht? Pah!„Was ist jetzt Mut deiner Nummer?", will er etwas ungeduldig wissen. Na das geht auch charmanter, Freundchen.
Ich zucke mit den Schultern, während ich meine Tür aufschiebe und reingehe. „Sorry, aber wenn ich jedem Typen, der mich danach fragt, meine Nummer geben würde, wäre mein Handy nur noch am Klingeln"
Er sieht mich empört an und hält sich theatralisch die Hand aufs Herz. „Ich bin doch nicht irgendein Typ"
Ich sehe ihn herausfordernd an. „Beweis, dass du es wert bist, meine Nummer zu bekommen"
Er lacht. „Bist du ein Superstar oder was? Gib sie mir einfach und gut ist"
Ich schüttele den Kopf. „Würde ich das bei jedem so leichtsinnig machen, ouh"
„Ich bin aber nicht jeder" Das knurrt er nur, weshalb ich mir ein Lachen nicht verkneifen kann.
"Gib du mir doch deine und ich melde mich", schlage ich vor.
Er sieht mich aus zusammengekniffenen Augen an, scheint nachzudenken, was durchaus sinnvoll ist.Dann nimmt er mein Handy, das ich ihm hinhalte, und speichert seine Nummer ein.
„Wehe du meldest dich nicht. Dann stehe ich ganz schnell wieder hier auf der Matte", meint er.
Kichernd stecke ich das Handy zurück in die Hosentasche. „Lass dich überraschen"
„Ich hasse Überraschungen", grummelt er, was mein Lachen noch mehr verstärkt.
Lucas war auch manchmal so ein Miesepeter, deshalb kann ich damit umgehen. Naja, eigentlich ist es eher so gewesen, dass er nur ständig schlechte Laune gehabt hat, bevor wir zusammen gekommen sind. Danach war er immer super drauf und hat sich um mich und meine depressiven Phasen gekümmert.Ich muss leicht schmunzeln während ich daran denke. Er wusste immer, wie er mich aufmuntern und mir ein Lachen entlocken kann. Er hat mein Leben einfach um so vieles besser gemacht... aber jetzt ist er nicht mehr da.
"Alles ok?" Dans verunsicherte Stimme, lässt mich aus meinen Erinnerungen auftauchen.
Ich lächele mehr gezwungen als gefühlt. „Klar. Also wir sehen uns dann. Und ich werde mich melden, keine Sorge"
Bevor er noch was erwidern kann, wozu er schon ansetzt, trete ich ganz in meine Wohnung und schließe die Tür, ehe ich mich von innen dagegen lehne und auf meinen Flur blicke, der mit Bildern von Lucas und mir bestückt ist.
Ich weiß nicht mal wieso ich sie aufgehängt habe.
Ich hasse es, wenn sie jemand sieht und mich darauf anspricht, aber andererseits kann ich mir so einbilden, das sei Lucas' und meine Wohnung und in der gemeinsamen Wohnung hat man ja wohl Bilder hängen.Seufzend stoße ich mich von der Tür ab, um ins Bad zu gehen.
So viel Sport habe ich zwar mit Dan gar nicht gemacht, aber trotzdem will ich duschen, bevor ich mich aufs Sofa werfe und den Fernsehern einschalte.Manchmal fällt mir auf wie armselig ich eigentlich bin.
Ich habe hier keine Freunde, niemanden, dem es auffallen würde, würde ich hier einschlafen und nie wieder aufwachen.
Naja meine Nachbarin Mandy vielleicht. Hin und wieder mache ich mit ihr einen Mädels-Abend und helfe ihr bei ihren Jungsproblemen, aber so richtig als Freundin würde ich sie nicht bezeichnen.
Ich will einfach keine Bindungen mehr zulassen, denn Bindungen entstehen durch Gefühle und Gefühle verursachen Schmerz. Und noch mehr halte ich einfach nicht aus.Meistens komme ich mit allem ziemlich gut klar, das rede ich mir zumindest ein, doch es gibt Momente wie jetzt grade, in denen mir bewusst wird, dass ich nicht wirklich an dem Leben da draußen teilnehme.
Ich habe mich in meine eigene kleine Welt zurück gezogen, in eine Welt, in der Lucas auf mich wartet, wenn ich von der Arbeit komme und mich im Arm hält, mir durch die Haare streicht wenn ich schlafe, eine Welt in der er, die einzige Person, die mich immer verstanden hat, auch ohne Worte, für mich da ist und mich aus jedem noch so tiefen Loch rauszieht.Einerseits weiß ich, dass mein Vater Recht hat. Alle, die mir sagen, ich muss weiter machen und nach vorne sehen haben das.
Aber das ist nicht so einfach. Lucas war meine große Liebe, meine Zuflucht, mein zuhause und ohne ihn fühle ich mich schlichtweg fremd in dieser Welt, in meinem eigenen Leben.
Er hat eine Leere hinterlassen, die niemals wieder gefüllt werden kann.Ich weiß, ich bin jung und sollte das Leben nutzen, da ich ja weiß, wie schnell es vorbei sein kann.
Im einen Moment hat man noch den schönsten Abend seines Lebens und im nächsten kommt dein kranker Ex, will dich in seiner Eifersucht erschießen, dein Freund stellt sich vor dich und stirbt dann an den Folgen.19 Jahre alt war er.
19.
Da fängt das Leben doch erst so richtig an, unser Leben hat erst so richtig angefangen.Wir waren nicht mal lange zusammen gewesen, doch unsere Liebe war schon seit unserer Kindheit tief in uns verwurzelt gewesen.
Selbst nach vier Jahren kann ich nicht begreifen, dass ich ohne ihn weiterleben muss.
Es ist so unwirklich.
Er gehört doch zu mir und ich zu ihm.Es fühlt sich so an, als konnte es mich ohne ihn gar nicht geben und ich bin mir sicher, da habe ich auch recht.
Aber anderen sowas klarzumachen, ist schlichtweg unmöglich.Sie sehen dich mitleidig an, wollen dich trösten, sagen sie verstehen dich, doch dann kommt das aber und ein Satz, der beweist, dass sie gar nichts verstehen.
Und das wiederum beweist, dass ich allein bin, denn Lucas war der einzige, der meine Gefühle nachvollziehen konnte.
Und jetzt liege ich hier auf dem Sofa, und wie jedes Mal, wenn ich mir nur für eine Sekunde die Situation bewusst mache, dass er einfach nicht mehr da ist und es auch nie wieder sein wird, fühlt es sich so an, als würde man mein Inneres zerreißen und verbrennen.Es tut so verdammt weh, aber es ist dieser Schmerz, der beweist, dass ich Lucas wirklich geliebt habe und das auch für immer tun werde.
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Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)
Teen FictionEinen Job, der Spaß macht, eine eigene Wohnung, keine Geldsorgen und komplett zufrieden mit den sozialen Kontakten. So sieht Castors Leben aus. Auf den ersten Blick beneidenswert, wäre da nicht die Sache, die sich hinter der ersten Schicht verdeckt...