Kein Ausweg – Ingen utvei
Der andere kam ohne eine Ahnung der Gefahr, der er entgegenging. Langsam und wie im Genuss seiner Einsamkeit und Freiheit kam er trollend daher. Bald hörte man seine schweren Schuhe und seine eisenbeschlagenen Hacken auf den Steinen.
Der unten war ein wohlgebauter Junge, blond und vielleicht ein Jahr älter als der andere. Er trug weites, grobes Schuhwerk, um den Hals einen wollenen Schal und an den Händen große Fausthandschuhe. Am Arm hatte er einen jener auf dem Lande gebräuchlichen Körbe, blau bemalt und mit weißgelben Rosen.
(Björnstjerne Björnson – På Guds Veje)
~
Ihre Augenlider flackerten.
Sie flackerten nur ganz wenig, aber Einar hatte Hedvig so genau beobachtet, dass er die kleinste Bewegung wahrnahm. Noch schlief sie, aber gleich würde sie aufwachen.
Da! Ein Augenzwinkern, ein verräterisches Flackern der Augenlider. Ein Blinzeln. Sie öffnete langsam ihre Augen. Einar fiel auf, dass sie ein Auge schneller öffnete, als das andere. Dann blinzelte sie wieder und gähnte.
„Morgen.", murmelte sie und lächelte ein wenig.
„Guten Morgen.", erwiderte Einar. Sie sah ihn immer noch lächelnd an. Allerdings hatte ihr Blick jetzt etwas Fragendes.
„Wie spät ist es denn eigentlich?", wollte sie dann wissen.
„Es müsste so gegen um 10 sein.", antwortete Einar, ohne den Blick von ihr abzuwenden.
„Himmel, mir ist, als wäre es nachts um vier. Aber um zehn... höchste Zeit, aufzustehen, was?", fragte sie und lachte leise. Sie setzte sich auf und schaute sich um.
„Ich muss mit dir reden.", sagte Einar und setzte sich auch auf. Hedvig sah ihn fragend an. Ihr Blick wurde etwas nervös und ihr Lächeln ein wenig kleiner. Was dachte sie jetzt wohl? Ob sie dachte, dass er sie rausschmeißen würde?
Oh nein, das wollte er nicht. Zumindest noch nicht. Vielleicht würde es später notwendig werden, aber jetzt noch nicht.
„Du willst mit mir reden?", fragte Hedvig leicht nervös. Sie setzte sich aufrecht hin und sah aus, als wäre sie jeden Moment bereit, aufzuspringen und wegzulaufen. So weit würde es Einar allerdings gar nicht erst kommen lassen.
„Ja. Über uns.", antwortete er. Hedvig schluckte kaum merklich und spannte ihre Muskeln an. Sie lachte leise auf.
„Was gibt es da zu reden?", meinte sie, wandte das Gesicht ab und wollte aufstehen. Einar hatte sie allerdings genau beobachtet. Er wusste, dass sie aufstehen wollte. Wenn sie das getan hätte, hätten sie angefangen aneinander vorbeizureden. Sie wären wütend aufeinander geworden, hätten sich angeschrien. Hedvig wäre mit Hulda verschwunden, in irgendeine Ecke der Insel, wo Einar sie nicht fand. Vielleicht wäre sie noch am selben Abend zurückgekommen, aber eine Antwort hätte Einar trotzdem nicht gehabt.
Deswegen ließ er es gar nicht so weit kommen. Er hielt ihre Oberarme fest. Sie kippte nach hinten und kam hart auf dem Boden auf. Im ersten Moment tat es Einar leid. Er hätte sich tausend Mal bei ihr entschuldigt. Aber da sie keinerlei Anzeichen von Schmerz zeigte, tat er es nicht. Sie hatte ganz sicher Schmerzen, aber sie schien kein Mitleid zu wollen. Also gab er ihr auch keines.
Er hielt sie an den Armen fest. Sie hatte keinen Ausweg mehr.
DU LIEST GERADE
Huset på skjæret - Das Haus auf der Schäre
General FictionEinar Andersen lebt allein auf einer Schäre vor der Küste Norwegens. Er hat seit vier Jahren mit keiner Menschenseele mehr geredet und kümmert sich eigentlich nur um sich und seine Insel. In einer stürmischen Nacht klopft allerdings ein junges Mädch...