55: Wahre Liebe

2.3K 172 48
                                    

Daniel:

Cas dieses Ultimatum zu stellen, war das dümmste, was ich je getan habe.

Ich weiß doch, dass er sich niemals für mich entscheiden wird. Und eigentlich will ich ihn auch gar nicht so unter Druck setzen. Vor allem nicht, nachdem ihm dieser Scheiß passiert ist, aber ich kann einfach nicht mehr.

Ich kann nicht in seiner Nähe sein und mich um ihn kümmern, wenn ich ihm noch so viel näher sein will.

So lange habe ich eingesehen, dass er nach allem, was er erlebt hat keine normale Beziehung mit mir führen können wird und das verlange ich ja auch gar nicht. Ich will einfach nur hören, dass er genauso für mich fühlt, wie ich für ihn.
Aber ich ahne schon, dass es soweit niemals kommen wird.

Serenas Dauer-gute-Laune kann mir jetzt gestohlen bleiben und ihr besorgter Gesichtsausdruck ebenfalls, deshalb gehe ich zu Robin.

Wenn ich nicht bei Cas oder zuhause war, war ich in letzter Zeit nur bei ihm und habe mit ihm und Brooklyn gechillt.
Die beiden sind echt das absolute Traumpaar, selbst wenn ihr ständiges Gekuschel schon manchmal nervt, aber irgendwie gibt es auch Hoffnung.
Hoffnung, darauf, dass es die wahre Liebe wirklich gibt.

Aber das ist keine Gewissheit und so werde ich bitter enttäuscht, als ich vor der Tür von Robin und Brooks kleinem Haus stehe und von drinnen Poltern und Krachen höre.
Ich klingele sturm, weil sich eine schreckliche Szene vor meinem inneren Auge abspielt.

Ich mag Brooklyn, doch ich vertraue ihm nicht. Und ich weiß, dass diese Geräusche da drinnen nichts Gutes bedeuten.

Kurz bevor ich ernsthaft darüber nachdenke die Tür einfach einzutreten, wird sie aufgerissen und Robin packt mich ohne zu zögern am Arm und rennt mit mir weg.
Ich höre Brooklyn noch schreien, aber das nehme ich schon gar nicht mehr war, weil ich nur meinen Bruder rennen sehe und ihm hinterher eile.

Erst als wir in der Stadt und somit er näher an meiner Wohnung ankommen, beruhigt er sich und bleibt stehen, sodass ich ihn mustern kann.
Er atmet schwer, doch das ist nicht das einzige.
Wie vermutet sieht er einfach schrecklich zugerichtet aus.

Er sieht mich mit einem Blick an, der wohl alles erklärt, ehe er sich mir in die Arme wirft und losschluchzt.
Ich halte ihn fest. Ungläubig, geschockt, beschriebt nicht mal annähernd was meinen Zustand gerade ausmacht.

Wie konnte Brooklyn es wagen, Robin das wieder anzutun? Wie kann das überhaupt passieren? Brooklyn scheint immer so nett, wirklich so als würde er Robin aus tiefstem Herzen lieben...
Was löst die Wut in ihm aus, dass er Robin das antut, dass er aus meinem fröhlichen und verschmitzten Bruder dieses weinende Häuflein Elend macht?

Fest drücke ich ihn an mich und streiche seinen Rücken auf und ab. Er bekommt einen kleinen Kuss auf die Wange. „Alles ist ok, Robin, ich hab dich", murmele ich.
Er schnieft und schluchzt haltlos.

Ich kann ihn so gut verstehen. Selbst in meiner Lage würde ich am liebsten heulen, aber Robin geht es so viel schlechter.

Sobald er ruhig genug ist, damit wir weiter gehen können, bringe ich ihn in meine Wohnung.

Er sitzt nun komplett ruhig auf meinem Bett und starrt auf den Fußboden.
Seufzend knie ich mich vor ihn. „Wieso hat er das getan?", frage ich Robin einfühlsam.
Er streicht sich die Tränen weg. „Er hat mir vorgeworfen, ich würde, wenn wir im Fitnessstudio sind, die anderen Typen auschecken, aber das stimmt nicht, doch es war mir zu blöd, mich immer rechtfertigen zu müssen, also hab ich gesagt vielleicht sollte ich das echt mal machen und mir einen suchen, der weniger krankhaft eifersüchtig ist, dann hat er gesagt, ich soll mich verpissen, ich hab gesagt, ich zahle den meisten Anteil der Miete, also soll er sich verpissen, dann wollte er echt gehen, aber ich wollte gar nicht, dass er geht, also hab ich gesagt, er soll hierbleiben und einfach aufhören mir zu unterstellen, ich würde mich nach andere umschauen, aber er ist immer wütender geworden und ja... Du sieht es ja..." Er seufzt und fährt sich durch die Haare „Ich hätte ihn nicht so provozieren dürfen", murmelt er.

Ich kann nicht glauben, dass er sich dafür auch noch selbst die Schuld gibt. Streits sind doch total normal in einer Beziehung, aber seinen Partner so zuzurichten und das auch noch regelmäßig überschreitet eine Grenze, die ein tabu sein sollte.
Es gibt nichts, das da rechtfertigt.

„Du hast keine Schuld daran, Robin", rede ich ihm ein.
Er glaubt mir nicht, also gebe ich nach ellenlanger Diskussion auf und drücke ihm einen Kleiderstapel in die Hand, damit er duschen und sich das Blut wegwaschen kann.
Sobald er im Bad verschwunden ist, gehe ich zurück.

Brooklyn kann was erleben.
Ich habe Robin Schlüssel aus seiner Hose stibitzt, weshalb ich in das Haus gehen kann, ohne zu klingeln.
Aber leider knarzen meine Schritte laut auf dem Boden, weshalb Brooklyn in den Flur springt. „Schatz, ich..."
Er verstummt sorfort, als er mich sieht.
Er sieht echt fertig aus, fast so als hätte er mit jedem Mal als er Robin geschlagen hat sich selbst verletzt, doch bei ihm ist es kein Körperlicher Schmerz. Bei Robin schon.

„Wo ist er?", fragt er kleinlaut. So ein Arschloch. Ohne ihn zu beachten gehe ich an ihm vorbei und in sein Zimmer.
Ich packe eine von Robins Sportaschem mit ein paar seiner Sachen voll.
Brooklyn folgt mir natürlich. „Was machst du da? ", fragt er leicht ängstlich, als ich Robins Shirts in seinebTasche stopfe.

„Robin bleibt für die nächste Zeit bei mir, solange, bis du endlich rausfindest was mit dir nicht stimmt oder er endlich checkt, dass er dich verlassen sollte. Und glaub mir, ich werde mein Bestes tun, um ihm zweites bewusst zu machen"
Verhasst schaue ich ihn an. Prinzip mag ich Brooklyn als Mensch schon, wäre da nicht diese kleine Tatsache, dass er meinen Bruder misshandelt.

Ich verstehe einfach nur nicht wieso. Er scheint es ja echt zu bereuen. Aber das macht es nicht wieder gut.

„Daniel, ich weiß, wie das aussieht, aber ich will ihm wirklich nicht wehtun. Ich liebe ihn..." Er versucht mich zu überzeugen, Robin zu ihm zurück zu lassen, aber es gibt kein Argument, das überzeugend genug ist, um ihm meinen Bruder wieder anzuvertrauen.

„Vergiss es, Brooklyn. Es reicht. Das geht jetzt schon über ein halbes Jahr so, Rob hat mir alles erzählt. Ich lass nicht zu, dass du ihn auch seelisch kaputt machst. Ich weiß, dass er dich liebt, das wissen wir beide. Er würde dich niemals freiwillig verlassen, aber wir wissen auch, dass du ihm nicht gut tust." Ich seufze. „Ich will eure Liebe gar nicht zerstören, ich will nur, dass du rausfindest, wieso du solche Aggressionsprobleme hast und was dagegen tust. Und wenn es sicher für Rob ist, und er noch zu dir zurück will, dann unterstütze ich das auch. Aber so..."

Brooklyn kommt schnell auf mich zu, sieht mich verzweifelt an. „Du kannst das nicht entscheiden, du kannst ihn mir nicht wegnehmen. Er ist 25, er kann selbst entscheiden, wo er sein will und er will bei mir sein. Ich werde es nie wieder machen, ich verspreche es. Wenn ich das nächste mal bemerke, dass ich sauer werde, dann sperre ich mich ein oder sonst was. Aber bitte nimm ihn mir nicht weg"

Bedauernd schüttele ich den Kopf. „Es tut mir leid, Brooklyn. Ich will das Risiko nicht eingehen. Lass dich endlich untersuchen" Mit diesem Worten packe ich Robins Tasche und gehe an Brooklyn vorbei.

Ich weiß, eigentlich ist es nicht mein Recht mich in die Beziehung meines Großen Bruders einzumischen, aber wenn er sich nicht selbst vor Brooklyn schützt, muss ich es eben tun.
Auch, weil ich das Gefühl habe, dass Brooklyn das nicht einfach so auf sich sitzen lässt.

Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt