Daniel:
Ich weiß, dass es seltsam ist, doch rein gar nichts an der Situation, dass er nur in Boxer bekleidet von mir umarmt wird und mich vollheult, ist mir unangenehm.
Ich hasse es, Leute trösten zu müssen, weil ich mich dafür verantwortlich fühle, wenn es ihnen danach nicht besser geht, aber bei Cas weiß ich, dass ich ihn gar nicht trösten kann.
Ich habe gedacht, er wäre ein Psycho aber jetzt fällt mir auf, dass er es nicht ist.
Er ist einfach nur ein junger Mann, der mehr mitgemacht hat als er es aushält, und er zerbricht daran, jede Sekunde mehr, auch wenn man ihm in normalen Situationen gar nicht anmerken würde.Er wirkt so stolz wie er durch das Leben geht, ausgeglichen, doch in ihm sieht es komplett anders aus.
Ich weiß, mit ihm zu reden, bringt jetzt nichts. Was soll ich denn auch sagen? Er hat mir gerade erzählt, dass sein Freund an einer Kugel gestorben ist, die auf ihn gerichtet hat.
Kein Wunder, dass er sich so fühlt wie er es tut.Ich will nicht sagen, ich verstehe ihn, denn ich denke, es gibt keinen, der das wirklich kann, aber ich weiß zumindest, wie es ist sich allein zu fühlen. Einsam. Hilflos.
Irgendwann bemerke ich, dass Cas gar nicht mehr weint und stattdessen ganz ruhig gegen mich lehnt.
Ein vorsichtiger Blick zu meiner Schulter zeigt, dass er eingeschlafen ist.Da diese Position seinem Nacken nicht gut tun kann, rutsche ich vorsichtig weg und lege ihn auf dem Sofa ab.
Ich schiebe das Sofa auf und in der Schublade sind tatsächlich Decken, damit ich sie über ihn legen kann.
Er hat immer noch nur Boxer an...Cas sieht im Schlaf nicht mehr so schmerzerfüllt aus, sondern lächelt jetzt sogar leicht.
Ich könnte jetzt einfach gehen, aber stattdessen setzte ich mich vor dem Sofa auf den Boden wie ein Wachhund und passe auf.Weshalb weiß ich nicht so genau. Aber wenn ich mir vorstelle nach so einem Zusammenbruch alleine aufwachen zu müssen.... Nein, es ist gut, dass ich hier bin.
Anderseits ist es schon etwas krank, dass ich hier sitze und ihn beim Schlafen zusehe.
Doch dabei fällt mir auch was auf.
Er hat Narben.
Und damit meine ich nicht die, wo vorher seine Piercings oder Ohrringe reingepasst haben, sondern in seiner Armbeuge.
Sie sind nur klein, ja fast so wie Nadelstiche.Ich schlucke, als mir eine Sache in den Sinn kommt, die dafür verantwortlich sein könnte: Drogen? Hat er sich mal Drogen gespritzt? Naja, wundern wurde es mich nicht.
Cas ist echt ziemlich am Arsch.Vor ein paar Wochen dachte ich mir noch, ich wurde mein Leben sofort gegen seines tauschen, doch nun würde ich das nicht mehr für alles Geld der Welt tun.
Es dauert vielleicht zwei Stunden, in denen ich einfach dasitze und ihn beim Schlafen beobachte, bis er sich langsam regt und die Augen aufschlägt.Er sieht sich kurz verwirrt um, auch als er mich dann erkennt. Dann erkenne ich aber deutlich in seinem Blick, dass die Erkenntnis zu ihm durchsickert und lächele ihn an.
Zaghaft erwidert er es, als er sich aufsetzt.Er fährt sich durch die Haare. „Oh Mann, ich hab das nicht nur geträumt oder?"
Bedauernd schüttele ich den Kopf.
Er nickt seufzend. „Sorry, dass ich mich nicht gemeldet habe und du dir das jetzt antun musstest. Ich bin eigentlich ich nicht mehr so... sensibel wie früher, aber... keine Ahnung manchmal geht es einfach mit mir durch"
Schnell setze ich mich neben ihn. „Hei, mach dir keine Gedanken. Ist schon okay" Aufmunternd sehe ich ihn an. Ich will irgendwie nicht, dass er sich schlecht fühlt, das tut er ohnehin genug.Er mustert mich kurz und sieht mich dann fragend an. „Was machst du eigentlich hier?"
Lächelnd zucke ich die Schultern. „Du hast dich nicht gemeldet und ich hatte keine Lust mehr zu warten. Ich wollte was mi dir trinken gehen"Er nickt verstehend, sieht mich dann entschuldigend an. „Ist ja echt lieb, aber ich will jetzt glaub ich lieber allein sein"
„Willst du nicht", widerspreche ich ihm. „Aber du hast schon recht, dass es doof wäre heute rauszugehen. Ich meine der Wetterbericht hat ein Gewitter vorhergesagt. Das heißt wir bleiben hier und machen was Schönes"
Er muss lächeln. "Du erinnert mich an mich selbst als ich so 16 war. Da hab ich auch gedacht, mir alles erlauben zu können"
Empört sehe ich ihn an. "Also hör mal, ich kann mir alles erlauben. Außerdem willst tief in deinem Inneren doch nicht, dass ich raus gehe, wenn es jeden Moment zu regnen anfangen konnte, weil ich dann durch die Nässe laufen müsste und krank werden würde. Und das wäre deine Schuld" Beteuernd sehe ich ihn an, weshalb er lächelnd die Augen verdreht.
Genau das wollte ich sehen.Dann steht er auf und will das Zimmer verlassen, aber ich gehe ihm hinterher.
"Nicht abhauen", schmolle ich.
Er lacht, geht weiter durch einen Flur um die Ecke. „Ich will mir was anziehen, außer du willst, dass ich mich ganz nackig mache. Dann musst du dich aber auch anziehen und wir..."
Bevor er weiterreden kann, hebe ich abwehrend die Hände „No gay shit"
Er lacht. „Ich wollte gerade sagen, wir können zu einem Fußballspiel gehen und Flitzer spielen. Und wen sie als letztes fangen, der hat gewonnen."Er grinst mich über die Schulter an und ich muss lachen. „Das klingt echt nach einem Erlebnis, das jeder mal gemacht haben sollte"
Er nickt und öffnet die Tür zu seinem Zimmer. Es ist in der ganzen Wohnung beängstigend ordentlich, sowie auch hier.Er geht zum Kleiderschrank und ich lehne mich an eine Wand, sehe ihm beim Jogginghose und Shirt anziehen zu.
„Zu den Zeiten von dem Videos, die du mir gezeigt hast. Wie alt warst du da?", frage ich ihn.
Er steckt gerade den Koof durch ein weinrotes Shirt. „18. Wieso?"
Unwillkürlich muss ich lachen. "Ich hatte dich auf 15 geschätzt"Er verdreht grinsend die Augen, wie so oft. „Ich war halt süß für mein Alter."
„Wie alt war Lucas?", will ich wissen.
„Was schätzt du?"
Ich muss kichern. „Also ich hätte ihn für deinen sugar Daddy gehalten. Er sieht auf den Videos und Bildern schon um einiges älter aus als du... ich wurde sagen 20"Er lacht, als er an mir vorbeigeht, weil er wieder angezogen ist. „Du hättest ihn für 5 Jahre älter geschätzt als mich?"
Ich nicke schulterzuckend und er grinst kopfschüttelnd. „Er war 19"„Ha dann lag ich ja gar nicht so falsch", freue ich mich.
Er kichert. „Bei Lucas nicht. Bei mir um Welten"
Ich verdrehe die Augen. „Aber du warst halt echt total süß damals. ", verteidige ich mich. Ich meine, er hat ausgesehen wie ein Mädchen.Jetzt steht er vor mir und zieht einen Schmollmund. „Willst sagen jetzt bin ich nicht mehr süß?" Schnell klimpernd sieht er zu mir hoch.
Ich schüttele den Kopf. „Das kann ich nicht beurteilen, immerhin sieht zu jetzt um einiges männlicher aus und ich steh nicht auf Männer"
Er beendet die Show und sieht mich tadelnd an. „Also bitte, ich kann auch als Schwuler sagen, ob ein Mädchen süß ist, obwohl ich nicht auf sie stehe"
Ich zucke mit dem SChultern. „Ich kann es bei Männern nicht"Er tut so als müsse er husten und spricht ein Wort aus: „Homo" Dann dreht er sich grinsend um und geht in die Küche.
Ich sehe ihm kurz hinterher.Was sollte er mir denn damit sagen? An mir ist gar nichts homo.
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Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)
Ficção AdolescenteEinen Job, der Spaß macht, eine eigene Wohnung, keine Geldsorgen und komplett zufrieden mit den sozialen Kontakten. So sieht Castors Leben aus. Auf den ersten Blick beneidenswert, wäre da nicht die Sache, die sich hinter der ersten Schicht verdeckt...