56: Der bestimmte Punkt

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Castor:

Es piept acht Mal und ich will schon auflegen, als ich Codys Stimme höre. „Cas?", fragt er etwas ungläubig.
„Hei, Bro", gebe ich zurück.
„Na, dass du dich auch mal freiwillig meldest", meint er vorwurfsvoll, aber auch merklich erfreut. Seine Stimme bringt mich fast zum Heulen.

Ich wollte stark sein, wollte ihn anrufen, um ihn um Rat zu fragen, aber jetzt, wo ich meinen besten Freund höre, will ich einfach nur, dass er hier ist und mich festhält. Sowie früher.

„Cas?", fragt er unsicher, als ich schluchzen muss.
Ich schniefe einmal. „Hast du Zeit zu reden?", frage ich mit belegter Stimme.
Am anderen Ende der Leitung raschelt es kurz, ehe er antwortet. „Ja klar. Ich musste nur schnell aus dem Schlafzimmer raus, Coleen ist schon eingeschlafen", meint er.
Ich lache leicht. „Schon? Es ist vier Uhr morgens"
„Oh", höre ich von meinem Freund. Ich liebe seine Verpeiltheit.

„Wie auch immer", meint er deutlich verlegen. „Was ist denn los?" Er atmet tief durch und ich höre Geraschel. Ich kann mir gut vorstellen, wie er sich gerade auf das Sofa in seinem Wohnzimmer wirft.
„Ich weiß nicht so recht", murmele ich. Cody ist ja nicht wirklich auf dem neusten Stand...

„Hat's was mit diesem Daniel zu tun?" Cody klingt echt angepisst, als er seinen Namen ausspricht.
„Ich glaube schon", antworte ich leise, beiße mir kurz danach nervös auf die Lippe.
Cody seufzt. „Ich könnte dir jetzt sagen, ich hab's dir ja gesagt... Nein warte ich sag es dir: ich hab's dir ja gesagt. Der Typ ist doch einfach nur..."

Bevor er sich in Rage redet, unterbreche ich ihn. „Er hat mich geküsst."
Es ist kurz still.
„Und ich habe ihn geküsst"

Einige Sekunden passiert dann gar nichts und ich will schon fragen, ob er noch dran ist, bis ich ein gekreischtes „Was?!" höre.

Ich erschrecke mich leicht, muss aber trotzdem ein bisschen schmunzeln, weil ich mir seinen fassungslosen Gesichtsausdruck so gut vorstellen kann.

„A-aber wieso?", stottert er dann total überfordert.
Ich zucke mit den Schultern, was er aber nicht sieht.
Dann seufze ich. „Sein Dad ist der Konkurrent von meinem Boss und der hat irgendwie von meinem Drogenproblem erfahren und alte Bilder gefunden, auf denen ich mir was spritze und sie an meine Arbeitsstelle aufgehängt und erpresst jetzt meine Chef damit, dass er noch viel schlimmere Dinge über mich hat, die meinen Ruf komplett zerstören könnten. Ich hab Dan vorgeworfen, dass er all das seinem Vater über mich erzählt hat, wir haben diskutiert und ich habe ihn gefragt, welchen Grund es gäbe, ihm zu glauben, dass er es nicht getan hat. Dann hat er mich geküsst. Dann hab ich in geküsst und oh mein Gott, es war so gut, Cody. Dan ist einfach so unglaublich. Ich mag ihn wirklich, wirklich wirklich sehr..."

„Ich freu mich ja für dich, aber 1. Wieso ausgerechnet Daniel? und 2. Naja... was ist mit Lucas?"
Ich seufze. „Die Fragen kann ich dir gleichzeitig beantworten. Weil ich Lucas wegen Dan habe gehen lassen. Aber ich bin irgendwie noch nicht so richtig bereit, ihm das auch zu zeigen. Und er hat mir ein Ultimatum gestellt. Er will, dass ich mich für ihn entscheide, bis in einer Woche. Wenn ich zu ihm komme, dann sind wir glaube ich zusammen und wenn nicht, dann wird er die Stadt verlassen und ich sehe ihn nie wieder..."

„Und was wirst du tun?" Cody klingt genauso überfordert wie ich mich fühle.
Ich wusste auch schon, bevor ich ihn angerufen habe, dass er mir nicht die perfekte Lösung präsentieren können wird und das ist auch völlig okay.
Ich habe es einfach gebraucht, seine Stimme zu hören, mir all das Mal von der Seele zu reden und zu wissen, dass es, egal wie ich mich entscheide, immer einen gibt, den ich niemals verlieren werde. Und ich weiß es unglaublich zu schätzen, dass Cody mir wirklich helfen will, obwohl er Dan absolut nicht leiden kann.

„Ich weiß es nicht. Beides macht mir irgendwie Angst, aber auf unterschiedliche Weise...", murmele ich.
Cody gibt einen nachdenklichen, aber zustimmenden Laut von sich. „Weißt du was? Ich werde vorbeikommen und wir besprechen das ausführlich."

Ich lache leicht. „Was? Nein. Du musst nicht extra kommen, Cody. Echt nicht. Mit geht's gut"
„Keine Widerrede, ich hab sowieso frei diese Woche. Und ich habe ohnehin keine Lust mit Coleen die ganze Zeit shoppen zu gehen, vor allem weil ich dann zahlen und Tüten schleppen muss", meint er, mit einem abwertenden Unterton.
Ich muss lachen. „Sag doch einfach, dass du vor deiner Freundin flüchten willst" So ist das gar nicht gemeint, aber dieser Themawechsel tut mir einfach gut.

Cody stöhnt genervt. „So ist das gar nicht. Ich liebe sie, aber wenn ich schon mal einen Grund habe, dich zu sehen, dann muss ich den auch nutzen. Ich vermiss dich echt hart, Kumpel".

Ich lächle leicht. „Ich dich auch, Cody."

Als es dann am meiner Tür klingelt, wimmele ich meine besten Freund ab, um zu sehen, wer da steht.
Etwas überrascht ziehe ich die Augenbrauen hoch, als ich den Mann erkenne. „Brooklyn"

Er zuckt mit den Schultern. „Ich wollte mit dir reden"
Etwas misstrauisch nicke ich und lasse ihn rein, nichts ahnend, dass das der größte Fehler meines Leben ist.

„Um was geht's?", frage ich ihn.
Ich bin noch ziemlich fit dafür, dass es 5 Uhr morgens ist...

„Um Daniel..."
Ich nicke verstehend und biege ihm etwas zu trinken an, als wir auf meinem Sofa Platznehmen.
Er lehnt ab, weil er meint, gleich wieder gehen zu müssen.

„In Anbetracht dessen, was dir passiert ist, finde ich, du solltest es wissen", meint Brooklyn.
Auf meinen fragenden Blick hin erklärt er sich. „Es weiß mittlerweile die ganze Stadt, dass du mal ein Junkie warst..."
Die Augen schließend atme ich tief durch. Toll... Ciao, Berufschancen...

„Und was hat das mit Danny zu tun?", frage ich dann etwas überfordert.
Aber die Antwort kommt schnell. „Naja... Also ich weiß nicht, wie ich dir das schonend beibringen kann, also sage ich es einfach, wie es ist. Sein Vater hat ihn beauftragt, dich in ihm verliebt zu machen, damit du ihm vertraust und ihm dann Geheimnisse erzählst, die er gegen dich verwenden kann. Ich hab dir doch gesagt, du sollst auf dich aufpassen. Genua das hab ich damit gemeint. Dan war noch nie ehrlich zu dir, alles aus eurer Beziehung ist eine einzige große Lüge, die er sich hat einfallen lassen, um dich zu hintergehen..."

Brooklyn hört auf zu reden, als wir zeitgleicht bemerken, wie mir die Gesichtszüge entgleisen.

„Tut mir echt leid", murmelt er dann, schlägt mir auf die Schulter, ehe er aufsteht und wieder geht.
Und ich sitze hier, starre auf die Stelle, an der er eben gesessen hat und fühle, wie mein Herz in tausend Teile zerbricht , die sich schmerzhaft in meine Seele bohren, nur um diese genauso zu zerstören.

Dan hat mich belogen?
Dan hat mich benutzt?
Dan hat mich verraten?
Dan hat nie etwas für mich empfunden?

Dan ist ein Heuchler, ein Lügner, der Verantwortliche für alles, was ich als nächstes tun werde.

Der verantwortliche dafür, dass ich nichts mehr habe, das mir einen Grund gibt zu leben.
Nicht nachdem ich Lucas aufgeben habe für nichts als eine Lüge, als den Wunsch, Dan würde so für mich empfinden wie ich für ihn.

Oft habe ich mich gefragt, wann endlich der Punkt erreicht ist, an dem ich einfach nicht mehr kann. Aber jetzt weiß ich es.
Es ist genau der hier.

Vertrauen ist auch nur ein Fehler (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt