Daniel:
Ich muss Cas fast ins Haus zerren, weil er nicht rein will.
Aber als er dann die Tür aufschließt und vorsichtig öffnet, geht er von alleine rein. Ich bleibe nah hinter ihm, damit er nicht weglaufen kann. Da muss er jetzt durch.Und er tut es, denn als wir ins Wohnzimmer kommen, sehen wir Miranda mit einem Kühlakku im Gesicht auf dem Sofa sitzen und Michael neben ihr.
Als spüren sie, das wir hier sind, sehen sie zu uns.
„Es tut mir so leid", haucht Cas.
Ja, was er mit Miranda getan hat, sollte ihm echt leidtun, denn sie hat ein fettes blaues Auge.
Michael seufzt. „Ist schon okay, Castor. Nimm bitte einfach deine Sachen und geh"
Er presst die Lippen zusammen und nickt, ehe er sich umdreht und die Treppen hochgeht.Ich bleibe hier stehen. „Er bereut es wirklich, Miranda. Er ist noch nicht so stabil, wie es den Anschein hat."
Miranda nickt. „Es ist wirklich okay, Daniel. Sag ihm, er soll ich keine Vorwürfe machen."
Michael seufzt wortlos und ich gehe hoch zu Cas.Wir haben unsere Sachen nicht wirklich ausgepackt, daher sitzt er neben den fertigen Taschen auf dem Bett und schaut trübselig auf den Boden.
Ich knie mich vor ihn. „Hei, sie sind nicht sauer. Sie wollen jetzt nur in Ruhe Hochzeitsnacht feiern", meine ich.
Er lacht sarkastisch. „Ja, aber ohne das mein Dad ihr ins Gesicht sehen kann"
„Dann soll er halt die Augen zumachen", schlage ich vor.
Er schüttelt den Kopf. „Lass uns einfach gehen."Seufzend steht er auf und nimmt unsere Taschen, aber ich nehme sie ihm ab. Ich weiß, er könnte sie auch tragen, aber ich will das eben so. Er hat auch nichts dagegen, wirft seinem Zimmer noch einen Blick zu, ehe wir raus gehen.
Als wir wieder unten ankommen, erwartet uns Miranda an der Tür.
Sie hält Cas einen Schlüssel hin. „Der ist von meinem alten Haus. Richard wohnt da nicht mehr, ich kann es nicht mehr gebrauchen und Coleen wohnt bei Cody, das heißt, du kannst es haben." Sie lächelt ihn an.
Zaghaft nimmt Cas den Schlüssel. „Danke."
Sie streicht über seine Wange. „Lucas' Zimmer ist genauso, wie ihr es verlassen habt."
Er nickt und umarmt sie dann. „Es tut mir wirklich leid, dass ich dich erwischt habe"
„Schon gut, Spätzchen"Wir verabschieden uns noch von seinem Vater und verlagern uns dann ins Auto.
Cas sagt mir den Weg, den wir zu seinem Haus fahren müssen.Staunend parke ich in der Auffahrt. „Wie reich sind die denn bitte?"
Er zuckt mit den Schultern und steigt aus.
Wir nehmen unsere Taschen und er öffnet mir die Tür, damit wir rein gehen können.
Wow, das sieht hier alles total edel aus.„Soll ich dir Lucas' Zimmer zeigen?", fragt er mich kleinlaut.
Ich nicke. „Klar, ich würde es gern sehen"
Dann lächelt er zaghaft und zieht mich auf eine Treppe zu.
Vor einer Tür mit dem Schild. „Nerv mich nicht!" bleiben wir stehen und Cas öffnet sie langsam.Dahinter verbirgt sich ein ordentlich aufgeräumtes Zimmer, doch außer ein paar Bildern von Coleen und Lucas, gibt es hier nicht viel an Deko.
„Wieso gibt's hier keine Bilder von dir?", frage ich, während ich durch das Zimmer gehe. „Er hat eigentlich die komplette Zeit, die wir zusammen waren, bei mir verbracht. Wir sind nur ein paar Mal hierher, um Sachen von ihm zu holen."
Ich nicke verstehend.„Wie lange wart ihr eigentlich zusammen?"
Daraufhin lacht er leicht. „Das klingt so lächerlich, aber wir waren nur ungefähr einen Monat offiziell zusammen"
Wow, das ist echt wenig, wenn man bedenkt, was Cas schon so alles erzählt hat.„Wieso nur so wenig?", rutscht es mir raus.
Er wirft sich auf das Bett und riecht dann den Kissen, kurz danach winkt er mich zu sich. „Komm her."
Also setze ich mich zu ihm.Cas schiebt seinen Hemdärmel nach oben und deutet auf die Narben in seiner Armbeuge. „Als ich 16 war, hatte ich meinen ersten Freund. Er hat mich Heroinabhängig gemacht. Als Lucas das rausgefunden hat, hat er mich komplett von der Außenwelt abgeschottet und mich auf kalten Entzug gesetzt, bis ich clean war. Kurz danach hab ich mich in der Schule offiziell geoutet, weil ich keine Lust mehr hatte mich zu verstecken. Das kam nicht so gut an, also habe ich die Leute provoziert, indem ich mir Kleider angezogen und mich wie ein Mädchen verhalten habe, um so das Klischee zu erfüllen. Ich hab in der Zeit gar nicht bemerkt, dass es Lucas total scheiße ging. Ich hab mein Ding durchgezogen und er seins. Wir haben uns einfach auseinander gelebt. Zwei Jahre danach sind wir nach einer Partynacht nackt nebeneinander aufgewacht. Ich weiß bis heute noch nicht, was wir damals genau getrieben haben, aber ab da hatten wir wieder Kontakt. Ich hatte schon damals Depressive Phasen, seit ich clean war, und Lucas hat sich dann mal um mich gekümmert, sodass es mir wieder besser ging. Wir hatten wieder mehr Kontakt, haben uns wieder angefreundet uns so. Tja dann kams es wie es kommen musste. Ich hab mich in ihn verliebt"
Cas schnalzt mit der Zunge und redet dann weiter.
„Ich wollte es ihm sagen, aber ich hatte zu viel Schiss. Als ich die Gelgenheit hatte, hab ich ihn dann einfach geküsst und ihm gesagt, dass der Typ, von dem ich ihm vorher erzählt hab, in den ich verknallt bin, er ist. Rate mal, was er gemacht hat"„Äh dir eine Liebeserklärung", rate ich.
Er schüttelt lachend den Kopf. "Nein, er ist einfach gegangen"
Ungläubig sehe ich ihn an.Es scheint, als erzähle er mir gerade seine kompeltte Geschichte mit Lucas in der Kurzform. Und ich höre aufmerksam zu, während ich mal wieder dieses Strahlen in seinen Augen erkenne.
„Ich hab dann eine Freundin angerufen, die meinte ich soll zu ihr kommen und sie wollte mich trösten. Ich kannte sie noch nicht ganz so gut und es hat sich rausgestellt, dass sie die Schwester von meinem Drogendealer-Ex war. Er hat mich wieder abhängig gemacht, da war ich so 18. Wochenlang ging das so, bis Lucas es gecheckt hat und mich wieder auf Entzug gesetzt hat. Ich war so schlimm zu der Zeit. Ich wollte nicht mal clean werden. Er hatte es echt schwer mit mir" Er lächelt leicht. „Aber dann hat er mir gesagt, dass er mich liebt und will, dass ich wieder auf die Beine komme, also hab ich den Entzug durchgezogen. Danach hat er mir erklärt, dass er Abstand zu mir halten wollte, weil er nicht wusste, wie ich darauf reagiere, wenn er mir sagt, dass er HIV-Positiv ist. Dann sind wir so quasi richtig zusammen gekommen, wir haben den Test gemacht, davon hab ich dir ja schon mal erzählt. Ein paar Wochen später war so eine Kursfahrt. Ich wollte sie einfach schwänzen, aber Lucas war so zum Kotzen pflichtbewusst und zuverlässig, deshalb wollte er mitfahren. Also sind wir mitgefahren. Am Flughafen wurden dann aber bei uns Drogen gefunden und weil man sie bei mir nachweisen konnte, bin ich in den Knast gekommen"
Überrascht keuchte ich.
„Nur für ein paar Tage. Dann haben sie erst festigst, dass da nirgends meine Fingerabdrücke drauf waren und ich auch kein Motiv hatte, eine Waffe und Drogen zu schmuggeln, sondern, dass mein kranker Psycho Ex dafür verantwortlich war. Ich bin frei gekommen. Lucas hat mich bei der Polizei abgeholt. An diesem Abend hatten wir unser zweites Date." Er lächelt, doch langsam wirkt es traurig.„Es war alles so verdammt perfekt. Aber bei unserem Rückweg zum Hotel ist dann mein Ex aufgetaucht."
Alter, wenn er mir jetzt sagt, das ist die Stelle, an der er ihn abgeknallt hat...
„Ich hab versucht ihn zu beruhigen, weil er mit einer Waffe auf uns gezielt hat und total auf Drogen war, aber er hat nicht hören wollen. Dann hat er angefangen mit Lucas zu diskutieren. Der letzte Satz, den er gesagt hat war: „Wenn ich ihn nicht haben kann, kannst du ihn auch nicht haben" Seth hat auf mich geschossen, aber Lucas hat sich vor mich gestellt und die Kugel hat ihn in die Lunge getroffen. "Er schüttelt ungläubig den Kopf. „Seth ist einfach abgehauen und Lucas lag da im verfickten Regen in meinen Armen und war am verbluten. Ich hab versucht, die Blutung irgendwie zu stillen und habe einen Krankenwagen gerufen. Ich habe Lucas gesagt, dass alles wieder gut wird, dass es nur ein Streifschuss sei. Er wollte lachen, aber es kam nur Blut aus seinem Mund. Er ist immer wieder bewusstlos geworden. Im Krankenwagen hat sein Herz aufgehört zu schlagen. Ich weiß gar nicht, wie oft sie ihn Reanimiert haben, bis wir im Krankenhaus angekommen sind. Aber auf dem Weg ins OP ist er dann endgültig gestorben."
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Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)
Teen FictionEinen Job, der Spaß macht, eine eigene Wohnung, keine Geldsorgen und komplett zufrieden mit den sozialen Kontakten. So sieht Castors Leben aus. Auf den ersten Blick beneidenswert, wäre da nicht die Sache, die sich hinter der ersten Schicht verdeckt...