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     Lexy schlief in dieser Nacht schlecht. Immer wieder kreisten ihre Gedanken um Phoenix und mittlerweile bereute sie ihren überstürzten Aufbruch vollkommen. Schon sehr früh am Morgen stand sie auf und schlurfte in die Küche. Sie machte sich einen Kaffee und setzte sich nachdenklich an den Tisch. Betrübt starrte sie in ihre Tasse. Sie überlegte, ihren Mate anzurufen, dann fiel ihr jedoch ein, dass sie noch gar keine Telefonnummern getauscht hatten. Betrübt gab sie ein Seufzen von sich, als Rhys in der Küche erschien. 
     „Oh, du bist ja wach“, meinte er erstaunt und warf einen kurzen Blick auf die Küchenuhr, die über der Tür hing. „Was machst du denn schon so früh hier unten? Es ist gerade mal kurz nach sechs.“ Rhys ging zum Kühlschrank und nahm sich den Orangensaft heraus. Er füllte sich ein Glas, das er aus dem Küchenschrank holte, dann setzte er sich zu seiner Freundin. „Was ist denn mit dir?“, fragte er nach einem Blick auf Lexy, die schweigend vor sich hin starrte. 
     Lexy sah ihn an und schüttelte den Kopf. Sie war hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, sich ihrem Freund anzuvertrauen oder doch lieber zu schweigen. „Es ist nichts“, antwortete sie leise, doch ihre Stimme wirkte dabei ziemlich schwermütig. 
     „Ach ja? So siehst du aber nicht aus. Na los, erzähl schon.“ Rhys sah sie auffordernd an. 
     Lexy seufzte leise. „Phoenix kommt aus einem reichen Haus“, begann sie schließlich. „Er soll eine Wandlerin heiraten, die nicht seine Gefährtin ist und das Mädchen ist damit einverstanden.“
     Rhys schwieg erstaunt. „So etwas gibt es in der heutigen Zeit noch?“, fragte er verwundert und sah, wie Lexy nickte. 
     „Anscheinend schon“, meinte sie und vergrub die Hände in ihren Haaren. 
     „Aber das sollte doch kein Problem für euch beide sein. Ich meine, ihr seid Mates“, versuchte er die Wölfin aufzuheitern.
     „Das ist ja das Problem. Wir mögen Gefährten sein, aber wir haben uns noch nicht markiert. Ich wollte ihn erst besser kennenlernen. Den wahren Phoenix hinter all dieser Arroganz“, erklärte sie voller Verzweiflung. 
     „Na und? Dann geh halt hin und schlaf mit ihm. Markiert euch einfach, so können sich seine Eltern nicht mehr zwischen euch drängen“, schlug der Omega vor. 
     Lexy sah ihn erstaunt an. Rhys Vorschlag war einfach und klang logisch, weshalb sie nickte. Langsam stand sie auf. „Kannst du Cayden sagen, dass ich mir seinen Wagen ausleihe? Ich muss zu ihm.“ 
     Rhys nickte und sah ihr dann nach, wie sie aus der Küche verschwand. Er räumte Lexys Tasse und sein Glas weg, dann machte er sich zurück auf den Weg zu seinem Gefährten. 
     Dort angekommen, krabbelte er zurück ins Bett und wurde sofort an den großen Körper seines Mate gezogen. Cayden umschlang ihn mit den Armen und drückte ihm verschlafen einen Kuss auf die Stirn. „Wo warst du denn, Kätzchen?“, nuschelte der Alpha verschlafen. 
     „Ich habe deine Schwester in der Küche getroffen, als ich etwas trinken wollte. Sie hat sich deinen Wagen ausgeliehen, um zu Phoenix zu fahren“, erklärte er. 
     „Um diese Zeit?“ Cayden drückte sein Gesicht gegen Rhys Halsbeuge und roch an dem Omega. „Hmm, ich liebe deinen Duft einfach.“ 
     Rhys kicherte leise. „Ich weiß“, meinte er lachend. „Und meinen Geschmack liebst du noch viel mehr“, stellte er fest, da Cayden ihm sanft über den Hals leckte.
      Eng umschlungen schliefen sie anschließend wieder ein.

     Lexy kam eine halbe Stunde später bei dem kleinen Haus von Phoenix’ Tante an. Sie blieb noch einen Augenblick sitzen, dann stieg sie aus. Vor der Haustür hob sie zögernd die Hand, dann atmete sie ein paar mal tief durch und klingelte. Zu ihrem Erstaunen öffnete sich die Tür recht schnell. 
     Amy stand angezogen im Türrahmen und sah sie fragend an. „Oh, Lexy. Wenn du zu Phoenix möchtest, er ist nicht da“, sagte die Beta und bat sie mit einer Handbewegung herein. In der Küche setzten sie sich und Amy sah sie erwartungsvoll an.
     „Wo ist er denn? Ich muss mit ihm reden“, begann Lexy und nahm die angebotene Tasse Kaffee entgegen. 
     „Da er nicht wusste, wie lange du brauchst, um dich zu fangen, habe ich ihm den Vorschlag gemacht, er solle mal wieder seinen besten Freund besuchen gehen“, erklärte Amy und betrachtete die Gefährtin ihres Neffen aufmerksam. 
     In Lexys Gesicht schlich sich Enttäuschung. „Was hast du denn erwartet, nachdem du ohne ein Wort zu sagen, davongelaufen bist?“ Jade hatte sie angesprochen, doch Lexy ignorierte sie. 
     „Wie lange möchte er denn dort bleiben?“ Fragend sah sie Amy ins Gesicht. 
     Die andere Frau zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber am Samstag ist er ganz sicher wieder da“, antwortete sie. 
     Lexy nickte. „Kann ich seine Handynummer bekommen?“, fragte sie schließlich. 
     Nun war es Amy, die nickte. Kurz darauf stand sie auf und verschwand im Flur. Kurz darauf kam sie mit ihrem eigenen Handy zurück. Sie tippte darauf herum, dann reichte sie es an Lexy weiter. „Ihr beide habt eure Nummern noch nicht getauscht?“ Sie wirkte verwundert. 
     „Nein. Anfangs wollte ich meine nicht herausgeben, dann war Phoenix eigentlich immer an meiner Seite und ich habe es vergessen“, gab sie zu. Lexy gab Phoenix Nummer in ihr Handy ein, dann drückte sie die Anrufen-Taste. Es dauerte einen Augenblick, bevor sie es tuten hörte. Gleichzeitig ertönte ein Klingelton, der aus dem Wohnzimmer zu kommen schien. 
     „Oh, allem Anschein nach hat er sein Handy liegen lassen“, stellte die Beta fest. 
     Lexy legte auf und sofort verstummte das Klingeln. „Gibt es einen anderen Weg, ihn zu erreichen?“ Sie musste unbedingt mit ihm sprechen, denn niemand würde ihr ihren Mate abnehmen, schon gar keine arrangierte Ehe!
     „Warum willst du denn unbedingt mit ihm sprechen?“ Amy ging gar nicht auf Lexys Frage ein. 
     Die Jüngere sah sie nachdenklich an, bevor sie sprach. „Phoenix ist mein Mate! Und niemand nimmt ihn mir weg. Keine bescheuerten Eltern, die glauben, noch im Mittelalter leben zu müssen, mit ihrer arrangierten Ehe. Auch keine andere Wölfin, die bereit ist, ihn zu heiraten.“ Lexy hatte ruhig und gefasst gesprochen, doch ihre Augen zeigten etwas anderes, denn darin war ihre Wölfin zu erkennen.
     „Aha? Macht sich endlich dein Besitzanspruch bemerkbar?“ Amy zwinkerte ihr wissend zu. „Da wird er sich aber freuen. Mein Neffe hatte schon Angst, du wolltest ihn nicht akzeptieren.“ 
     Lexy sah die Beta betroffen an. „Och menno. Ich hätte ihm zeigen sollen, dass er mir gefällt“, jammerte sie. 
     „Das hättest du wohl besser getan. Ich habe Phoenix noch nie so unsicher gesehen. Normalerweise strotzt er nur so vor Selbstbewusstsein.“ Amy blickte Lexy mit ernstem Blick an. 
     Beide schwiegen, dann wiederholte die Jüngere sich. „Also? Wie kann man ihn erreichen?“ 
     Amy lächelte versteckt. Diese Wölfin wusste, was sie wollte und das war gut so, denn gegen Phoenix Eltern würde es die Beta ziemlich schwer haben. „Ich werde mal bei Mikas Eltern anrufen und ihm sagen, dass du mit ihm reden möchtest“, sagte Amy und suchte die richtige Nummer auf dem Handy heraus. Mit dem Handy in der Hand verschwand sie ins Wohnzimmer und Lexy blieb allein in der Küche zurück. Es dauerte nicht lange, da kam die ältere Beta zurück. 
     „Phoenix und Mika sind ganz früh heute Morgen auf einen Wanderausflug gegangen. Da sie dazu in einem Tal sind, gibt es dort keinen Empfang, weshalb Mika sein Handy zu Hause gelassen hat. Ich habe sie gebeten, Phoenix auszurichten, dass er sich bei mir melden soll, wenn sie zurück sind.“
     Lexy konnte ihre Enttäuschung nicht verbergen. Sie wollte ihren Gefährten unbedingt so schnell wie möglich kennzeichnen. Jeder sollte wissen, dass er vergeben war! 
     „Das hättest du dir aber auch schon früher einfallen lassen können!“, murrte es verärgert in ihr. Jade war sauer auf sie, das konnte sie deutlich spüren. 
     „Ich weiß und es tut mir leid. Wir holen das so schnell wie möglich nach, das verspreche ich dir.“ Lexys Worte schienen die Wölfin zu beschwichtigen. 
     „Soll ich dir etwas von meinem Neffen erzählen? Dann wirst du vielleicht verstehen, warum er so ist, wie er ist“, schlug Amy vor und Lexy nickte zustimmend. 
     Amy bat sie, mit ihr ins Wohnzimmer zu gehen und Lexy folgte ihr. Sie setzten sich und machten es sich bequem, dann fing die Beta an zu erzählen. „Phoenix hatte es bei seinen Eltern nie leicht“, begann Amy zu sprechen. „Er ist kein Wunschkind in dem Sinne, weil Eltern ein Kind aus Liebe wollen. Er wurde nur gezeugt, um einen Erben zu haben. Seine Eltern sind beide Alphas und sehr reich.“ Kurz unterbrach sie sich, dann sprach sie weiter. „Sie haben ihn nie wirklich geliebt und er war nur Mittel zum Zweck. Auch sind sie keine wahren Mates.“ Amy starrte blicklos vor sich hin und Lexy wartete darauf, dass die Beta weiter sprach.
     „Anfangs versuchte Phoenix, die Liebe seiner Eltern durch Gehorsamkeit zu erlangen. Er schrieb gute Noten in der Schule und machte alles, was sie von ihm verlangten. Doch sie ignorierten ihn. Er wurde von Nannys groß gezogen, dann fing er an zu rebellieren.“ Amy blickte Lexy an und lächelte traurig. „Als elf war, lief davon und sprühte Graffiti an Wände. Er begann zu stehlen und wurde mit dreizehn zum ersten Mal von der Polizei nach Hause gebracht. Seine Eltern tobten, doch das war ihm egal.“ 
     Wieder machte die Tante eine Pause. „Ich kam dazu, als er fast vierzehn war und habe lange gebraucht, um zu ihm durchzudringen. Er war so abwehrend und traurig. Ich verstehe meinen Bruder nicht, denn Phoenix ist eigentlich ein lieber Junge.“ Amy zuckte ratlos die Schultern. „Ich suchte mir vor drei Jahren ein Haus und zog um. Ich ertrug meinen Bruder und seine Frau einfach nicht mehr. Das hat meinen Neffen fast in die Verzweiflung getrieben und so entschied er sich, mir zu folgen. Vor knapp drei Monaten kam er dann hier an, doch nun beabsichtigen seine Eltern ihn zurückzuholen, um ihn zu verheiraten.“ 
     „Wie alt ist Phoenix eigentlich?“, fragte Lexy neugierig.
     „Er ist zwanzig“, antwortete Amy knapp. 
     „Aber warum kann er dann nicht selbst über sein Leben entscheiden?“ Lexy verstand gar nichts mehr. 
     „Weißt du. Es ist ein großes Erbe und seine Eltern haben ihm ziemlichen Druck gemacht. Um ihn zu erpressen, haben sie sogar mich bedroht. Zudem soll er auch das Rudel seiner Familie übernehmen. Aber das alles ist ihm nicht wichtig. Er möchte kein reicher Alpha eines Rudels sein, das nicht wirklich zusammenhält, weil sich der derzeitige Alpha nicht für die Rudelangelegenheiten interessiert.“ 
     Wieder schüttelte Amy traurig ihren Kopf. „Phoenix möchte sich von seinen Eltern lossagen, doch die beiden akzeptieren diese Entscheidung nicht. Um ihn bei sich zu behalten, wollen sie ihn verheiraten, darum ist mein Neffe vor ihnen geflohen. Doch nun haben sie ihn gefunden und möchten ihn wieder zurückholen und dazu ist ihnen jedes Mittel recht.“ 
     „Das werde ich nicht zulassen. Phoenix gehört mir und nicht so einer daher gelaufenen Wölfin, die meint, ihren Eltern gehorchen zu müssen!“ Fluchend fuchtelte Lexy mit ihren Händen in der Luft herum, was Amy ein Lächeln ins Gesicht zauberte. 
     „Und wie willst du das verhindern?“ Fragend sah Amy die Gefährtin ihres Neffen an. 
     „Das ist doch ganz einfach. Ich werde ihn markieren! Dann weiß jeder, dass er meins ist und niemand kann sich dann mehr dazwischen drängen. Auch seine Eltern nicht.“ 
     Lexy wirkte sehr zielstrebig, was Amy außerordentlich amüsierte. Sie war sich sicher, dass die Beta ihrem Mate eine gute Partnerin sein würde, die sich auch gegen dessen Eltern zu behaupten wusste. „Phoenix wird wahrscheinlich erst am Samstagmittag zurückkommen. Du solltest zusehen, dass du spätestens um dreizehn Uhr hier bist. Das ist die Zeit, in der sich seine Eltern angekündigt haben.“ 
     Lexy blickte Amy überrascht an. „Okay“, antwortete sie. „Ich werde auf jeden Fall hier sein. Niemand nimmt mir meinen Gefährten weg. Schon gar keine Eltern, die ihren Sohn nicht lieben!“ 
     Kurz darauf verabschiedete sich die Beta bei Amy mit einer Umarmung und ging nach Hause. Ihr war klar, dass sie jetzt einige Tage ohne Phoenix auskommen musste und sie sich nach ihm sehnen würde. 
     „Zum Glück haben wir Rhys“, meinte ihre Wölfin selbstsicher. „Dann muss er wohl für eine Weile unser Kuschelbedürfnis stillen!“
     Lexy kicherte leise in sich hinein. „Das wird meinem Bruder ganz sicher nicht gefallen. Er ist ganz vernarrt in Rhys und wird ihn wohl kaum mir überlassen.“ 
     „Der soll sich nicht so haben! Wir haben ihm schließlich auch geholfen, als er am Anfang wegen Rhys jemanden gebraucht hat.“ Jade äußerte gute Argumente, stellte Lexy fest. Dennoch hatte sie ein wenig Angst vor den nächsten Tagen ohne Phoenix, denn schließlich vermisste sie ihn schon jetzt.

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Was wohl passiert, wenn Phoenix und Lexy wieder aufeinander treffen?
Und Phoenix Eltern? Sind sie wirklich so unmöglich, wie Amy behauptet?
Wir werden sehen...

Alphas Mate II - Secret Love Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt