Entschuldigungen - Unnskyldninger
Der Dritte sagte: „So wie die Kälte ihren Ursprung in Niflheim nahm und ebenso alles Grimmige, so war all das, was in der Nähe Muspells lag, heiß und gleißend hell. Aber das Ginnungagap war so mild wie windstille Luft."
(Edda des Snorri Sturluson, Gylfis Täuschung, 5.)
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Sie sah ihn aus scheuen Augen an.
Einar hatte ihr eine Wolldecke gegeben, er hatte ihr Hulda abgenommen und sie zurück in die Wiege gelegt. Sie hatte ihn nur leer angesehen. Er hatte sie gefragt, ob sie etwas essen oder trinken wolle. Sie schwieg.
Seit sie wieder im Haus waren, sagte sie kein Wort mehr. Vor ihr stand eine warme Tasse Tee, die vor sich hin dampfte. Einar hatte einfach angenommen, dass sie etwas Warmes gebrauchen könnte.
Aber Hedvig hatte die Tasse nicht angerührt. Sie sah ihn einfach nur schweigend an. Einen Moment lang dachte er, sie wäre vielleicht irgendwie rückfällig geworden und hätte ihre Erinnerungen wieder verloren. Aber dann hätte sie wohl kaum geschwiegen.
„Willst du nichts trinken?", fragte er sie. Sie sah ihn nur unverwandt an. Ihre Haare waren noch immer offen. Einar würde sich wohl nie an diesen Anblick gewöhnen. Sie sah so jung und zerbrechlich aus, wenn sie ihre Haare offen trug. Es erinnerte ihn immer wieder an die sechs Jahre Altersunterschied, die zwischen ihnen lagen. Sechs ganze Jahre! Sie war noch fast ein Kind, als er seine jetzige Ex-Frau geheiratet hatte.
„Ist dir wieder wärmer? Brauchst du irgendetwas?", wollte er wissen. Hedvig sah ihn einfach weiter an. Es war zum Verzweifeln. Wie sollte er sie denn zum Reden bringen? Er wollte doch nur wissen, ob es ihr gut ging.
Einar setzte sich ihr gegenüber. Er nahm ihre Hand. Hedvig senkte den Kopf ein wenig und sah zur Seite.
„Bitte rede doch mit mir. Hedvig, bitte.", sagte er. Sie sah ihn nur kurz müde an, dann senkte sie den Blick wieder. Sie schwieg.
„Es tut mir Leid. Bitte, Hedvig, sag mir wenigstens, ob es dir gut geht oder ob ich irgendetwas für dich tun soll. Bitte."
Einar war überrascht, wie verzweifelt seine Stimme klang. Aber er wollte nur irgendetwas hören. Ein einziges Wort. Und wenn sie ihn zur Hölle schickte, dann sollte es ihm eben recht sein. Hauptsache, sie sagte irgendetwas. Nur ein einziges Wort.
„Was willst du denn hören?", erwiderte sie mit leiser, rauer Stimme und in einem gebrochenen Tonfall. Einar fiel vor Erleichterung ein Stein vom Herzen. Er drückte ihre Hand kurz und hielt sie weiter fest.
„Irgendetwas. Sag mir einfach irgendetwas und wenn es nur ein Wort ist.", erwiderte Einar. Sie sah wieder nach unten. Als sie den Kopf wieder hob, hatte sich ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht gebildet. Sie verschränkte auch ihre andere Hand mit Einars Händen.
„Bleib."
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Huset på skjæret - Das Haus auf der Schäre
Ficción GeneralEinar Andersen lebt allein auf einer Schäre vor der Küste Norwegens. Er hat seit vier Jahren mit keiner Menschenseele mehr geredet und kümmert sich eigentlich nur um sich und seine Insel. In einer stürmischen Nacht klopft allerdings ein junges Mädch...