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     Bereits zwei Tage hörte oder spürte Nika ihren Gefährten nicht mehr. Verzweifelt weinte sie sich jeden Abend in den Schlaf. Über Tag streifte sie in ihrer Wolfsgestalt durch die Wälder, doch von dem Puma gab es keine Spur. Trostlos saß sie in eine Decke eingewickelt auf der großen Schaukel, die auf der Terrasse stand, und hielt einen Beruhigungstee ihres Vaters in den Händen. 
     Noah stand ihr gegenüber an der Brüstung gelehnt und betrachtete sie besorgt. Sein kleines Mädchen hatte abgenommen und das bereitete ihm Sorgen. „Nika, Mäuschen. Du musst etwas essen, sonst fehlt dir die Kraft, ihn zu finden“, versuchte er sie erneut dazu zu überreden, etwas zu essen. Callen war in den umliegenden Wäldern mit ein paar Freunden ebenfalls auf der Suche nach dem Puma-Wandler. 
     „Ich kann nicht, Dad“, flüsterte die Wölfin und starrte weiterhin zum Waldrand. Eigentlich sollte sie ebenfalls dort draußen sein und ihren Gefährten suchen, doch Callen hatte ihr mit seiner Alpha-Stimme den Befehl gegeben, zu Hause zu bleiben.
     Gerade waren insgesamt sieben Wandler im Wald unterwegs und suchten nach Zayne. Unter anderem ihr Vater und dessen beiden Betas Dean und Kyle. Dann noch Lloyd, Cayden, Jaron und natürlich Colton – Zaynes Zwillingsbruder. 
     Auch Colton spürte seinen Bruder nicht mehr, dennoch beteuerte er, dass sein Bruder am Leben war. Zayne hatte auch ihn blockiert, doch da sie Zwillinge waren, spürte er ihn gewissermaßen noch.
     Nika schloss bekümmert die Augen. Sie ertrug diese Ungewissheit nicht mehr länger. Sie fühlte sich ausgelaugt und vollkommen leer und ihr Mate fehlte ihr und ihrer Wölfin so sehr. Schon spürte sie, wie weitere Tränen in ihre Augen stiegen und landete einen Augenblick später in den Armen ihres Dads. Noah hatte sich zu ihr gesetzt und sie auf seinen Schoß gezogen. „Dad“, schluchzte sie. „Ich weiß nicht, was ich tun soll. Es tut so weh.“ Sie vergrub ihren Kopf an der Brust ihres Vaters und krallte sich voller Verzweiflung an ihm fest. 
     Es dauerte nicht lange, da legte sich ein weiteres Paar Arme um sie. Nika spürte ihren jüngeren Bruder, der sich, um ihr Trost zu spenden, ebenfalls zu ihr gesetzt hatte und sich nun an sie kuschelte. „Danke“, hauchte sie leise und schloss die Augen. Kurz darauf war sie erschöpft eingeschlafen. Der Tee tat bereits seine Wirkung. 
     „Warum tut Zayne das? Müsste es ihm nicht auch schlecht gehen? Weiß er denn nicht, was er meiner Schwester damit antut?“ Rhys blickte seinen Vater ratlos an. 
     Noah zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht, Rhys. Ich denke, ihm muss etwas zugestoßen sein, doch da er seine Verbindung zu Colton und Nika unterdrückt, können sie seinen Standort nicht erfühlen.“ Bekümmert schwiegen Vater und Sohn, während sie Nika durch ihre bloße Anwesenheit Trost gaben.

     Später am Abend kamen Niklas und Fynn zu Besuch. Während des Essens tauchte auch das Thema Zayne auf. Da ihre Kinder nicht dabei waren, konnten sie offen miteinander reden. „Habt ihr schon eine Spur von dem Jungen?“, fragte Fynn, der durch seinen Gefährten darüber informiert worden war.
     Noah schüttelte betrübt den Kopf. „Nein, leider nicht. Jeden Tag suchen mehr Wandler nach ihm, doch bedauerlicherweise fehlt von ihm jede Spur. Man könnte meinen, er wäre wie vom Erdboden verschluckt. Allerdings wurden fremde Gerüche in unserem Revier entdeckt.“
     Callen nickte. „Menschen“, bestätigte er die Worte seines Gefährten. „Zu unserer Enttäuschung haben wir noch keinen von ihnen entdeckt“, gab er mit einem Knurren von sich. Es machte ihn wütend, dass jemand es gewagt hatte, ohne seine Erlaubnis ihr Revier zu betreten. 
     Niklas sah beide ernst an. „Das könnten Wilderer sein. Seit einiger Zeit sind anscheinend Jäger in der Umgebung unterwegs. Es werden immer wieder Wildtiere angeboten. Vorerst lebendig. Je nachdem, wer sie kauft, wird ihr Fleisch zum Verzehr verwendet oder man zieht ihnen das Fell ab und macht Pelzmäntel aus ihnen. Unter anderem Rehe, Wildschweine, Füchse, Wölfe“, erklärte er. „Ich denke, wenn ihnen ein Puma in die Hände fallen sollte, werden sie nicht lange fackeln und ihn einfangen. Für das Fell eines Pumas verlangen Wilderer einen sehr hohen Preis und da die Nachfrage dafür groß ist, bekommen sie ihn auch.“ Niklas wirkte ziemlich besorgt. 
     Noah sah ihn geschockt an. „Bei der Mondgöttin! Sollte Zayne ihnen in die Hände fallen, was passiert dann mit ihm, wenn sie herausfinden, dass er ein Wandler ist?“ 
     Niklas schüttelte betrübt den Kopf. „Das Problem hierbei ist dieses Medikament, das die Wandlung unterdrückt. Weißt du noch, damals, als du entführt wurdest, hat dir Malcolm auch dieses Mittel gespritzt und du konntest dich nicht verwandeln, weil es dein Tier unterdrückt hat.“
     Noah nickte. Natürlich erinnerte er sich daran. Es war furchtbar gewesen. 
     „Dieses Mittel gibt es jetzt auch in einer anderen Wirkungsweise. Statt das Tier in einem Wandler zu unterdrücken, wird nun der Mensch unterdrückt. Ich muss leider gestehen, es sind bereits auch Wandler verschwunden. Meist Füchse, aber auch andere Arten.“ 
     „Das ist ...“, Noah brach geschockt ab. 
     „Wie viele Wandler werden denn eigentlich vermisst?“ Callen stellte die Frage. „Habt ihr überhaupt eine Vermutung, wo ihr suchen müsst?“
     Niklas schien zu überlegen. „Nicht wirklich. Wir gehen davon aus, dass sie mobil sind. Außerdem wechseln sie ständig ihr Jagdrevier. Das ist auch einer der Gründe, warum ich vorbeikommen wollte. Sie scheinen zurzeit in eurem Revier zu wildern“, begann er, dann sprach er schnell weiter. „Darum wollte ich dich fragen, ob wir uns umsehen dürfen. Ich habe ein Team zusammengestellt, das Erfahrung mit Wilderern hat. Allerdings fehlen uns noch gute Fährtenleser, davon habe ich nur einen bei der Polizei. In deinem Rudel gibt es doch auch ein paar. Lloyd gibt mir auch zwei aus unserem Rudel an die Seite, aber je mehr wir sind, desto größer ist die Chance, sie zu finden und dingfest zu machen.“
     Callen stimmte sofort zu. „Ich habe zurzeit vier gute Fährtenleser vor Ort. Wann möchtest du mit der Suche anfangen?“ 
     „Gleich morgen“, antwortete Niklas. „Die Gefahr, dass weitere Wandler verschwinden, ist zu groß, als dass wir lange warten sollten. Morgen früh um sechs Uhr geht es los.“
     Callen nickte. „In Ordnung. Meine Männer und ich stehen dann bereit.“ 
     „Sehr gut. Da sie zuletzt in eurem Revier entdeckt wurden, kommen wir hierher. Von hier aus machen wir uns fächerartig auf den Weg.“ Niklas schien erleichtert. „Danke für deine Hilfe, Callen. Wir sind wirklich ratlos. Diese Wilderer sind gerissen. Hinterlassen nur wenige Spuren. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich, wir haben jemanden bei uns auf dem Revier, der ihnen hilft und sie warnt, wenn wir ihnen zu nahe kommen“, gab Niklas zu. „Zweimal kamen wir nur knapp zu spät. Wir haben nur noch die getöteten Tiere gefunden. Zwei schöne Hirsche. Ihre Geweihe waren entfernt worden. Zum Glück waren es keine Wandler. Allerdings werden insgesamt sechs Wandler vermisst. Du solltest dein Rudel davor warnen, nicht allein durch die Gegend zu streifen. Sie sollten mindestens zu dritt sein“, warnte der Polizist.
     „Ist schon passiert. Hast du jemanden in Verdacht, wer der Maulwurf sein könnte?“ Callen sah Niklas fragend an. Auch Noah wartete neugierig auf eine Antwort. 
     Der Blonde schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich. Aber es gibt vier Männer, denen ich das zutrauen würde und ich bin dabei, ihnen eine Falle zu stellen. Darum ist die Suche morgen nur mit Leuten, denen ich wirklich vertraue. Ich schicke diese vier Männer in andere Reviere und lass ihnen falsche Informationen zukommen.“ Niklas seufzte schwer, bevor er weitersprach. „Lloyd hilft mir dabei. Ich bin mir sicher, wir erwischen ihn. Fragt sich nur, ob wir durch ihn auch an die Wilderer kommen.“
     „Dann hoffen wir einfach mal das Beste“, stimmte Callen zu. „Allerdings habe ich da keine Bedenken. Wenn er ein Mensch ist, bekommen wir ihn auf jeden Fall zum Reden. Ist er ein Wandler, gibt es auch dafür eine Lösung.“
     Während Callen sich weiter mit Niklas unterhielt und sie den Ablauf des nächsten Tages besprachen, zogen sich Noah und Fynn ins Wohnzimmer zurück, wo sie sich aneinander gekuschelt auf die Couch setzten und den Fernseher einschalteten. 
     „Wie geht es deiner Tochter?“, fragte Fynn und lehnte sich gegen den Leoparden-Wandler. Es dauerte anfangs einige Zeit, bis er sich an das Kuschelbedürfnis der Katze gewöhnt hatte, doch nun empfand er es einfach nur noch als gegeben. 
     Noah schüttelte betrübt den Kopf. „Nicht gut. Sie isst kaum etwas und heult sich die Augen aus dem Kopf. Noch lässt sie sich von uns trösten. Ich hoffe nur, Zayne meldet sich bald und ist nicht diesen Wilderern in die Hände gefallen.“
     Fynn zog Noah in seine Arme und streichelte ihm beruhigend über den Nacken. Die Katze schloss dankbar die Augen. „Danke, Fynn“, seufzte er. Dies war genau das, was er jetzt brauchte. 
     „Keine Ursache, Noah. Du bist mein Freund und ohne dich und die anderen wäre ich nicht der, der ich heute bin. Das habe ich dennoch hauptsächlich dir zu verdanken. Du hast uns alle verändert“, antwortete Fynn leise. 
     Noah kicherte unterdrückt. „Das behaupten Mary-Lou und Natalie auch immer.“ 
     „Es ist die Wahrheit und dafür liebe ich dich auch. Du bist für mich ein sehr enger Freund geworden, fast wie ein Bruder.“ Schweigen trat ein und sie sahen sich den Film im Fernsehen an. „Wir finden ihn“, meinte Fynn nach einigen Minuten überzeugt. Er hatte Noahs Anspannung deutlich gespürt. Auch wenn der Schneeleopard es nicht zeigte, machte er sich große Sorgen um seine Tochter und ihren Gefährten. 
     Noah sah ihn dankbar an. „Ich hoffe es so sehr.“ 
     „Ich bin mir sicher, dass sie ihn finden. Niklas hat einen Plan und der ist gut. Und mit Lloyds und Callens Hilfe erwischen wir die Wilderer. Ganz bestimmt“, sagte der Omega zuversichtlich und auf Noahs Gesicht legte sich ein leichtes Lächeln, bevor er nickte. 
      „Ja, das denke ich auch. Unsere Männer schaffen das!“ Die Katze kuschelte sich tiefer in Fynns Umarmung und seufzte zufrieden. 
     Der Omega lachte unterdrückt. „Du änderst dich wohl nie. Verschmust, wie eh und je.“
      „Lass mich doch! Ich hole mir meine Schmuseeinheiten eben da, wo ich sie gerade herbekomme“, schmollte Noah und gab ein beleidigtes Brummen von sich. 
     Fynn kicherte. „Ich sage doch gar nichts. Ich mag das mittlerweile auch sehr. Niklas behauptet immer, ich sei dir, was das anginge, ziemlich ähnlich geworden und er liebt es.“ 
      „Na dann hat es doch etwas Gutes.“ Lachte nun auch Noah. Sie unterhielten sich noch ein wenig, dann machten sich Fynn und Niklas auf den Heimweg.

     Später am Abend lag Noah an seinen Gefährten gekuschelt im Bett und unterhielt sich mit ihm, während er das sanfte Streicheln seines Gefährten genoss. „Denkst du, sie finden die Wilderer? Oder glaubst du, sie könnten Zayne gefangen haben?“ Noah hob den Kopf und sah Callen an, der ihn auf seinen Körper zog und zuerst küsste, bevor er antwortete.
     „Der Plan von Niklas ist gut. Wir haben noch ein paar Kleinigkeiten daran geändert und jetzt dürfte er wirklich funktionieren. Ich denke, unsere Chancen, die Wilderer zu finden, sind groß. Warten wir erst einmal ab. Wir werden dann schon früh genug herausfinden, ob sie Zayne haben oder nicht.“ Callen küsste Noah erneut und der Leopard erwiderte den Kuss liebevoll. 
     Kurz darauf hörte man leises Liebesgeflüster aus dem Schlafzimmer.

       Zayne war, nachdem er davongelaufen war, in seiner Tiergestalt direkt zum See gerannt. Da ihn das nicht beruhigte, lief er weiter und landete auf einer Klippe, bei der man einen wundervollen Blick ins Tal hatte. Dort legte er sich in seiner Tiergestalt hin und überdachte alles. Colton versuchte ihn zu kontaktieren, doch weil er im Moment Ablenkung nicht gebrauchen konnte, sperrte er auch ihn aus seinen Gedanken aus. 
     „Denkst du, es ist schlau, dass du jeden aussperrst?“, fragte sein Puma ihn und wartete auf eine Antwort, die auf sich warten ließ.
     „Es ist ja nicht für lange. Ich brauche nur ein wenig Zeit, um meine Gedanken zu sortieren“, kam etwas später von Zayne. Dem Wandler war bewusst geworden, dass er an der Vergangenheit überhaupt nichts mehr ändern konnte und in die Zukunft blicken musste. Eine Zukunft mit Nika, seiner Mate.
     „Dann sieh mal zu, dass du sie etwas schneller sortierst! Ich möchte zurück zu unserer Gefährtin“, murrte der Puma in ihm. „Sie macht sich bestimmt Sorgen um uns, nachdem du den Kontakt zu ihr so plötzlich abgebrochen hast“, gab er dann von sich. 
     Zayne richtete seinen Katzen-Körper abrupt auf. Daran hatte er gar nicht gedacht. Er wollte gerade den Kontakt zu der Wölfin wieder aufbauen, da hörte er einen Schuss. Im nächsten Augenblick traf ihn etwas in der Flanke. Erschrocken stand er auf und sah zu der Stelle, die ihm Schmerzen bereitete, da überkam ihn plötzlicher Schwindel und er fing an zu taumeln. Mit einem empörten Fauchen drehte er den Kopf und sah zwei Männer mit Gewehren auf sich zukommen. Schwankend versuchte er, die Fremden zu fixieren. 
     Der Kleinere der beiden lachte gehässig. „Das nenne ich doch mal ein Prachtstück! Der wird uns ganz bestimmt viel Geld einbringen. Schau dir mal sein Fell an“, meinte er zu dem anderen Mann an seiner Seite. 
     Zayne hatte entsetzt zugehört. Das waren Wilderer! Er versuchte ein paar Schritte zu laufen, doch der Betäubungspfeil, der ihn getroffen hatte, tat bereits seine Wirkung. Benommen taumelte er auf die Klippe hinter sich zu. 
     „Scheiße, er stürzt gleich ab“, hörte er noch jemanden schreien, dann fiel er. Noch im Fall entfaltete sich die Wirkung des Betäubungsmittels ganz, sodass er nicht mehr spürte, wie er abstürzte und hart aufkam. 

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Ob der Puma-Wandler den Absturz überlebt?
Werden Niklas Männer die Wilderer und Zayne rechtzeitig finden?
Oder wurde der Puma bereits verkauft?
Dran bleiben... 😂

Alphas Mate II - Secret Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt