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     Die nächsten Tage war Cayden nicht in der Schule. Lexy erwähnte nur, dass es ihm nicht gut ging und er deshalb zu Hause blieb. Nun saß er mit Lexy in der Mensa und stocherte lustlos in seinem Essen herum. Ihm ging es ebenfalls nicht gut.
     Seine Freundin schien hin- und hergerissen zwischen ihrer Loyalität zu ihrem Bruder und der Freundschaft zu ihm, aber eines Tages platzte auch ihr der Kragen. „Weißt du Rhys“, begann sie und er blickte sie missmutig an. „Wenn mein Bruder mir nicht verboten hätte, dir einen Vorwurf deswegen zu machen, dann würde ich dir jetzt wahrscheinlich eine knallen. Ich wusste gar nicht, dass du eine so gemeine Ader in dir hast.“ 
     Der Omega starrt sie mit großen Augen an. „Wieso sagst du so etwas?“ Ratlos sah er sie an und rieb sich, wie so oft die letzten Tage, über die schmerzende Brust. 
    „Genau das“, rief sie aus und zeigte auf seine Hand, die sich in sein Shirt krallte. „Wenn es dir schon so weh tut, was glaubst du wohl, wie es Cayden dabei geht? Verdammt, Rhys. Er ist ein Alpha! Ihm tut es um so vieles mehr weh als dir. Ich weiß nicht, was zwischen euch beiden vorgefallen ist, denn er möchte nicht darüber reden. Sogar meine Eltern machen sich Sorgen um ihn, weil er sich den ganzen Tag in seinem Zimmer einschließt und nicht mehr herauskommt.“ 
     Rhys wusste nicht, was er dazu sagen sollte, also stand er auf und entschuldigte sich. „Hör mal. Könntest du mich beim Lehrer entschuldigen? Mir geht es nicht gut.“ Nach einem knappen, resignierten Nicken seiner Freundin sammelte Rhys seinen Rucksack ein und lief den ganzen Weg nach Hause.

     In dieser Nacht lag Rhys wach, weil er vor lauter Sehnsucht nach Cayden nicht schlafen konnte. Obwohl er gerne zu ihm wollte, hielt ihn seine unerträgliche Angst zurück. Warum war der Kerl aber auch so groß? Um sich abzulenken, ging er nach unten in die Küche, um etwas Kühles zu trinken. Eine innere Unruhe hatte ihn erfasst und er wusste, dass es an Cayden lag. Der Alpha hatte anscheinend unerträgliche Schmerzen.
     Rhys wusste nicht, was er tun sollte, weshalb er sich an den Küchentisch setzte und seinen Kopf auf der Tischplatte ablegte. Dabei kämpfte er gegen die aufkommenden Tränen an. „Ich bin ja so erbärmlich“, schluchzte er und ließ endlich seinen Tränen freien Lauf. Plötzlich hörte er ein Geräusch und hob den Kopf. Sein Vater stand in der Tür und sah ihn besorgt an. Schnell wischte er sich die Tränen vom Gesicht, doch Callen hatte bereits gesehen, dass er weinte.
    „Rhys, was ist los?“ Der Alpha setzte sich zu ihm und betrachtete ihn mit einem warmen Blick.
    „Oh, Paps! Ich weiß nicht, was ich tun soll. Der Schmerz wird immer schlimmer und trotzdem kann ich meine Angst einfach nicht unterdrücken.“ Er warf sich weinend an die breite Brust seines Vaters. Selbst der Kontakt zu seiner Familie half ihm nicht mehr dabei, seinen Schmerz zu lindern.
     Callen umfing seinen Sohn mit seinen langen Armen und strich ihm zärtlich über den Kopf. „Wovor hast du denn solche Angst?“ Er wusste es zwar bereits durch Noah, aber er wollte es von seinem Sohn selbst hören.
     Rhys schniefte ausgiebig, dann hob er den Kopf und blickte seinen Vater unsicher an. „Vor dem Sex mit Cayden“, antwortete er leise. „Ich habe gespürt, wie groß er ist, wenn er erregt ist.“ 
     Der Alpha lachte leise. „Ja und? Du bist Noahs Sohn und gehst ganz nach deinem Vater. Denkst du wirklich, es wird dir Schwierigkeiten bereiten, ihn in dich aufzunehmen?“ Rhys nickte überzeugt und Callen lachte erneut. „Du bist eben doch nur mein süßer, kleiner Omega“, sagte der Riese und gab ihm einen Kuss auf den Scheitel. 
     „Paps, was soll ich denn nur tun? Ich will zu ihm, aber meine Angst hält mich davon ab.“ Rhys sah in bittend an. Er hoffte, sein Vater könnte ihm bei seiner Entscheidung helfen.
     Callen schüttelte den Kopf. „Das ist etwas, das nur du entscheiden kannst.“
     Rhys richtete sich auf und holte ein paar mal tief Luft. Er hatte eine Entscheidung zu fällen und tat dies hiermit, auch wenn es ihm schwerfiel. „Bitte Paps, gib mir den Befehl, zu ihm zu gehen und mit ihm zu schlafen. Ich selbst kann meine Angst nicht abschütteln oder kontrollieren und es schadet nur uns beiden.“
    Der Alpha sah ihn ernst an. „Bist du dir wirklich sicher, dass du das auf diese Weise regeln möchtest?“
     Rhys nickte. „Es geht ihm nicht gut und mir auch nicht. Der Schmerz tut so weh. Hilf mir bitte.“ 
     „Okay. Morgen werde ich ...“, begann Callen, wurde jedoch unterbrochen.
     „Nicht morgen, sondern jetzt. Wenn ich Zeit habe, darüber nachzudenken, überlege ich es mir vielleicht noch einmal. Ich möchte das endlich hinter mich bringen und egal, was ich auch sage. Gib mir diesen Befehl“, beharrte Rhys und sah ihn bittend an.
     Callen nickte und holte nun seinerseits tief Atem. „In Ordnung, wie du möchtest. Zieh dich an und pack ein paar Sachen zusammen. In zehn Minuten bringe ich dich zu ihm“, gab er den ersten Befehl mit seiner Alpha-Stimme. 
     Rhys nickte zitternd und löste sich von seinem Vater. Langsam ging er hoch in sein Zimmer und stopfte ein paar Kleider in eine Tasche. Er zog sich eine graue Jogginghose an, dazu einen weißen Kapuzen-Pullover. Danach packte er noch seine Zahnbürste ein und ging wieder nach unten, wo er auf seinen Vater wartete.
     Callen hingegen lief zurück in sein Schlafzimmer, wo Noah auf ihn wartete. Während er sich anzog, erklärte er, um was Rhys ihn gebeten hatte. 
     „Um das hat Rhys dich wirklich gebeten?“, fragte der Braunhaarige und lehnte sich an das Kopfende ihres Bettes. Es war noch immer dasselbe Zimmer, was Callen schon immer bewohnte. 
     „Ja, das hat er. Und wenn ich ehrlich bin, widerstrebt es mir, ihm diesen Befehl zu geben“, gab der Alpha zu und setzte sich noch einmal zu seinem Gefährten. 
     „Das braucht es nicht. Das, was Rhys von dir verlangt, ist das einzig Richtige. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als deinem Befehl Folge zu leisten. Seine Angst steht ihm im Weg und nur so kann er sie bezwingen. Ich finde, das hat er ziemlich gut durchdacht.“ Noah hatte seine Hand an Callens Wange gelegt und strich ihm liebevoll darüber. 
     „Jetzt, wo du es sagst, klingt es recht logisch“, stimmte der Riese schließlich zu, dann beugte er sich vor und küsste seinen Leoparden. „Bin bald zurück. Ich liebe dich, Kleiner.“ 
     „Ich dich auch, mein Riese“, antwortete Noah, beugte sich zu ihrem Nachttisch und holte etwas hervor. Dann drückte er ihm etwas Großes in die Hand. „Gib ihm das, das werden sie benötigen“, sagte er. Der Katzenwandler schien so etwas bereits geahnt zu haben.
     Callen sah sich den Gegenstand in seiner Hand an und fing an, zu grinsen. Noah hatte ihm eine mittelgroße Tube Gleitgel in die Hand gedrückt, die wohl für sie beide gedacht war, doch nun einen anderen Nutzen fand. Er richtete sich auf und lief zur Tür, wodurch er schließlich verschwand. 
    Noah sah sehnsüchtig seinem Gefährten nach. „Rhys, du bist doch ein schlaues Kerlchen“, sagte er lachend und warf die Decke über seinen, noch immer schlanken Körper. 

     Auf der Fahrt zu Cayden wurde Rhys immer unruhiger. Mittlerweile zitterte er und konnte seine aufkommende Angst nicht weiter unterdrücken. „Paps ...“, wimmerte er und krallte sich an seiner Tasche fest.
     Callen warf einen Blick auf seinen Sohn, der mit aller Gewalt versuchte, sich zusammenzureißen. „Halte durch, mein Junge. Wir sind gleich da“, versuchte er ihn zu beruhigen. Endlich fuhren sie auf das Grundstück der Claymores. Während Callen aus dem Auto stieg, blieb Rhys zitternd sitzen. Ihm war vor lauter Angst vollkommen übel.
     Der Alpha öffnete die Tür und beugte sich zu seinem Sohn hinunter, der blass und eingesunken auf dem Beifahrersitz saß. „Komm, Rhys. Steig schon aus“, forderte er mit sanfter Stimme. 
     Rhys sah ihn mit ängstlich aufgerissenen Augen an. „Ich glaube, ich möchte das doch nicht. Können wir wieder nach Hause fahren?“ 
     Callen schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte er unnachgiebig, dann wurde seine Stimme dunkler und sein Wolf war heraus zu hören. Auch in seinen Augen zeigte sich Seki. „Rhys“, begann Callen mit tiefer Stimme. „Du wirst mir jetzt aufmerksam zuhören“, fuhr er fort und Rhys nickte. „Du gehst jetzt zu deinem Gefährten und kuschelst mit ihm. Wenn er mit dir schlafen möchte, wovon ich ausgehe, wirst du das tun und dich ihm nicht verweigern. Du wirst ihm auch nicht wieder davonlaufen. Das ist ein Befehl! Hast du das verstanden?“
     Rhys spürte, wie er etwas ruhiger wurde und bestätigte mit einem leisen ‚Ja, Paps!‘ den Befehl seines Vaters. Dann löste er seinen Gurt und stieg aus. Zusammen gingen sie zur Haustür und obwohl es bereits mitten in der Nacht war, brannte im Haus noch Licht. 
    Callen klingelte und kurz darauf wurde die Tür geöffnet. Matthew blickte überrascht zwischen Vater und Sohn hin und her, dann atmete er erleichtert aus. „Gott sei Dank“, murmelte er und winkte sie herein. 
     „Tut mir leid, dass wir so spät noch vorbeikommen“, begann Callen, doch Matthew winkte müde ab.
     „Nein, nein, schon gut. Ich bin froh, dass ihr hier seid“, warf Caydens Vater dazwischen. Er führte Callen und Rhys ins Wohnzimmer, wo Janice saß und ihnen entgegenblickte. 
     „Oh mein Gott, endlich“, rief auch die Herrin des Hauses und schlug erleichtert die Hände vor ihr Gesicht. Plötzlich hörte man ein Poltern, dann ein wütendes Brüllen. Rhys zuckte bei diesem Schrei erschrocken zusammen. 
     „Wie lange geht das denn schon so?“ Callen blickte zur Treppe. 
     „Seit gestern Mittag“, erklärte Matthew und bat Callen sich doch zu setzen, doch dieser schüttelte den Kopf und wandte sich an seinen Sohn. 
     „Geh zu ihm. Du weißt, was du zu tun hast“, sagte er und erinnerte Rhys damit an seinen Befehl. Der Omega nickte und drückte seine Tasche gegen seine Brust. Langsam lief er Richtung Treppe davon. „Ach ja, Rhys? Ich habe hier noch etwas für dich.“ Er griff in seine hintere Gesäßtasche und überreichte seinem Sohn schließlich eine mittelgroße Tube.
    Rhys blickte neugierig auf die Beschriftung und musste hart schlucken. „Gleitgel?“, krächzte er und Callen nickte. „Und jetzt geh.“ Rhys drehte sich wieder um und lief mit zittrigen Beinen zur Treppe, während er die Tube in seine Tasche stopfte. 
     „Ach Rhys?“, rief ihn jetzt auch Matthew. „Danke!“ 
     Rhys nickte nur, dann lief er weiter und erklomm Stufe um Stufe die große Treppe. Er war noch nicht einmal zur Hälfte oben, da hörte er ein wildes Knurren und blieb ängstlich stehen. Tief atmete er durch. Er war für den Zustand seines Gefährten verantwortlich, darum war es auch seine Aufgabe, das wiedergutzumachen. Besorgt drehte er sich noch einmal um und stellte fest, dass sein Vater, Matthew und Caydens Mutter am Fuße der Treppe standen und darauf warteten, dass er weiterging.
     „Er wird dir nichts tun“, versprach Matthew. „Er ist schließlich dein Gefährte!“
     Rhys nickte unsicher und drehte sich erneut um. Da er nicht wusste, was er tun sollte, rief er leise den Namen seines Gefährten. „Cayden?“
     Plötzlich wurde oben eine Tür aufgerissen und ein zerzauster, wild aussehender Cayden erschien am oberen Treppenabsatz. Mit bernsteinfarbenen Wolfsaugen sah er auf ihn hinunter. 
     Rhys blieb wie erstarrt stehen. Sein Fluchtinstinkt meldete sich, doch er konnte dank Rikku, der ihn zum Glück unterstützte, widerstehen. Luca hatte sich indessen ängstlich in ihm zurückgezogen. Zitternd stand Rhys da und wartete. 
    Cayden hob den Kopf und schnupperte in der Luft, dann kam Bewegung in ihn und er stürmte die Treppe hinunter, direkt auf einen ängstlichen, vor Panik die Luft anhaltenden Omega zu.

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Wird Rhys wieder davon laufen, oder wird er es durchziehen?
Kann er sich überhaupt dem Befehl seines Vaters widersetzen?
Und Cayden? Wie wird er reagieren?

Alphas Mate II - Secret Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt