# 39

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- Lola -

So ein Mist!
Mit einem frustrierten Seufzen nehme ich einen weiteren Zug von meiner Zigarette, während ich in die Straße von Dannys Kindergarten einbiege.
Vorhin im Bus wäre ich schon fast an der falschen Haltestelle ausgestiegen, weil ich so in Gedanken versunken gewesen bin. Aber das ist nach der Situation gerade ja auch irgendwo nachvollziehbar...
Ich seufze, nehme einen letzten tiefen Zug und trete die Zigarette auf dem Boden aus.
Hoffentlich geht das Gespräch zwischen Zoe und Direktorin Berger gut.
Ich meine, die beiden sind doch schließlich miteinander befreundet...
Das müsste doch eigentlich gut gehen...
Aber Direktorin Berger ist ja nicht nur Zoes Freundin, sondern auch ihre Chefin...
Und sie muss so einen Vorfall mit Sicherheit auch irgendwo melden...
Ob sie das tun wird?
Oder ob Zoe sie überzeugen kann, diese ganze Angelegenheit zu vergessen?
Ach, Mist!
So ein verdammter, gottverdammter Mist!
Stöhnend vergrabe ich meine Hände in den Taschen meiner Lederjacke, wobei eine Hand mein Handy in einer der besagten Taschen umfasst.
Überrascht hebe ich meine Augenbrauen.
Vielleicht hat Zoe sich ja schon gemeldet und ich habe es einfach nur nicht mitbekommen...
Hastig ziehe ich mein Handy aus der Tasche und drücke auf den kleinen Knopf an der Seite, um das Display zum Aufleuchten zu bringen.
Doch es tut sich nichts.
Was zum...
Ich drücke mehrmals hintereinander auf den Knopf, aber das Display bleibt nach wie vor schwarz.
Kein Zweifel...der Akku ist leer...
Das gibt es doch nicht!
Warum geht denn heute alles schief?!
Wütend stopfe ich mein Handy zurück in meine Jackentasche und trete gegen einen Stein, der über den Bürgersteig hüpft und gegen das Eingangstor des Kindergartens schlägt.
Das verschlossene Eingangstor...
Ich runzle die Stirn, bleibe aber entspannt.
Es ist schon öfters passiert, dass sich an einigen Tagen ein paar der Kinder während ihrer Spielzeit draußen immer mal wieder gerne auf Wanderschaft begeben und die Erzieherinnen als Konsequenz das Eingangstor abschließen, damit keines der Kinder aus Versehen nach draußen auf die Straße laufen kann.
Und manchmal vergaßen die Erzieherinnen eben, nach der Spielzeit das Tor wieder aufzuschließen...
Ich seufze und gehe ein paar Schritte an dem hohen Gitterzaun entlang, der das Gebäude des Kindergartens umgibt.
Und da ich dank meines leeren Akkus nicht anrufen und Bescheid sagen kann, heißt es wohl klettern...
Ich brauche einen Moment, bis ich eine geeignete Stelle am Zaun gefunden habe, ohne auf der anderen Seite gleich in einen der riesigen Büsche zu fallen, die zum größten Teil vor den Gitterzaun gepflanzt worden sind.
Mit einer gekonnten Bewegung werfe ich meine Tasche über den Zaun, die mit einem dumpfen Geräusch auf der anderen Seite und zum Glück weit entfernt von den Büschen landet. Dann trete ich etwas näher an den Zaun heran, reibe mir noch einmal kurz die Hände und beginne dann mit geübten Griffen den Zaun hochzuklettern.
Wer hätte gedacht, dass sich die regelmäßigen nächtlichen Abstecher ins Freibad im Sommer mit den Jungs derart auszahlen würden...
Oben angekommen klettere ich auf die andere Seite und fixiere einen Punkt am Boden, bevor ich abspringe und mit einer halben Seitwärtsrolle auf dem Boden lande.
Mission erfolgreich abgeschlossen.
Wenigstens eine Sache, die heute klappt...
Mit einem Seufzer klopfe ich etwas Dreck von meiner Jeans und greife nach meiner Tasche, die ich über meine Schulter werfe und in Richtung des Kindergartengebäudes stapfe.
Hoffentlich braucht Danny heute nicht so lange, um sich von seinen Freunden zu verabschieden. Ich meine, er sieht sie ja schließlich morgen wieder...
Aber ich muss unbedingt nach Hause und mein Handy aufladen!
Was mache ich denn nur, wenn Zoe versucht, mich zu erreichen?
Sie wird sich doch bestimmt Sorgen machen...
Oh Mann, hoffentlich denkt sie nicht, ich will wegen diesem Vorfall nichts mehr mit ihr zu tun haben und ignoriere ihren Anruf absichtlich!
Verdammt, was...
Meine Gedanken stocken und meine Augenbrauen heben sich, als Dannys Erzieherin Frau May aus dem Kindergartengebäude tritt und mir entgegenkommt.
Mit einem sehr erstaunten Ausdruck auf dem Gesicht...
"Warst du diejenige, die ich gerade von unserem Besprechungsraum aus über den Zaun habe klettern sehen, Lola?", fragt sie, als sie schließlich ein paar Schritte vor mir stehen bleibt und mich mit schief gelegtem Kopf mustert.
"Ja, das war ich", ich nicke und deute mit dem Kopf hinter mich, "tut mir Leid, aber das Eingangstor war vorne wieder abgesperrt. Aber keine Sorge, ich habe aufgepasst und alle Büsche haben es überlebt."
Grinsend zwinkere ich Frau May zu, die mich jedoch weiterhin mit einer Mischung aus Erstaunen und Verwirrung ansieht.
Was ist denn los?
Für einen Moment öffnet und schließt Frau May ihren Mund immer wieder, so als wollte sie etwas sagen, bis sie sich schließlich räuspert.
"Und...warum bist du hier?"
Was?
Nun bin ich diejenige, die Frau May irritiert ansieht.
"Ähm...ich will Danny abholen", sage ich nach einer Weile des Schweigens, während sich langsam ein ungutes Gefühl in mir ausbreitet, "Sie wissen schon...so wie immer?"
"Ach so."
Frau Mays erleichtertes Auflachen beruhigt mich etwas, aber ich bleibe weiterhin skeptisch.
Wieso fragt sie, was ich hier will?
Ist das ein Fall von vorgezogener Demenz oder was?
"Verstehe", Frau May räuspert sich erneut, "dann hat man es dir also noch nicht erzählt."
"Was hat man mir nicht erzählt?", frage ich und kann nicht verhindern, dass meine Stimme etwas schärfer wird.
Frau May scheint das jedoch nicht zu stören, da sie meinen Blick weiterhin ruhig erwidert.
"Die Leiterin in unserer Einrichtung hat heute auf eine außerordentliche Konferenz bestanden. Es gibt einige Punkte zu klären und die Zeit für eine detaillierte Besprechung reicht nicht, wenn die Kinder da sind, zumal auch nicht alle Kräfte bis in den späten Nachmittag arbeiten. Da einige Punkte aber möglichst bald geklärt werden müssen, da wir auch bestimmte Fristen zu beachten haben, kam es heute zu dieser sehr spontanen Konferenz, die jetzt auch gerade noch läuft. Deshalb ist das Tor auch verschlossen. Meine Kolleginnen und ich haben den Vormittag und Mittag damit verbracht, die Eltern telefonisch darüber in Kenntnis zu setzen und manche Eltern, die nicht berufstätig sind, haben sich freundlicherweise dazu bereit erklärt, die anderen Kinder ebenfalls zu betreuen. Dich hatten wir allerdings telefonisch nicht erreicht..."
Während Frau May mir einen leicht fragenden Blick zuwirft, vergrabe ich mein Gesicht in einer Hand.
"Ja, weil mein verdammter Akku leer war", stöhne ich und schaue wieder auf, bevor ich tief durchatme, "es tut mir Leid, Frau May. Es kommt auch nicht wieder vor. Also ist Danny dann wahrscheinlich mit einem seiner Freunde mitgegangen, oder?"
"Ähm, nein", erwidert Frau May und mustert mich nun wieder mit ihrem erstaunten Blick, "Danny wurde abgeholt."
"Was?!" Entgeistert starre ich Frau May an. "Aber...aber Sie haben doch gerade gesagt, dass Sie mich telefonisch nicht erreicht haben!"
Frau May nickt. "Das stimmt. Aber weil neben deiner Handynummer auch noch eine Festnetznummer für Danny hinterlegt ist, habe ich dort angerufen und mit deiner Mutter gesprochen. Und sie hat Danny abgeholt."
Ich kann nicht anders, als Frau May einfach nur anzustarren.
Das kann nicht sein.
Das glaube ich nicht.
Ich muss mich verhört haben.
"Meine...Mutter...meine Mutter hat Danny abgeholt?", frage ich ungläubig und starre Frau May weiter an, die daraufhin erneut nickt.
"Ja. Ich habe deine Mutter zwar bisher nur einmal gesehen, als Danny seinen ersten Tag hier im Kindergarten hatte, aber..."
"Sind Sie eigentlich total bescheuert?! Wissen Sie überhaupt, was Sie da getan haben?!"
Geschockt über meinen Ausruf starrt Frau May mich aus geweiteten Augen an, während ich mich mit einem wütenden Schnauben von ihr abwende.
Das kann doch alles einfach nicht wahr sein!

Liebe Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 1) (girlxgirl; teacherxstudent)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt