Daniel:
Eigentlich ist es schon ziemlich leichtsinnig von ihm, dass er mich mit dieser Scheiße einfach durchkommen lässt, doch er sperrt gerade tatsächlich seine Wohnung auf, wir gehen rein und er deutet mir, die Tüten auf dem Tisch abzulegen.
Als ich mich umsehe, erkenne ich eine modere Einrichtung hauptsächlich in schwarz und weiß, was man für langweilig halten konnte, aber ich finde es elegant.
Nur passt es meiner Meinung nach nicht wirklich zu Cas, aber so gut kenne ich ihn ja nicht und er mich auch nicht.
Deshalb wundert es mich, dass er mich hier einfach stehen lasst und sich umziehen geht. Dass er mich überhaupt mitgenommen hat, immerhin könnte ich ja der Psycho von uns sein.
Aber ich glaube seine Reaktion auf Serenas Drohung mit dem Messer damals hat schon bewiesen, dass er sich nicht wirklich um sein Leben schert.Während er sich umzieht, sehe ich mir die Bilder an, welche hier herumhängen.
Auf ein Paar ist ein braunhaariger Junge zu sehen, auf anderen ein rosahaariges Mädchen und ein blondes, aber auf den meisten so 98% sieht man Cas mit einem älter aussehenden Jungen mit rotbraunen Haaren und ziemlich krassen grünen Augen. Meistens kuscheln sie auf den Bildern oder lachen glücklich.
Was meine Aufmerksamkeit aber mehr auf sich zieht, ist dass dieser Junge, der wohl Cas sein soll, kaum wieder zu erkennen ist.Auf den Bildern sieht er aus wie vielleicht 15, er tragt keinen Bart, sondern Piercings und auch Eyeliner auf manchen.
Nur seine blonden Locken und die strahlenden blauen Augen sind gleich geblieben.Ich bemerke gar nicht, wie ich in einem der Bilder versinke, bis ich eine Stimme neben mir höre.
„Können wir los?" Er klingt nicht wirklich motiviert.
„Wer ist das?" Ich zeige auf den rothaarigen Jungen und sehe dann zu Cas.
Er lächelt zwar, doch er hat auch etwas Verletzliches in seinem Blick. „Er war mein Freund"
Ah diese schwulen Sache hatte ich beinahe vergessen.„War?", frage ich nach.
Wenn sich die beiden getrennt haben, warum hat er dann die ganze Wohnung mit den Bildern zugepflastert? Vielleicht ist er doch ein Psycho....„Lucas ist vor vier Jahren gestorben" Seine Stimme klingt komplett anders als er diesen Satz ausspricht, weshalb ich wieder zu ihm sehe. Ich erkenne eine Wut in seinem Blick, noch schlimmer als vorher.
Außerdem habe ich ein richtig schlechtes Gewissen."Das tut mir leid", sage ich ehrlich, lege eine Hand auf seine Schulter.
Er schüttelt sie ab. „Mir auch"Und wieder sind diese Zweifel da.
1. Wird er sich unter diesen Umständen niemals in mich verlieben und 2. Wenn er es tut, wird es ihn umbringen, dass ich es nicht erwidern kann, aber es sieht eher so aus, als würde der erste Fall eintreffen, denn der Blick, mit dem er auf dieses Bild sieht, zeugt von all seiner Liebe für diesen Lucas.„Willst du darüber reden?" Was soll ich denn sonst sagen? Ich bin total unerfahren bei solchen Situationen.
Er schüttelt den Kopf und geht auf seine Wohnungstür zu.
Das heißt wohl verpissen.
Noch einmal sehe ich kurz auf das Bild, ehe ich mit Cas aus der Wohnung gehe.Unten abgekommen joggen wir aber nicht los, sondern laufen nebeneinander.
„Darf ich dich fragen, wie dein Freund gestorben ist?", frage ich in die unangenehme Stille.
„Ich will eigentlich nicht darüber reden", meint er ziemlich kalt.
Ich nicke, obwohl er mich nicht ansieht, sodass er es sehen könnte."Siehst du den Brunnen da vorne?" Ich stupse ihn an und deute auf einen Brunnen am anderen Ende des Parks.
Er nickt.
„Wer als erstes da ist" Dann renne ich auch schon los.
„Das ist unfair!", höre ich ihn schreien, weiß aber, dass er mir hinterher rennt.Ich freue mich schon über den Sieg, doch das war wohl zu früh gefreut, denn ein Kinderwagen fährt in meinen Weg und ich muss abrupt anhalten, um ihn nicht umzuwerfen.
In der Zeit rennt Cas an mir vorbei und als ich nach vorne sehe, steht er auch schon am Brunnen und hebt triumphierend die Hände.Als ich zu ihm komme lacht er mich aus. "Das nenne ich Karma, Schätzchen", meint er schadenfroh.
Ich zeige ihm meine Zunge und ziehe Grimassen, weshalb er weiter lacht.
Ich muss zugeben, dass mir dieses Lachen schon um einiges besser gefällt als diese Wut oder Verletzlichkeit in seinem Blick auch wenn ich es irgendwie nachvollziehen kann. Nur warum er so sauer war, das weiß ich nicht.„Sag mal, warum warst vorhin so angespannt?", frage ich ihn.
Wir laufen wieder in normalem Gehtempo.
Eigentlich kommt es mehr einem Spaziergang gleich als einem Training. Er schnaubt, weshalb ich zu ihm runter sehe.
Er hat die Augen leicht zusammengekniffen, wodurch man seine Stupsnase besser erkennt, aber jetzt sieht er irgendwie doch wieder aus wie ein Psycho. „Ich bin Musikproduzent und hab so einen Sänger, der mich zurzeit aufregt.", erklärt er.o
„Musikproduzent?"
Er nickt.
„Wolltest du das schon immer werden?", frage ich neugierig, um seine Wut wieder verschwinden zu lassen.
Er schüttelt den Kopf und lacht tatsächlich leicht. „Eigentlich hatte ich nie einen Plan, was ich aus mir und meinem Leben machen will. Lucas war immer total organisiert und zuverlässig in der Schule. Er hatte echt was vor mit seinem Leben. Wir saßen mal so da, er hat Hausaufgaben gemacht und wollte mich überreden, es auch zu tun aber ich meinte, ich brauche keine Schule, weil ich mich einfach alle drei Jahre von ihm schwängern lasse und dann Mutterzeit haben kann." Er lacht leicht für sich selbst, seine ganze Ausstrahlung ändert sich bei der Erzählung und der bloßen Erwähnung des Namens seines Freunds.N
Trotzdem finde ich es leicht verstörend, was er mir da erzählt, aber irgendwie muss ich auch lächeln. Er wirkt so verträumt...„Wie ist es dann dazu gekommen, dass du Musikproduzent geworden bist?", will ich wissen.
Er seufzt, doch dieser spezielle Ausdruck verschwindet nicht „Ich hab eigentlich nie besonders viel mit Musik zu tun gehabt. Wir waren nur jedes Wochenende in dieser Karaokebar und ich konnte schon immer sehr gut Gitarre spielen, aber mehr nicht. Nach Lucas Tod bin ich von zuhause abgehauen, hab mich mit Straßenmusik durchgeschlagen, bis Vincent Hall, der Inhaber von singandsounds mich gefunden und ein Talent in mir gesehen hat. Tja und jetzt bin ich sein Stellvertreter"
Ich nicke verstehend.Ich wusste gar nicht, dass dieser Vincent Penner bei sich aufnimmt, doch wenn Cas echt so gut ist wie man deshalb meinen könnte, dann ist das zumindest der Grund weshalb er meinem Vater alle Kunden wegnimmt.
„Ich wollte mal Sänger werden", offenbare ich dann.
Er sieht überrascht zu mir hoch. „Echt?"
Ich nicke. „Aber der Produzent, bei dem ich war, meinte, ich habe nicht das Zeug dazu
Ja, mein Vater. Schon leicht verletzend. Da findet man raus, dass der Vater einem zum großen Erfolg führen kann und dann will er das gar nicht.Cas nickt verstehend. „Sowas darfst du nicht persönlich nehmen. Es gibt viele gute Sänger, aber die, die es dann wirklich schaffen, sind die wenigsten davon. Und als Produzent musst du komplett hinter dem stehen, was du da aufnimmst, sonst bist du nämlich der angearschte", meint er.
„Sprichst du aus Erfahrung?"
Er lacht leicht und schüttelt den Kopf. "Zum Glück nicht. Ich warte nur drauf, dass ich noch ins Fettnäpfchen trete."
Ich muss ebenfalls kurz schmunzeln. "Ich zieh dich wieder raus" versichere ich ihm dann.
Er grinst mich von unten an. "Oh ja ich freu mich schon so drauf, man an deine starken Arme klammern zu können" Er klimpert übertrieben mit den Augen, was mir echt ein Lachen entlockt.Der Gedanke daran, dass er schwul ist, ist irgendwie falsch, aber der Umgang mit ihm ist viel unkomplizierter als gedacht und vor allem fühlt es sich gar nicht unangenehm an, in seiner Nähe zu sein.
Vielleicht ist er ja ein besonderer Schwuler.
DU LIEST GERADE
Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)
Novela JuvenilEinen Job, der Spaß macht, eine eigene Wohnung, keine Geldsorgen und komplett zufrieden mit den sozialen Kontakten. So sieht Castors Leben aus. Auf den ersten Blick beneidenswert, wäre da nicht die Sache, die sich hinter der ersten Schicht verdeckt...