Umsteigen - Togskifte

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Umsteigen - Togskifte

Slapp av, me komme snart igjen
(Me komme snart igjen)
Du vett me får tilstrekkelig med stipend
(Tilstrekkelig med stipend)
Nå går eg inn som frivillig soldat
Når eg går ut, har eg blitt far
(Kaizers Orchestra – 170)
*
Entspann dich, ich komme bald wieder
(Ich komme bald wieder)
Du weißt, mein Stipendium reicht aus
(Mein Stipendium reicht aus)
Jetzt gehe ich rein als freiwilliger Soldat
Wenn ich wieder nach draußen komme, bin ich Vater geworden

~

Hedvig schlief friedlich.
Es würde nicht mehr allzu lange dauern, bis sie in Oslo angekommen waren. Dort würden sie umsteigen müssen. Einar wollte sie eigentlich nicht wecken. Wenn sie schlief war sie so schwach und zerbrechlich. Sie wirkte zumindest so. Sie wirkte schutzlos.
Einar strich ihr gedankenverloren über die Haare. Sie hatte eine nette Familie. Eine wirklich nette Familie. Wenn er es richtig verstanden hatte, waren ihre Schwestern die einzigen Personen, die ihr noch blieben. Eine studierte Kartografie, die andere studierte Pharmakologie. Wie kam es, dass gerade Hedvig diejenige war, die den Beruf des Vaters übernommen hatte? Warum war gerade sie Fischerin geworden?
Sie hätte genauso gut etwas anderes machen können. Etwas, bei dem man nicht so schwer arbeiten musste und mehr Geld verdiente. Aber sie wäre vermutlich mit nichts anderem glücklich geworden. Einar nahm sich vor, sie deswegen noch einmal zu fragen.
Ob sich die Nachricht, dass sie wieder aufgetaucht war, bei ihren Freunden in Egersund schon verbreitet hatte? Einar konnte es sich vorstellen. Irgendjemand hat es vielleicht von Olav Høyden gehört und jemandem anderen davon erzählt. „Jorunn Persen ist wieder aufgetaucht, hast du schon davon gehört?"
Aber morgen wollte sie ja sowieso ihre Freunde besuchen. Es würde nicht lange ein Geheimnis bleiben. Allerdings schienen alle davon überrascht zu sein, dass sie schwanger war. Niemand schien irgendetwas davon zu wissen.
Vermutlich würde sie den Vater des Kindes nie finden. Es war wahrscheinlich ein unmögliches Unterfangen, das überhaupt zu versuchen. Einar fragte sich, ob er eventuell bereit wäre, sich um das Kind zu kümmern. Hedvig war zwar sehr belastbar, aber er glaubte, dass es sie an ihre Grenzen treiben würde, das Kind völlig alleine großzuziehen.
Die anderen Menschen im Zug sahen von Zeit zu Zeit lächelnd zu Einar und Hedvig. Wahrscheinlich glaubten die meisten sowieso schon, dass sie beide eine Beziehung hatten und dass das Kind von ihm war. Sie hatten ja keine Ahnung.
Bald würden sie in Oslo sein und bald würden sie umsteigen müssen. Einar war der Meinung, dass es jetzt wirklich Zeit war, Hedvig zu wecken. Sie würde es ihm nicht übelnehmen. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt jemandem etwas übelnehmen konnte.
Er rüttelte leicht an ihrer Schulter, aber das brachte nichts. Sie schlief tief und fest. Sie verzog nur kurz den Mund und schlief genauso friedlich weiter.
„Hedvig. Du musst aufstehen. Wir müssen gleich raus.", sagte Einar zu ihr und rüttelte noch einmal an ihrer Schulter, diesmal etwas stärker.
„Lass mich weiterschlafen.", murmelte Hedvig leise und undeutlich.
„Nein, du musst aufstehen. Wir sind gleich in Oslo und müssen umsteigen.", erwiderte er. Hedvig riss schlagartig die Augen auf.
„Oh, verdammt. Tut mir leid, ich war einfach noch so müde.", sagte sie und setzte sich ruckartig auf. Dann wartete sie kurz, vermutlich weil ihr schwindelig war. Ihr Kreislauf war im Moment sowieso nicht mehr der beste. Vielleicht sollte Einar ihr bald sagen, dass sie lieber zuhause bleiben sollte, anstatt jeden Morgen fischen zu gehen. Die schwere Arbeit war im Moment nichts mehr für sie. Sie war im sechsten Monat schwanger.
„Wir müssen nicht lange warten. Du kannst ja dann weiterschlafen.", meinte Einar, als Hedvig sich streckte. Sie nickte nur und lächelte.

Huset på skjæret - Das Haus auf der SchäreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt