Daniel:
Natürlich hat er sich nicht gemeldet.
Hätte ich mir ja denken können.
Arschloch.Was denkt er sich eigentlich? Kein Wunder, dass er keine Freunde hat, mit denen er sich treffen könnte.
Scheiß Psycho.Jetzt muss ich ihm auch noch hinterherrennen, obwohl das absolut nicht meine Art ist. Ich hasse diesen Job.
Wie oft soll ich das noch sagen oder in Gedanken schreien?Ich stehe vor seiner Wohnungstür und versuche an wenigstens etwas Positives zu denken, damit ich nett rüber kommen kann.
Dann klopfe ich.
Noch mal, als er nicht aufmacht und nochmal, solange bis er vor der Tür steht. In Boxer.„Was ist?" Verschlafen versucht er, seine Augen zu öffnen, doch er kneift sie nur mehr zusammen und streicht sich die Locken aus dem Gesicht.
Ich ziehe die Augenbrauen hoch. „Was ist? Das sollte ich wohl eher dich fragen. Es ist drei Uhr am Nachmittag an meinem Freitag und du stehst so vor mir." Vielsagend sehe ich ihn an.Ohne viel zu reagieren, will er die Tür wieder schließen, aber ich stelle meinen Fuß dazwischen und schiebe sie wieder auf. „Wenn du keine Lust zum Treffen hast, ist das ok, aber sag mir wenigstens, dass alles ok ist, damit ich beruhigt gehen kann"
Er versucht die Tür zuzudrücken, doch obwohl er sehr gut gebaut ist, ist er doch etwas zierlich und ich bin somit starker.„Bitte geh einfach, ich will meine Ruhe", meint er dann schwach und lehnt sich an die Tür.
Er sieht echt scheiße aus. Nicht mal, wenn er nicht mein Auftrag wäre, würde ich jetzt gehen, denn sonst würde ich wohl den ganzen Tag darüber nachdenken, was mit ihm los ist. Denn tief in meinem Inneren bin ich dich nicht so ein kalter Stein wie ich es gerne wäre.„Sag mir zuerst, was los ist", fordere ich unnachgiebig.
Dass er das allerdings nicht hier im Flur machen wird, ist mir schon klar, deshalb schließe ich einfach die Tür und ziehe ihn ins Wohnzimmer, das gleich am Flur anschließt.Auf dem Sofa setze ich ihn ab und sehe ihn dann auffordernd an. Er tut mir echt hart leid. Normalerwiese bin ich ziemlich genervt, wenn Leute mir was vorjammern, aber bei Cas ist es irgendwie anders.
Aus unergründlichen Gründen will ich mich um ihn kümmern.
Vielleicht einfach, damit es leichter wird, ihn rumzukriegen. Doch so einfach ist das nicht, denn er starrt einfach nur gerade aus und scheint in einer dunklen, trostlosen Welt festzustecken.
Aber vielleicht ist es für ihn auch einfach die Realität.Ich weiß nicht wirklich, was ich machen soll, aber gehen kann ich auf keinen Fall, weshalb ich versuche, sein Gesicht zu mir zu drehen.
Doch er drückt dagegen.„Cas" Ich spreche seinen Namen eindringlich aus und er gibt den Widerstand auf.
Widerwillig sieht er mich aus seinen glanzlosen blauen Augen an.
„Wieso bist du so traurig?", frage ich ihn, als wäre ich es selbst. Irgendwie bin ich es auch, seit ich ihn so sehen muss. Er wirkt so... gebrochen...Er zuckt mit den Schultern. „Wieso sind alle anderen immer glücklich? Denkst du denn, all diese lachenden Menschen schreien nicht innerlich, getrieben von Angst und Verzweiflung um Hilfe, in der letzten Hoffnung irgendjemand hört sie? Willst du wissen, wieso sie trotzdem lachen?" Er macht eine kurze Pause, aber nicht lang genug, damit ich etwas dazu sagen kann. „Weil sie wissen, dass selbst, falls jemand es hören sollte, niemand zuhört. Entweder es interessiert es keinen oder alle haben zu viel mit sich selbst zu tun, aber am wahrscheinlichsten ist, dass jeder mit seinem eigenen Scheiß klarkommen muss, daran zerbricht, genauso sehr auf Hilfe hofft, wie alle anderen auch, aber gleichzeitig mit ihnen abstürzt und jede Sekunde, die fallend vergeht, verringert die Chance, dass du jemanden findest, der dich auffangen kann, wieso du immer und immer tiefer in diesen Abgrund fällst und dich somit von allen entfernst, die dir irgendwie helfen könnten wenn sie es denn wollten.
Wieso ich also traurig bin? Weil ich schon lange am Boden dieser Schlucht liege, ohne die Chance, jemanden zu erreichen, der mir da raus helfen könnte."
Er lacht leicht sarkastisch, deutlich schmerzhaft.
"Lucas ist immerhin nicht mehr da und er wird es nie wieder sein, also werde ich einfach liegen blieben, versuchen das Ende der Schlucht zu erkennen, während ich mich auf genau eines verlassen kann: Mein Glück ist mit Lucas gestorben"
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Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)
Teen FictionEinen Job, der Spaß macht, eine eigene Wohnung, keine Geldsorgen und komplett zufrieden mit den sozialen Kontakten. So sieht Castors Leben aus. Auf den ersten Blick beneidenswert, wäre da nicht die Sache, die sich hinter der ersten Schicht verdeckt...