Castor:
„Wieso musstet ihr so lange warten, um nochmal miteinander schlafen zu können?", fragt Dan irgendwann.
Er ist der einzige, bei dem es mir nicht unangenehm ist über Lucas zu reden, aber er ist auch der einzige, der nicht versucht, dabei meine Psyche zu analysieren. Das weiß ich sehr an ihm zu schätzen.
Auch seine Frage zeigt, dass er mich aufmerksam zugehört hat und sich Gedanken über meine Erzählungen macht, auch wenn er nicht oft was dazu sagt.
Ich sehe zu ihm, damit ich erkennen kann, wie er auf diese Enthüllung reagiert. „Lucas war HIV-positiv."
Dans Augenbrauen schießen nach oben.
Bevor er was Falsches denkt, erzähle ich weiter. „Er war nicht ansteckend, weil er medikamentös eingestellt war, aber er hat mal für 2 Wochen vergessen, seine Tabletten zu nehmen. In der Zeit sind wir zusammen gekommen, aber als er sich dann wieder daran erinnert hat, dass da ja was war, musste er sich nochmal untersuchen lassen, um festzustellen, ob das Virus in der Zeit mutiert ist. Weil er es so wollte, hab ich dann auch gleich einen Test gemacht und er wollte nicht mit mir schlafen, bis das Ergebnis da war, weil er Angst hatte, mich anzustecken. Am Ende kam dann raus, dass bei ihm alles verhältnismäßig gut war und bei mir sowieso. Dann hab ich mit in der Apotheke noch so eine Pille geholt, von der Lucas wollte, dass ich sie nehme, damit er mich unter gar keinen Umständen anstecken kann und in der Zeit hat er unser Date organsiert."Ja, so war das. Romanisch oder? Selbst heute finde ich es noch unsinnig, dass er damals von mir wollte, dass ich diese Tabletten nehme. 1. War er nicht ansteckend, 2. Haben wir verhütet und 3. War es mit dieser Pille ein dreifacher Schutz für gar nichts.
Egal, er hat sich so wohler gefühlt und deshalb hab Ichs gemacht.
"Sag mal, hat dir das gar nichts ausgemacht?" Dan sieht mich überrascht an.
„Was denn?", frage ich verwirrt.
„Na dass er Aids hatte"Unwillkürlich muss ich lachen, weshalb er mich seltsam ansieht. Ich schüttelte belustigt den Kopf. „Er hatte kein Aids, du Hirni. Aids bekommt man erst so 10 Jahre nachdem man das HIV Jahre unbehandelt mit sich rumträgt. Und Lucas hat es nach einem Jahr behandeln lassen, er war nicht mal annähernd so weit, Aids zu haben."
Wird das nicht der Schule nicht mehr beigebracht? Mano Meter.„Trotzdem", meint Dan. „Das muss doch voll gestört haben"
Ich schüttele leicht lachend den Kopf. „Dan, Lucas und ich haben so viel Scheiß zusammen durchgestanden, da war diese HIV-Erkrankung nichts. Es war einfach nicht wichtig. Ich habe ihn geliebt, er hat mich geliebt, wir waren zusammen glücklich. Was braucht man denn bitte noch?"Kurz sieht er mich nachdenklich an und mustert mich, ehe er zaghaft nickt.
Jetzt zerbricht er sich darüber den Kopf, das sehe ich ihm deutlich an. Ich muss ich ablenken. „Und was ist dein schönstes Erlebnis?"Sein Blick trifft wieder zurück auf meinen. Er scheint nachzudenken, doch sieht nicht wirklich so aus, als würden sich gerade glückliche Szenen vor seinem inneren Auge abspielen.
Dann lacht er tatsächlich. „Als meine Eltern mir gesagt haben, dass ich adoptiert bin"
Meine Augenbrauen wandern in Sekundenschnelle nach oben. Gehört das nicht in die Kategorie trauriges Erlebnis?
„Wieso das denn?"
Er schüttelt grinsend den Kopf. „Es hat mir Hoffnung gegeben, dass es irgendwo da draußen eine Familie gibt, in der ich vielleicht was wert bin. Naja, ein Jahr später hat sich rausgestellt, dass meine Mutter schon lange tot ist und mein Vater ein Arschloch, aber das wusste ich ja damals noch nicht"„Wer ist denn dein Vater?", will ich wissen.
Er seufzt. „John Brice"Ich habe das Gefühl im selben Moment fallen mir die Augen aus. „Der Inhaber von Brice Records?"Ich
Meinem größten Konkurrenten? Ist das jetzt sein Ernst?Er nickt zaghaft und sieht mich dann vorsichtig an. „Hasst du mich jetzt?"
Der Satz bringt das Fass echt zum überlaufen.
„Spinnst du jetzt komplett?", werfe ich ihm vor. „Wegen sowas hasse ich dich doch nicht. Du kannst ja nichts dafür, wer dein Dad ist. Und du hast Recht, er ist ein Arschloch"
Daraufhin muss er leicht lachen. „Ja ist er." Zaghaft lächelt er mich an.
Ich erwidere es.Als ob er echt dachte, ich würde ihn dafür hassen. Jetzt mal ehrlich, spinnt der? Ich mag ihn immerhin unabhängig davon, wer ihn gezeugt hat. Dass sein Vater mich hasst, ändert nichts daran, dass ich Dan mag und mich bei ich wohl fühle.
Jetzt gibt es aber noch eine Sache die mich interessiert. „Wieso warst du erleichtert, dass deine Familie nicht deine genetische Familie ist?"
Sein Lächeln verschwindet.„Sag mal, wo soll ich eigentlich schlafen? Boden, Couch? Gästezimmer?" Er sieht sich um und tut eiskalt so, als habe er meine Frage überhört.
„Dan" Beruhigend lege ich eine Hand auf seinen Unterarm.
Er blickt auf die Stelle und dann in mein Gesicht. Er schluckt. „Ich will grade echt nicht darüber reden"Ich nicke verstehend. „Ist ok. Aber deshalb verbanne ich dich nicht aus dem Bett, das ist immerhin groß genug für uns beide." Lächelnd sehe ich ihn an.
Er erwidert es zaghaft. „Danke, dass du nicht weiter nachbohrst"Ich zucke mich den Schultern. „Wenn du reden willst, dann weißt du, dass ich für dich da bin und wenn nicht, dann kann ich auch mit dir Schweigen"
Er legt die Hand auf meine und drückt sie leicht.Ich sehe Dankbarkeit in seinem Gesicht, doch das ist nicht nötig.
Er war jetzt schon so oft für mich da und dann auch noch hilfreicher als es meine Familie oder Freunde es je waren.Wenn er soweit ist, will ich auch für ihn da sein, aber bis dahin reicht es doch, wenn wir uns einfach gegenseitig Halt geben oder?
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Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)
Teen FictionEinen Job, der Spaß macht, eine eigene Wohnung, keine Geldsorgen und komplett zufrieden mit den sozialen Kontakten. So sieht Castors Leben aus. Auf den ersten Blick beneidenswert, wäre da nicht die Sache, die sich hinter der ersten Schicht verdeckt...