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     Lexy war ihm den ganzen Tag aus dem Weg gegangen und obwohl Rhys sie vermisste, konnte und wollte er nicht über seinen eigenen Schatten springen. In der großen Pause versuchte Cayden noch einmal, mit ihm zu reden, doch er sagte ihm klar und deutlich, dass dieser ihn in Ruhe lassen soll. Auch seine Geschwister versuchten ihn dazu zu bringen, dass er sich doch zumindest anhören sollte, was Cayden zu sagen habe. Rhys verdrehte nur genervt die Augen und setzte sich in der Pause allein in eine Ecke. 
     Um sich von seinen Gedanken und der Sehnsucht seines Wolfes nach seinem Gefährten abzulenken, holte er seinen Malblock heraus und begann zu zeichnen. 
Ohne darüber nachzudenken, ließ er seinen Fingern und Gedanken freien Lauf. Am Ende der Pause hatte er ein Bild seiner Freundin gezeichnet, was ihm bewies, dass sie ihm fehlte. Immerhin waren sie, seit sie Freundschaft geschlossen hatten, in der Schule täglich zusammen gewesen. Man nannte sie teilweise die siamesischen Zwillinge, weil man den einen nie ohne den anderen sah. Traurig packte Rhys nach dem Klingeln seine Stifte zusammen und ging wieder ins Klassenzimmer. Jetzt hatten sie Mathematik, ein Fach, welches er eigentlich mochte. Eigentlich! Denn ohne seine Freundin machte es ihm keinen Spaß.
     Rhys vegetierte die restlichen Schulstunden mehr oder weniger dahin. In der zweiten Pause kam Gregor zu ihm und wollte ebenfalls mit ihm sprechen. Er sagte, Jaron habe ihn gebeten, mit ihm zu reden, doch Rhys schickte ihn wieder weg, ohne ihn angehört zu haben. Er war eben ein Sturkopf.
     Endlich war Schulschluss und Rhys atmete erleichtert auf. Er wartete am Auto auf seine Geschwister. Da er in eine andere Klasse ging, wie die beiden, musste er warten, bis Jaron und Nika fertig waren. Seine Klasse durfte heute etwas früher gehen, da sie einen Test geschrieben hatten und alle bereits fertig waren. 
     Während er an Jarons Auto gelehnt da stand, spürte er, wie schon in den Pausen zuvor, Caydens Blick auf sich ruhen. Diesen ignorierte er jedoch geflissentlich. Endlich kamen seine Geschwister auf ihn zu und er atmete auf. Rhys hatte schon Angst gehabt, Cayden könnte erneut versuchen, mit ihm zu reden. 
     Während Jaron sich hinter das Steuer setzte und seine Schwester auf dem Beifahrersitz Platz nahm, kletterte er auf den Rücksitz. Nika konnte ihre Neugier nicht zügeln und sprach Rhys auf ein Thema an, das er im Augenblick keinesfalls erörtern wollte. „Ich habe gehört, du und Lexy hattet einen Streit“, begann sie und drehte sich zu ihm um. Rhys schnaubte nur, äußerte sich aber nicht dazu. „Hast du ihr wirklich indirekt vorgeworfen, sie würde dich belügen?“ Nika gab einfach keine Ruhe. 
     „Was interessiert dich das?“ Rhys sah sie wütend an. „Das geht dich nichts an, also hör auf zu fragen!“ 
    „Denkst du nicht, dass der Fehler vielleicht doch bei dir liegt?“, bohrte Nika weiter. „Ich habe mit Gregor gesprochen und er sagt das gleiche wie Cayden. Dein Mate hat nie auch nur gesagt, dass er keinen männlichen Omega möchte. Auch Gregor ist überzeugt, dass Cayden nur die Weiblichen meinte und der sollte es schließlich wissen, meinst du nicht auch?“ 
     Rhys verdrehte nur die Augen. „Ich weiß doch, was ich gehört habe! Und jetzt hör auf und lass mich endlich in Ruhe damit. Das geht dich nichts an“, wiederholte er sich. 
     Nika zuckte die Schultern. „Wie du willst. Aber spätestens, wenn deine Sehnsucht nach deinem Gefährten zu groß wird und du Schmerzen deswegen bekommst, wirst du zu ihm gehen müssen. Du schadest damit nur dir selbst, deinem Wolf und ...!“ 
     „Das lass mal mein Problem sein“, erwiderte Rhys patzig und unterbrach sie damit. Er war bereits wegen seines Wolfes Luca genervt, der voller Sehnsucht nach Cayden in ihm herumzuschleichen schien. 
     „Deine Schwester hat recht“, meldete sich eine Stimme in ihm auch gleich zu Wort. „Indem du uns von ihm fern hältst, schadest du nur uns selbst!“ 
     „Ach, lasst mich doch einfach alle in Ruhe“, fauchte er laut. „Wer fragt denn mich, wie es mir dabei geht?“ Damit steckte er sich seine Kopfhörer ins Ohr und machte die Musik an.
     Nika schüttelte nur betrübt den Kopf. „Er weiß gar nicht, was er Cayden mit seiner Weigerung antut. Ich hoffe nur, dass er bald vernünftig wird“, sagte sie zu Jaron, der schweigend dem Gespräch zwischen seiner Schwester und seinem Bruder zugehört hatte. 
     „Ich denke, das dauert noch. Du weißt, wie stur er sein kann und er erweckt mir nicht den Eindruck, als wolle er auf jemanden hören. Er hat deswegen sogar Streit mit Lexy und die beiden haben noch nie ernsthaft gestritten.“ Jaron warf einen kurzen Blick auf seine Schwester, die betrübt nickte. 
     „Cayden kann einem wirklich leidtun. Er als Alpha wird es da deutlich schwerer haben als Rhys. Vielleicht kann Paps ja mit ihm reden. Er hat mit Dad ja so etwas Ähnliches durchgemacht“, schlug Nika vor und sah Jaron nicken. 
     „Das wäre eine Möglichkeit. Hoffen wir mal das Beste. Nur schade, dass wir unsere Partner noch nicht gefunden haben. Ich bin gespannt, wie mein Mädchen aussehen wird“, sagte ihr Bruder und Nika lachte. 
     „Was würdest du tun, wenn es ein Omega wäre? Ein Junge, so wie es Cayden passiert ist?“, fragte seine Schwester neugierig. 
     Jaron zuckte die Schultern. „Wäre mir auch recht. Wenn ich unsere Väter sehe, wie glücklich sie miteinander sind.“
     Nika hob erstaunt eine ihrer schön geformten Brauen. „Aber du stehst doch auf Mädchen“, gab sie zu bedenken. 
     Jaron lachte leise. „Nicht nur“, gab er schließlich zu. „Ich finde auch ein paar Jungs ganz schnuckelig.“
     Verblüfft schwieg seine Schwester einen Moment. „Echt?“, fragte sie schließlich. „Na ja. Ich hoffe auf einen hübschen Alpha oder zumindest einen starken Beta“, sagte sie schließlich. „Aber er muss mir nicht unbedingt gleich über den Weg laufen. Ein bisschen Party würde ich schon noch gerne machen.“
     „Mir wäre am liebsten eine Beta oder eine Omega. Ich denke, mit einer Alpha hätte ich so meine Schwierigkeiten“, gab Jaron zu. 
     „Du gehst also davon aus, dass es ein Weibchen sein wird?“ Nika sah ihren Bruder von der Seite her an und dieser nickte. „Wieso glaubst du das?“, hakte sie nach.
     Jaron zuckte mit einer Schulter. „Männliche Omegas gibt es selten und schwule Betas noch seltener. Von schwulen Alphas habe ich noch nie etwas gehört! Außerdem ... wie sollen zwei männliche Alpha denn Nachwuchs bekommen? Und wer von beiden ist der Dominante und wer der Unterwürfige, wenn beide Alphas sind?“ Nikas Bruder schüttelte den Kopf und konzentrierte sich weiter auf die Straße. „Ich denke nicht, dass das funktionieren würde.“ Kurz darauf waren sie zu Hause angekommen und sie stiegen aus. Rhys lief sofort auf sein Zimmer, denn er wollte einfach nur seine Ruhe.

     Nachdem Rhys seine Hausaufgaben gemacht hatte, legte er sich auf sein Bett und hörte über seine Kopfhörer Musik. Er hoffte damit, seine inneren Stimmen verdrängen zu können. Und auch wenn ihm das auf diese Art gelang, so konnte er doch nichts gegen die Sehnsucht tun, die sein Wolf Luca ihn nach ihrem Gefährten spüren ließ. Frustriert drehte er sich von einer Seite auf die andere, als sein Vater, der Alpha, das Zimmer betrat. 
     Callen setzte sich zu ihm auf das Bett und wartete darauf, dass sein Sohn sich hinsetzte und die Kopfhörer aus dem Ohr zog. „Weißt du, Rhys Rickman-Carter. Ich bin ziemlich enttäuscht von dir“, begann Callen und er musste schlucken. Wenn sein Vater ihn bei seinem vollen Namen nannte, dann bedeutete das nichts Gutes. „Jaron hat mir erzählt, dass du dir noch nicht einmal Gregors Sicht der Dinge angehört hast. Außerdem kann ich nicht glauben, dass du alle beschuldigst, dich anzulügen. Gerade du spürst es doch, wenn jemand dich belügt“, gab der Alpha zu bedenken. Er bemerkte verärgert, wie Rhys trotzig die Lippen aufeinander presste und schwieg. Callen sah kopfschüttelnd dabei zu, wie sich sein Sohn immer mehr verschloss, was man an seinem Gesichtsausdruck erkennen konnte. „Hör zu. Es ist nun mal eine Tatsache, dass Cayden und du Gefährten seid. Obendrein ist es eine Tatsache, dass ihr beide irgendwann den Trennungsschmerz spüren werdet“, erklärte der Alpha und sah ihn eindringlich an. 
     „Sollte ich mitbekommen, dass du oder dein Mate Schmerzen haben, werde ich dir befehlen, dich auf deinen Gefährten einzulassen. Da ich weiß, wie stur du sein kannst, ermögliche ich dir, dies selbst zu regeln. Du solltest wissen, dass Cayden den Schmerz um ein Vielfaches schlimmer spüren wird, als du, weswegen ich hoffe, dass du bald zur Vernunft kommen wirst.“ 
     Rhys starrte schweigend vor sich hin. Hatten sich jetzt wirklich alle gegen ihn verschworen? Die Mondgöttin, weil sie ihm diesen Kerl als Mate zugedacht hatte. Lexy, die zu ihrem Bruder hielt. Seine Geschwister, die lieber Cayden glaubten, als ihm. Sein Vater, der sich Sorgen darum machte, der Alpha könne Schmerzen haben, weil er ihm fernblieb? 
     „Rhys, klär das endlich! Ich möchte dir keinen Befehl erteilen müssen.“ Nach diesen Worten stand sein Vater auf, wuschelte ihm kurz durch die Haare und verließ das Zimmer. 
     Zurück blieb Rhys, der ein bockiges Schnauben von sich gab. So schlimm konnten die Schmerzen der Trennung doch nicht sein, schließlich waren sie noch nicht miteinander verbunden. Oder doch? Mit einem frustrierten Laut ließ er sich nach hinten auf sein Bett fallen und starrte an die Decke. Dabei spürte er einen leichten Schmerz in der Brust, bei dem er dachte, dieser käme von seinem Sturz. Wie sehr er sich jedoch irren sollte. 

     Cayden beobachtete Rhys täglich in der Schule und versuchte sich ein paar mal, ihm zu nähern, doch der kleine Omega ging ihm gekonnt aus dem Weg. Lexy hatte ihm erzählt, dass sein Gefährte sogar Streit mit ihr angefangen hatte und sie sich leider ebenfalls aus dem Weg gingen. Besorgt bat Cayden seine Schwester darum, sich wieder mit Rhys zu vertragen. Er sah ihr an, dass sie ihren Freund vermisste und traurig darüber war. Auch wollte er, dass der Kleine jemanden hatte, der zu ihm hielt. 
     Nun lag auch er auf seinem Bett und starrte an die Decke. Als ihm in der Schule bewusst wurde, dass Rhys sein Mate war, war sein Wolf fast durchgedreht vor Glück. Cayden war erstaunt gewesen, wie erwachsen der kleine Rhys geworden war. Obwohl er etwas gewachsen war, blieb er von seiner Statur her immer noch klein und niedlich. Der Omega ging ihm gerade mal bis zur Mitte seiner Brust. Cayden hatte Rhys leichte Muskeln gespürt, als er ihn trug. Erstaunt hatte er festgestellt, dass Rhys perfekt in seine Arme passte und wollte ihn auch gerne wieder darin sehen. 
     „Wir sollten ihm zeigen, wo sein Platz ist“, meldete sich sein Wolf Jace zu Wort. Cayden lächelte und stimmte ihm insgeheim zu. Doch wie sollten sie das anstellen, wenn der Kleine ihm aus dem Weg ging? „Als Erstes solltest du ihn küssen, biss er zahm ist. Dann holst du ihn in dein Bett und während du mit ihm schläfst, markierst du ihn, sodass er weiß, wo er hingehört!“ 
     Cayden lachte leise. Sein Wolf machte keine halben Sachen. „Wir bekommen das schon irgendwie hin“, antwortete er ihm. 
     „Dein Wort in der Mondgöttin Ohr“, brummte Jace und zog sich schmollend in ihm zurück. Cayden seufzte betrübt und rieb sich über die Brust. Er hoffte nur, dass Rhys ihn bald akzeptierte, denn obwohl es erst der zweite Tag war, an dem sie nicht zusammen waren, spürte er bereits den Schmerz der Sehnsucht. 

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Rhys scheint ganz schön verletzt, aber auch stur. Ob er über seinen eigenen Schatten springen und Cayden eine Chance geben wird?
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Alphas Mate II - Secret Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt