P.o.v. Taehyung
Ich hatte immer so vieles in Jeongguk gesehen — er war immer irgendwie mein Zuhause gewesen. Doch jetzt war das einzige, das ich in ihm sehen konnte, pure Enttäuschung. Und das nahm mir alles, an das ich noch geglaubt hatte. Denn als er wieder auf mein Bett zusteuerte, sich vor dieses kniete und einen Blick darunter warf, war die Situation für mich klar. Entweder Jeongguk würde einen Schlussstrich ziehen, oder ich. Und zwar den letzten.
Jeongguk zog die Box unter meinem Bett hervor und zögerte nicht eine einzige Sekunde, sie zu öffnen. Niemals werde ich den Ausdruck in seinem Gesicht vergessen. Es tat mir so unfassbar leid, dass er das sehen musste. Es tat mir so unfassbar leid, ihn so enttäuscht zu haben.
Er sah sich alles ganz genau an, ehe er seinen Blick wieder mir zuwandte. So fassungslos hatte ich Jeongguk noch nie gesehen. Er nahm die Box in die Hände und kam langsam wieder auf mich zu. Vor mir ließ er sich auf die Knie fallen, sodass wir auf Augenhöhe waren. Langsam — quälend langsam — bewegte er seine Hände auf mich zu und legte diese schließlich jeweils auf einen meiner Arme. Seine Wut schien wie weggeblasen.
Mit dem Daumen seiner rechten Hand strich er vorsichtig über meinen Unterarm — über all die Schnitte. Mit den Fingern seiner linken Hand begutachtete er meine Armbeuge — meine durchstochene Haut. Ganz langsam schloss Jeongguk die Augen und legte seine Hände — diesmal unheimlich sanft — um meine Handgelenke. Ich hörte, wie er sich darum bemühte, ruhig zu atmen, was mich auch etwas ruhiger werden ließ. Er würde mir nicht mehr wehtun, er war wieder wie sonst. Doch es war genau das, was mir so eine Angst machte, denn was würde er jetzt sagen? Was würde er jetzt tun?
Seine Hände legten sich an meine Wangen und er richtete seinen Blick für den Bruchteil einer Sekunde in meine Augen. Uns beiden entwichen Tränen, doch Jeongguk strich meine mit seinem Daumen weg. Er atmete zittrig aus, ehe er seine Augen schloss und seine Stirn gegen meine lehnte. Auch ich schloss meine Augen und konzentrierte mich nur auf Jeongguks Nähe. Wir verweilten ein paar kurze Augenblicke so, bis der Schwarzhaarige wieder seine Stimme erklingen ließ.
»Taehyung, ich kann das jetzt nicht.«
Es war beinahe nur ein Hauchen, doch ich hatte jedes einzelne Wort verstanden. Er entfernte sein Gesicht wieder ein kleines Stückchen von meinem, weshalb wir uns nun ansehen konnten. Keiner von uns sagte mehr etwas. Es schien so, als wäre Jeongguk für einen Augenblick genauso hilflos gewesen, wie ich es war. Mein Kopf war wie leergefegt, doch das änderte sich innerhalb eines Wimpernschlags, als ich plötzlich Jeongguks Lippen auf meinen spürte.
Für den Bruchteil einer Sekunde war ich wie bewegungsunfähig, bis ich realisierte, was hier gerade passierte. Ohne darüber nachzudenken — es mir einmal richtig durch den Kopf gehen zu lassen — bewegte ich meine Lippen gegen die des Jüngeren. Der Kuss wurde immer inniger — Jeongguk wurde immer verlangender. Er zog mich näher an sich heran und auch ich versuchte ihm so nah wie möglich zu sein. Meine Hände legten sich wie automatisch um seinen Nacken, während Jeongguk seine auf meine Hüften legte.
Ich hätte gewollt — hätte gebraucht — dass es für immer so weitergehen würde; dass Jeongguk und ich uns für immer nur küssen würden. Doch er stoppte. Langsam entfernte er sich von mir und sah mir ein letztes Mal in meine Augen, bevor er mich noch einmal kurz küsste und dann in Windeseile aufstand und Richtung Zimmertür lief.
Nochmal drehte er sich zu mir um und blickte mich an. So sehr hatte ich mir erhofft, er würde noch etwas sagen, doch er blieb still und ließ mich, so durcheinander, wie noch nie zuvor in meinem Leben, auf dem Boden sitzen. Das war wohl etwas, das nur Jeongguk in mir anrichten konnte — mich im einen Moment zum glücklichsten Menschen der Welt machen, nur um mich gleich danach so zu verletzen, wie es noch niemals passiert war.
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No One Like You ᵏᵒᵒᵏᵛ
Fanfiction[ABGESCHLOSSEN] »We were all just humans drunk on the idea that love, only love, could heal our brokenness.« Nun war sie da, diese Zeit. Irgendwann musste sie eintreffen; das stand schon immer fest, allerdings bemerkten sie das alle erst, als es woh...