26: Die Aufnahme

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Castor:

Gelangweilt sitze ich im Studio und höre mir die Aufnahmen vom letzten Mal mit Jack an.
Bei jeder habe ich das Gefühl, es wird immer schlimmer, ohne scheiß.

Wie zum Teufel bin ich auf die Idee gekommen, der Typ konnte mein Lied singen?
Er kann nicht mal den verfickten Takt einhalten.
Toll, jetzt habe ich umsonst Wochen für das Lied verschwendet und es landet in der Tonne, weil ich ihm ein Neues schreiben muss.

Ganz ehrlich, ich versuche es noch einmal und wenn das dann nichts wird, dann suche ich nach Möglichkeiten, ihn aus dem Vertrag zu entlassen.
Jack regt mich nur noch auf.

Trotzdem muss ich diese Kack Aufnahmen aber durchgehen und das mache ich.

Ein paar Teile, die ganz okay sind, schneide ich raus und übertrage sie auf eine andere Tonspur. Vielleicht kann man damit irgendetwas machen.
Der Rest kommt alles in die Tonne.

Als ich bei der letzten Aufnahme angelangt bin, freue ich mich darauf, endlich fertig zu werden.
Ich starte sie und höre mir den Scheiß an.

Toll, gleich mal den Einsatz verpasst.
Super Jack, wie oft hast du das Lied denn schon gesungen?
So ein Spast.

Viel zu spät beginnt er zu singen, aber wenigstens die richtige Stelle. Es gibt noch Hoffnung.

Sofort, als ich diesmal die Stimme auf der Aufnahme höre, setze ich mich im Stuhl aufrechter hin.
Na nu.

Das klingt ja gar nicht mal so scheiße.
Es geht weiter und ich muss sogar lachen.
Nein, das klingt echt nicht scheiße. Im Gegenteil, das ist genau das, was ich hören wollte, wenn nicht sogar besser.
Er hat sogar Engagements eingebaut, die nicht von mir geplant waren.

Bei einer Stelle macht mein Herz einen Purzelbaum, während ich eiskalt eine Gänsehaut bekomme. Ungläubig höre ich mir die Aufnahme immer wieder an. Bis auf das, das er den Einsatz verpasst hat, ist es fucking perfect.

Holy moly, wie zu Hölle hat er das denn hinbekommen?

Doch mir fällt etwas auf, als mir die Tränen über die Wangen laufen.

Der Typ, der da singt, kann unmöglich Jack sein.
Aber wer ist es dann?
Und wieso reagiert mein Herz so auf seine Stimme?

Verdammt, da ist so viel Gefühl mit drin.

Ich weiß nicht, wieso, doch ich muss lächeln.
Jetzt muss ich nur noch wissen, wer das aufgenommen hat und ich habe den perfekten Sänger für meine Lieder, die zuhause in meinem Schreibtisch verrotten, weil es keiner hinbekommen hat, sie zu singen.

Diese Stimme ist einfach unglaublich.

Schnell ziehe ich die Aufnahme auf einen USB-Stick und renne damit zu Vince ins Büro.
Ohne anzuklopfen gehe ich hinein.
Dass seine Tochter gerade zu Besuch ist, interessiert mich nicht.

Ich ignoriere ihre Blicke, gehe um den Tisch herum und stecke den Stick in seinen PC.
„Was soll das werden?", fragt Tanja missbilligend. „Zeigst du nicht ein bisschen Respekt?"

Ich kann sie nicht beachten, so sehr bin ich noch gefesselt von der Stimme.
Vince sieht mir nur belustigt zu, bis ich die Aufnahme abspielen lasse. Sogar durch das schlechte Mikro an seinem PC klingt sie noch wunderschön.

Wie ich vorhin wird Vince sofort aufmerksam und richtet sich auf. „Ist das der Song, den du für Jack geschrieben hast?", fragt er gefesselt.
Ich nicke. „Aber das ist nicht Jack, der ihn singt. Ich habe keine Ahnung, wer sich in mein Studio geschlichen hat, aber wer auch immer es war ist ein verdammtes Naturtalent und ich will ihn unter Vertrag nehmen"

Vince nickt, und sieht zu mir hoch. „Finde raus, wer das ist und nimm ihn, egal wie."

Schnell und voller Tatendrang nicke ich und nehme meinen USB-Stick zurück.

Ich will das Zimmer wieder verlassen, aber Vince hält mich durch seine Stimme auf. „Ach und Castor?"
Ich drehe mich beim Gehen zu ihm um und sehe ihn fragend an.
„Der Song ist große Klasse geworden"
Dankbar lächle ich ihn an. Das von ihm zu hören, bedeutet mir echt viel, weil ich weiß, dass er davon echt eine Ahnung hat und es ernsthaft bewertet, immerhin hängt unser Verdienst davon ab.

Als ich wieder ins Studio gehe, versuche ich die Tonspur verschieden zu bearbeiten, um herauszufinden, wie seine Stimme wohl beim Sprechen klingt.
Wenn er Zugang zu meinem Büro hat, muss ich ihn ja wohl kennen. Aber ich komme nicht darauf.

Ich versuche Stunden lang, doch je länger es dauert, desto enttäuschter werde ich.
Was, wenn ich ihn nicht finde?

Ich lege eine Pause ein, die ich eigentlich zum mir selbst Mut machen nutzen will, doch stattdessen klingelt mein Handy und Dan ruft mich an.
Ich nehme seufzend ab. „Was gibt's?", frage ich.
Er hört bestimmt, dass ich erschöpft bin.

„Wollte eigentlich mit dir ein paar Runden laufen, aber du scheinst gar nicht wirklich viel Elan zu haben. Was ist los?" Er kling echt besorgt, was mir ein Schmunzeln auf die Lippen zaubert. „Irgend so ein Typ hat in meinem Studio mein Lied gesungen, aber ich weiß nicht, wer es war. Aber, Dan, es ist so gut. Oh mein Gott, der Typ hat das besser gesungen, als ich es geplant hatte. Jack war es jedenfalls nicht. Wenn ich diesen Kerl finde, nehme ich ihn sofort unter Vertrag und lasse ihn all meine anderen Lieder singen, die die anderen nicht hinbekommen. Du glaubst gar nicht, was der für ein Talent hat..."
„Jetzt atme doch mal", beruhigt mich Dan. Ups, ich habe echt vergessen zu atmen.
Dementsprechend schnell muss ich jetzt schnaufen.

„So und jetzt nochmal von vorne. Jemand hat in deinem Studio was aufgenommen und du feierst das jetzt total und willst den Kerl finden?"
Ich nicke, was er aber nicht sieht. „Ja ich muss ihn finden."

„Wann wurde das denn aufgenommen?", fragt Dan.
Ich bin ihm dankbar, dass er mir helfen will, obwohl ich nicht recht weiß, wie er das machen will. „Kurz nach Jack, also nach dem wir das Studio verlassen haben. Und ich hab gar nicht abgeschlossen, fällt mir jetzt ein. Das heißt, jeder hätte Zutritt gehabt. Aber warum sollte jemand das aufnehmen, immerhin hast sich ja so quasi illegal Zutritt verschafft..." Ich grüble so vor mich hin, bis Dans Stimme sich wieder meldet. „Vielleicht war es gar nicht seine Absicht was aufzunehmen und er hat nur so herumgealbert und dann ist es eben so passiert", schlägt er vor.

Ich schnaube. „Als ob jemand so dumm ist. Das war sicher Absicht. Der Typ will eine Schnitzeljagd mit mir spielen", vermute ich.
Dan lacht. „Ich glaube, du interpretierst da echt zu viel rein. Vielleicht will er ja auch gar nicht gefunden werden. Oder hast du einen Hinweis gefunden, sherlock?"
Naja, da hat er Recht.

„Nein, aber trotzdem. Ich hab's im Gefühl. Er wartet nur darauf, meine Lieder singen zu dürfen"
„Da bin ich mir sicher", lacht Dan.
Toll, jetzt hat er aufgehört mich ernst zu nehmen. Arschloch!

„Weißt du was? Du kannst mich mal. Lauf alleine, bis ich den Kerl gefunden habe und er meine Vertrag unterschrieben hat"
Nach diesem Worten lege ich auf und versuche weiter irgendwelche Anhaltspunkte auf den Mysteriösen Sänger zu finden.

Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt