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P.o.v. Jeongguk

Noch immer lag mir diese eine Frage auf der Zunge, doch irgendetwas in mir wagte es einfach nicht, sie auszusprechen. Würde ich mir dadurch wirklich zu viel herausnehmen? Ich sah Hoseok abwartend an, so als hätte ich meine Frage schon längst gestellt, doch insgeheim hoffte ich, er würde es mir einfach von selbst erzählen — mir also zeigen, dass ich die Antwort kennen durfte. Allerdings passierte nichts. Es wurde still und ich merkte, dass der Ältere gerade ansetzen wollte, etwas zu sagen, doch ich wollte diese verdammte Ungewissheit nicht weiter mit mir herumtragen.

»Wie geht es ihm?«, kam es dann wie aus der Pistole geschossen. Ich wurde nervös — plötzlich war ich mir selbst nicht mehr sicher, ob ich es wissen wollte. Aber das war doch Schwachsinn. Natürlich wollte ich es wissen — ich musste es wissen.

Hoseok seufzte und sah zu Boden. Scheiße. Das konnte doch kein gutes Zeichen sein. Hatte ich denn wirklich so viel angerichtet? Ich erinnerte mich doch kaum — es ging alles so schnell. Ich versuchte mich zu erinnern, schaffte es aber nicht. Es war, als wären all die Erinnerungen daran ausgelöscht, ganz plötzlich. Als würde mir mein Verstand vorspielen, dass nie etwas passiert war — dass ich nie etwas falsch gemacht hatte. Doch das hatte ich, das war mir klar. Ich wusste, was ich getan hatte, nur konnte ich mein Verhalten nicht einordnen.

Umso länger Hoseok nichts sagte, desto klarer wurden die Bilder vor meinem inneren Auge. Ich versetzte mich eine Weile zurück in Taehyungs Zimmer. Ich erinnerte mich Stück für Stück. Immer mehr erlaubte mir mein Verstand wieder zu sehen, was genau ich verbockt hatte. Wie es Taehyung geht. Was war das denn für eine beschissene Frage? So, wie ich ihn angegangen war — ihn während dieses verdammten Chaos auch noch küsste und ihn dann mit all dem allein ließ — ging es ihm mit Sicherheit blendend. Ich war so ein Idiot.

»Er.. also.. ich war nicht lange bei ihm. Es scheint ihm zwar nicht gut zu gehen, allerdings nichts, was wir nicht hinbekommen würden, oder?«, meinte er selbst ein wenig ratlos. Was war das denn für eine Antwort? Es scheint ihm nicht gut zu gehen. Beinahe hätte ich lachen müssen, wäre diese Situation nicht so ernst.

Aber klar, wie lange hatte es gedauert, bis Hoseok an meine Tür klopfte, nachdem ich aus Taehyungs Zimmer gestürmt kam? Eine Minute vielleicht? Genau hatte ich es nicht bemerkt, doch viel länger konnte es nicht gewesen haben. Er war wohl wirklich nicht lange genug bei ihm gewesen, um sich ein richtiges Bild zu machen. Es sei denn Hoseok wollte mir kein schlechtes Gewissen machen. Wenn er nur wüsste. Ich hatte doch bereits die größten Schuldgefühle, die ich jemals hatte. Furchtbar, dass an diesem Tag so vieles passierte.

»Hat er was gesagt? H-Hat er noch geweint? Hoseok, du musst doch irgendwas gesehen haben!«, versuchte ich es weiter. Mag sein, dass er nicht viel von Taehyung mitbekommen hatte, bevor er zu mir kam, doch ich war mir sicher, dass er mehr wusste, als er mir sagte.

»Nein, er war still. Ich weiß nicht, ob er geweint hat. Ich glaube schon.«, erzählte er weiter und sah mich verletzt an. So — genau so — machte er mir viel eher ein schlechtes Gewissen.

»Bitte, ich weiß, dass das alles meine Schuld ist und ich eigentlich überhaupt nicht das Recht habe, zu wissen, wie es ihm geht, aber du musst mir mehr erzählen, Hyung. Ich trau mich nicht, zu ihm zu gehen.«, redete ich auf Hoseok ein und ließ ihn so an meinen Gedanken teilhaben, die mich langsam aber sicher wirklich quälten. Durfte ich, durfte ich nicht? Er sollte es einfach sagen. Eigentlich kannte ich doch die Antwort. Ich hatte gesehen, wie Taehyung aussah, als ich ihn einfach dort auf dem Boden hatte sitzen lassen. Und das war mehr als ›es scheint ihm zwar nicht gut zu gehen‹. Sogar viel mehr.

»Was willst du denn von mir hören, Jeongguk? Du kannst dir doch denken, wie es ihm geht, oder? Ich will dir wirklich keine Vorwürfe machen — ehrlich nicht — aber wie soll es ihm schon gehen, nach dem, was du abgezogen hast? Jeder von uns hat dich ihn anschreien hören. Du weißt doch, wie sensibel er ist. Du wusstest doch jetzt sogar, wie sensibel er ist!«, rückte Hoseok endlich mit der Sprache heraus. Und ja — er hatte recht, das wusste ich. Aber es zu hören machte es irgendwie einfach schlimmer.

No One Like You ᵏᵒᵒᵏᵛWo Geschichten leben. Entdecke jetzt