50: Glück

2.1K 173 45
                                    

Castor:

Wir haben uns eine Weile einfach angesehen, doch es war keinem von uns unangenehm.
Es war irgendwie schön, als würden wir durch unsere Blicke kommunizieren und Gefühle austauschen.
Wer braucht das schon einen Kuss?

Irgendwann aber habe ich ihm meine Lieder gezeigt und ihn zu den Aufnahmen geschickt.
Es hat sich herausgestellt, dass der Junge absolut kein Taktgefühl besitzt und keine Noten lesen kann, also musste ich ihm die Lieder vorsingen, damit er weiß, wie es sein soll.

Er war ziemlich beeidruckt und meinte, ich solle meine Lieder gefälligst selbst einsingen, aber ich hab ihm erklärt, dass in meiner Stimme der Wiedererkennungswert fehlt, den er hat.

Tja und dann haben wir den ganzen Tag im Studio verbracht, bis Dan müde geworden ist und nur noch Furzgeräusche in das Mikro gemacht hat.
Da das so keinen Wert mehr hatte, habe ich dann nachgegeben und ihn mit zu mir nachhause genommen, wo wir jetzt auf dem Sofa chillen.

Wir schauen uns The amazing Spiderman an, auch einer meiner Lieblingsfilme, bei dem ich auswendig mitsprechen könnte.

„Wie findest du Spiderman?", frage ich neugierig, während er beiläufig an meinen Locken herumspielt, was er nur tun kann, weil er einen Arm hinter mir auf der Lehne des Sofas abgelegt hat.
Er krault meinen Kopf schon quasi, was mich fast schnurren lässt wie ein gezähmtes Kätzchen.

„Spiderman ist hundertprozentig schwul. Warum sonst wollte er in Strumpfhosen rumlaufen? Er will doch nur seinen Arsch präsentieren", meint Dan kritisch.
Ich muss lachen. „Sowas ähnliches hat Lucas auch gesagt"

Als ich bemerke, was ich da ausgesprochen habe, vergeht mein Lachen. Ich sollte aufhören alles, was Dan tut oder sagt, mit Lucas zu vergleichen. Er muss nicht so sein wie Lucas, er kann es auch nicht. Aber das ist okay. Dan soll Lucas nicht ersetzen, er soll einfach... Ich weiß nicht, er soll das tun, was er schon von ersten Moment an gemacht hat. Dafür sorgen, dass es mir gut geht.

„Ich finde, Lucas und ich hätten echt gute Buddies sein können", meint Dan.
Ich bin froh, dass er es mir nicht übelnimmt, wenn ich von ihm rede oder schwärme. Aber er hat mich ja so kennengelernt.

Ich muss wegen seiner Aussage kichern. „Das glaub ich nicht"
Empört sieht er mich an. „Wieso das denn?"
„Er mochte keine Fremden und er hat auch soziale Kontakte vermieden, außer zu mir und meinen Freunden."
„Ich mag auch keine Fremden. Ich mag nicht mal meine eigene Familie", meint er.
Ich lache. „Schau, ihr hättet euch doch niemals angefreundet. Und wenn doch, dann hätte ich das aus Eifersucht zerstört, weil ich sonst nicht mehr im Mittelpunkt gestanden hätte"

Irgendwie fühlt es sich falsch an, mir Lucas und Dan nebeneinander vorzustellen. Sie gehören in ein anderes Leben, eine andere Welt.
Sie können nicht parallel nebeneinander in meinem Leben existieren, das weiß ich.

„Halt einfach die Klappe und schau dir den Film an", meint Dan und zieht mich an sich ran, sodass ich mich entweder aus seinem Griff befreien oder mich an ihm schmiegen muss.

Natürlich entscheide ich mich fürs Kuscheln, was denn sonst?
So dauert es aber nicht lange, bis ich unter seinen regelmäßigen Atemzügen, begleitet von seinem starken Herzschlag in einen ruhigen Schlaf abdrifte.

★ ★ ★

Von diesem Tag an, verlaufen die Folgenden immer im ähnlichen Muster.
Dan und ich wachen zusammen auf, weil wir entweder bei ihm oder bei mir geschlafen haben, dann gehen wir ins Tonstudio und machen ein paar Aufnahmen, bis er keine Lust mehr hat und verbringen schließlich den restlichen Tag zusammen.

Vincent stört es nicht, dass ich meine anderen Kunden total vernachlässige, er findet es gut, dass ich jetzt noch ein anderes Leben als die Arbeit habe und kümmert sich um viele meiner Aufträge.

Obwohl man meinen könnte, Dan und mir sollen so langsam mal die Gesprächsthemen ausgehen, ist dem nicht so, im Gegenteil, es werden immer mehr und das, obwohl wir ja den ganzen Tag aufeinander sitzen und somit so quasi nichts mehr zu erzählen haben.
Aber irgendwie gibt unsere Vergangenheit genügend Gesprächsstoff her.

So wie jetzt. „Willst du wissen, wieso ich das ganze Geld brauche?", fragt Dan, während ich auf seiner Brust liege und er mir durch die Haare fährt.
Ich richte mich leicht auf und nicke.

Manchmal habe ich Angst, ich bin ihm zu langweilig, weil ich es noch nicht mal geschafft habe, ihn zu küssen oder wir sonst andere Sachen gemacht haben als zu reden oder zu kuscheln, aber dann führen wir Gespräche wie solche und ich weiß wieder, dass all das nicht wichtig ist.
Dass uns so viel mehr verbindet als das.

„Nachdem ich meinen Onkel damals ins Koma geprügelt habe, hat meine Mutter mir eröffnet, dass ich adoptiert bin. Ich bin ausgerastet vor Freude und sie war so enttäuscht von meiner Reaktion weil ich nicht heulend zusammengebrochen bin, dass sie wegen des ganzen Stresses einen Schlaganfall hatte. Seitdem ist sie ein Pflegefall, aber meinen Familie hat nicht das Geld, um für sie zu sorgen, also bringen Serena und ich das auf. Ich bin froh, dass ich mit dir zusammen arbeiten kann, damit ich nicht mehr von meinem Dad abhängig bin, um meine Familie nicht hängen zu lassen"

Ich nicke verstehend und lasse meinen Kopf nach unten sinken, so lange, bis meine Stirn gegen seine lehnt.Ich
Es ist irgendwie gruselig jemandem aus dieser Position in die Augen zu sehen, doch irgendwie auch total romantisch.

„Ich bin auch froh, mit dir zusammen arbeiten zu können", murmele ich, ehe ich grinsen muss. „Denn wir werden vor Geld nur so stinken, wenn wir erstmals fertig sind"

Das bringt Dan zum Lachen.
Mit einem Ruck wirft er mich neben sich und kitzelt mich durch. „Du Geldgeiler Bock", meint er.
Ich lache mir einfach nur den Arsch ab.

Ich bin glücklich.

Dan macht mich glücklich.

Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt