Der Nebel - Tåket

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Der Nebel - Tåket

Og eg blei lam i frå livet og ner
Og mitt navn blir ikkje lenger nevnt når folk ber
For ingen husker gamle Kristopher
Han som redda fem liv for sjøl å bli et krigsoffer
(Kaizers Orchestra – Bris)
*
Und ich war mein weiteres Leben lang gelähmt
Und mein Name wird nicht mehr genannt, wenn die Leute beten
Denn niemand denkt an den alten Kristopher
Ihn, der fünf Leben gerettet hat und ein Kriegsopfer wurde

~

Es war neblig geworden.
Einar saß auf dem felsigen Boden und schaute wieder hinaus aufs Meer. Hedvig hatte mit der Kleinen zu tun und er wollte ihr ihre Ruhe lassen, auch wenn sie ihn nicht darum gebeten hatte.
Er wollte sich nicht in ihre Familie einmischen. Nicht jetzt, wo er noch immer nicht wusste, was da zwischen ihnen war. Er konnte nicht noch eine Familie verlieren.
Er wollte aber auch nicht mit Hedvig reden. Er hatte zu viel Angst davor. Angst. Dass sie gehen würde oder dass sich ihr gutes Verhältnis schlagartig ändern würde. Dass sie nicht mehr so miteinander umgehen würden, wie bisher.
„Worüber denkst du nach?", fragte jemand hinter ihm. Obwohl er wusste, dass es Hedvig war, drehte er sich um. Einfach nur um sie zu sehen.
„Über nichts.", antwortete Einar.
„Störe ich dich?", wollte sie wissen und sah aus, als wäre sie bereit, sofort umzudrehen und ihn in Ruhe zu lassen.
„Nein. Überhaupt nicht.", erwiderte Einar schnell. Er hatte nicht vor, mit ihr zu reden, aber es war schön, wenn sie einfach zusammen schweigen konnten.
„Was macht Hulda?", fragte Einar, während Hedvig sich neben ihn setzte.
„Sie schläft. Ich schätze, eine halbe Stunde kann ich sie getrost aus den Augen lassen."
„Hm."
Hedvig schaute hinaus auf die dichte Nebelwand. Eine kühle Brise wehte durch ihre Haare. Der Nebel hätte unheimlich wirken können, aber in diesem Moment sah er geradezu magisch aus, als würde er die Welt mit all ihren Sorgen von der kleinen Schäre abschirmen.
„Beruhigend, oder?", fragte Hedvig dann.
„Was?"
„Der Nebel."
„Ja."
Einen kurzen Moment war es still.
„Kann ich dich was Persönliches fragen?", wollte Hedvig wissen. Etwas Persönliches? Was sollte das sein?
„Ja, sicher.", antwortete Einar.
„Wie hast du gemerkt, dass du ein anderes Leben führen willst, als die meisten deiner Bekannten? Wie hat sich das angefühlt?", fragte sie. Sie sah ihn nicht an, sondern starrte nur auf die Nebelwand. Einar lehnte sich zurück und überlegte eine Weile.
„Es kam ziemlich plötzlich. Ich weiß auch nicht mehr so genau, was der Auslöser war, aber es war, als wäre man plötzlich aus einem langen Schlaf aufgewacht. Man sieht auf einmal die ganze gnadenlose Realität um sich herum und man nimmt sie bewusst wahr. Am liebsten würde man weiterschlafen, aber es geht nicht. Man wacht einfach plötzlich auf und fragte sich: Was zur Hölle tue ich hier eigentlich die ganze Zeit? Tut mir leid, aber besser kann ich es nicht beschreiben.", sagte er leise. Hedvig sah ihn an und nickte. Dann schaute sie wieder schweigend aufs Meer.
„Und wie fühlt es sich an, sein Gedächtnis zu verlieren?", wollte Einar kurze Zeit später wissen.
„Wie kurz nach einer Vollnarkose. Am Anfang ist noch alles wie betäubt und du nimmst alles nur so halb wahr. Was du tust, tust du wie im Koma, bis dann die große Verwirrung hereinbricht. Wer bist du, wo bist du und wie bist du hierhergekommen? Irgendwann wird alles klarer. Aber die Zeit, die du in Narkose verbracht hast, bleibt verschwunden. Es fühlt sich ein bisschen unheimlich an, ehrlich gesagt.", meinte Hedvig und lächelte ein wenig.
„Das Schlimmste war es, meine Familie und meine Freunde wiederzusehen.", fügte sie dann hinzu.
„Warum?"
„Ich kann mich zwar langsam an einige Details erinnern, aber die Menschen bleiben mir trotzdem fremd. Dabei weiß ich, dass ich ihnen einmal mit Herz und Seele vertraut habe."

Huset på skjæret - Das Haus auf der SchäreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt