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     Einen Tag später spürte Rhys den Sehnsuchts-Schmerz schon stärker. Obwohl Lexy sich wieder mit ihm vertragen hatte, gingen sie vorsichtig miteinander um und mieden bestimmte Themen. Rhys wusste natürlich, dass es an ihm lag, aber er konnte einfach nichts dagegen tun, denn er hatte sich von allen hintergangen gefühlt. 
     Antriebslos stieg er aus dem Bett und machte sich für die Schule fertig. Heute war Donnerstag und somit lagen noch zwei Tage Schule vor ihm. Gerade betrachtete er sich im Spiegel. Er sah Scheiße aus, fand Rhys. Seine Haut wirkte blass und dicke Augenränder zierten sein Gesicht. Er verließ das Bad und zog sich an. Dann ging er nach unten in die Küche. 
     „Guten Morgen, Schatz. Hast du erholsam geschlafen?“, begrüßte ihn Noah und er gab nur ein missmutiges Brummen von sich. 
     „Wohl nicht so wirklich“, sagte seine Schwester kichernd und Rhys warf ihr einen bösen Blick zu, während er sich unbewusst über die Brust rieb. 
     „Aha. Da fangen wohl so langsam die Schmerzen an“, stellte sein Dad fest und sah ihn strafend an. Rhys schwieg beharrlich. 
     „Du hast dich also noch nicht darum gekümmert, das zu klären und etwas dagegen zu unternehmen?“ Callen war hinter ihn getreten und hatte ihn angesprochen. Rhys wollte seine Eltern nicht belügen, also schüttelte er den Kopf. 
     „Also gut. Sag mir bei einer Skala von eins bis zehn. Wie groß ist dein Schmerz?“ Noah hatte sich wieder eingemischt.
     „Sechs“, nuschelte Rhys leise und hörte, wie Noah scharf die Luft einsog. 
     „So stark schon?“, fragte der Leopard. „Dann hat Cayden mindestens eine Dreizehn“, sagte er dann. 
     Rhys zog betroffen den Kopf ein. Eine Dreizehn? Das konnte doch nicht sein, oder doch? Cayden hatte nicht mehr versucht, ihm nahezukommen. Eher hielt er sich nun von ihm fern. 
     „Ich glaube nicht, dass er eine Dreizehn hat“, warf er schließlich ein. „Er meidet mich. Wenn sein Schmerz so groß ist, dann müsste er doch meine Nähe suchen, oder etwa nicht?“ 
     Callen schüttelte den Kopf. „Nein. Denn wenn er dich riecht und er dich nicht berühren darf, ist das für ihn nur noch schwerer zu ertragen. Da er ein starker Alpha ist, wird er es nicht mehr lange durchhalten können.“ 
      Rhys war abrupt von seinem Stuhl aufgesprungen. Er wollte davon nichts hören, schließlich war Cayden ja selbst schuld daran. Dass Rhys seinen Wolf seit fast einem Tag kaum noch spürte, ignorierte er erst einmal. „Wir sollten gehen“, sagte er zu seinen Geschwistern und die beiden standen schweigend auf. Auch Jaron und Nika sprachen nur noch wenig mit ihm. 
     Callen war allerdings noch nicht fertig mit ihm. „Rhys, ich hatte dich gewarnt. Klärst du das Ganze nicht von dir aus, muss ich andere Maßnahmen in Erwägung ziehen“, begann er und seine Stimme wurde tiefer. 
     Rhys wusste, dass sein Paps ihm gleich einen Befehl geben würde, denn dessen Alpha-Stimme kam zum Vorschein. Ergeben blieb er stehen und hörte sich an, was der Alpha zu sagen hatte. 
     „Wenn du Cayden heute in der Schule siehst, gehst du zu ihm. Du setzt dich auf seinen Schoß und kuschelst gefälligst mit ihm. Möchte er dich küssen, wirst du auch das zulassen. Das ist ein Befehl! Hast du das verstanden?“ Callen sah ihn erwartungsvoll an. 
     „Ja, Paps“, antwortete Rhys leise. Dann drehte er sich um und verließ die Küche. Während er sich entfernte, hörte er noch, wie Noah sich an seine Geschwister wandte. 
     „Passt auf, dass er sich daran hält. Cayden wird ziemlich unter der Trennung zu seinem Mate leiden“, sagte Noah und seine Kinder nickten. Der Leopard vergewisserte sich, dass Rhys ihn nicht mehr hören konnte, dann sprach er weiter. „Informiert Cayden über den Befehl, den Rhys befolgen muss. So kann er darauf reagieren, wie er möchte.“ 
     „Machen wir, Dad. Ich verstehe nicht, warum Rhys sich so verbissen dagegen wehrt“, meinte Nika traurig. „Er und Cayden kamen doch sonst immer so gut miteinander aus.“ 
     „Ich weiß es auch nicht und jetzt los mit euch“, sagte Noah und scheuchte Jaron und Nika schließlich aus der Küche. 
     Rhys wartete bereits beim Auto auf seine Geschwister. Schweigend stiegen sie ein und fuhren anschließend zur Schule. Dort angekommen, wartete bereits eine besorgt aussehende Lexy auf sie. Nachdem sie aus dem Auto ausgestiegen waren, kam sie ihnen auch schon entgegen. 
     „Was ist los mit dir?“, fragte Nika. „Du wirkst so traurig.“ Lexy hängte sich bei der Wölfin ein und gab ein leises Schluchzen von sich, was Rhys etwas verstörte. Warum kam Lexy nicht zu ihm und warum weinte sie?
     „Nika? Können wir reden? Ich brauche deinen Rat“, bat Lexy seine Schwester und diese stimmte zu. So ließen sich die beiden jungen Frauen langsam zurückfallen. 
     Auch Rhys wurde langsamer, er wollte hören, was seine Freundin seiner Schwester zu sagen hatte. Doch sein Bruder zog ihn weiter. „Sie möchte mit Nika reden, nicht mit dir, akzeptiere das“, meinte Jaron und sah ihn mit einem ernsten Blick an. 
     „Aber sie ist meine beste Freundin, da sollte sie mit mir sprechen“, widersprach Rhys und schob schmollend seine Unterlippe vor. 
     „Nicht, wenn du, wie ich vermute, die Ursache dafür bist“, antwortete sein Bruder und sah sich um. „Cayden ist nicht hier“, stellte er schließlich fest. 
     Rhys sah sich ebenfalls um. Normalerweise saß der Alpha vor Schulbeginn immer unter der Eiche, die auf dem Schulhof stand, doch dieses Mal waren dort nur dessen Freunde. „Vielleicht ist er auf der Toilette“, gab Rhys zu bedenken, wusste aber, dass er sich selbst belog. Cayden war nicht da und es ging ihm schlecht, das spürte er deutlich. 
     „Er ist nicht hier“, sagte Nika, die wieder zu ihnen aufgeschlossen hatte. Sie war allein. 
     Rhys sah sie fragend an. „Wo ist denn Lexy?“ 
     „Die ist wieder nach Hause. Ihr Bruder hat das Mate-Fieber, welches wahrscheinlich auch bald dich treffen wird“, antwortete sie und sah ihn kopfschüttelnd an. „Ich bin echt enttäuscht von dir, Rhys. Nur weil du nicht zugeben kannst, dass du etwas missverstanden hast, verweigerst du dich ihm? Ich hätte nie gedacht, dass du so sein kannst.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und stampfte wütend davon. 
     Rhys blieb betroffen zurück und sah Hilfe suchend seinen Bruder an.
     „Nika hat recht. Du machst einen Fehler und solltest ihn dir gegenüber endlich mal eingestehen. Du schadest damit nicht nur dir selbst, sondern auch Cayden. Auch deine Freundschaft zu Lexy leidet darunter. Unsere Schwester ist enttäuscht von dir und Paps ebenfalls“, begann Jaron, dann sprach er weiter. „Weißt du, ich habe noch nie erlebt, dass unser Vater einem von uns als Alpha je einen Befehl geben musste. Dieser Blick, den er dabei hatte. So einen habe ich noch nie bei ihm gesehen. Du hast ihn durch dein Verhalten dazu gezwungen, dir diesen Befehl zu geben und das sollte so nicht sein!“ 
     Rhys wurde mit jedem Wort seines Bruders aufgebrachter. Statt auf seiner Seite zu sein, wandte sich jeder gegen ihn. „Ach, jetzt bin ich wohl an allem schuld?“, fauchte er, drehte sich um und ließ seinen Bruder einfach stehen. 
     „Denk einfach mal darüber nach“, hörte er Jaron noch hinter ihm herrufen. Beleidigt machte er sich auf den Weg in seine Klasse. 

Alphas Mate II - Secret Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt