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- Lola -

"Boah, zum Glück ist das vorbei", knurrt Rohan, als wir zusammen den Klassenraum von Herrn Lüdenscheid kurz nach dem Klingeln der Schulglocke verlassen. "Wenn der Typ mir noch eine dieser behinderten Matheaufgaben gestellt hätte..."
"Jetzt stell dich nicht so an! Wer war denn die Hälfte der Stunde über an der Tafel?", entgegne ich und trete gegen eine zusammengeknüllte Papierkugel, die auf dem Boden lag und nun quer durch den Korridor rollt. "Habib und Marvin haben so ein Glück! Wieso müssen wir diesen Penner auch noch in unserem letzten Schuljahr haben?! Da kann ich meinen Abschluss ja direkt vergessen!"
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Rohan mich prüfend von der Seite mustert.
"Ist alles okay?"
"Ja!"
"Bist du sicher?"
"Bist du schwerhörig?!"
"Ich meine ja nur", sagt Rohan und hebt abwehrend die Hände, "du bist den ganzen Tag über schon so genervt."
"Bin ich nicht!"
Rohan seufzt. "Wenn du das sagst."
Schweigend gehen wir ein paar Schritte nebeneinander her, bis ich schließlich ebenfalls seufze.
"Sie hat wieder angefangen zu trinken."
Rohan dreht den Kopf zu mir und seine Augen weiten sich. "Deine Mutter?"
Ich nicke.
"Scheiße", murmelt er und ich spüre, wie er seinen Arm um meine Schultern legt. "Seit wann weißt du es?"
"Seit ein paar Tagen."
"Und wie geht's dir?"
"Es geht schon."
"Und wie geht's dir wirklich?"
Ich schaue zu ihm und sehe, wie sich Besorgnis in seinen braunen Augen abzeichnet.
"Du musst dir keine Gedanken um mich machen", sage ich und lächle ein wenig. "Wirklich nicht. Es ist ja nicht das erste Mal. Und außerdem habe ich zurzeit eh ganz andere Probleme."
"Und die wären?", fragt Rohan, der immer noch seinen Arm um meine Schultern gelegt hat.
Erst jetzt fällt mir auf, dass er für seine nächste Unterrichtsstunde in die völlig falsche Richtung läuft.
"Hast du jetzt nicht Bio?"
"Mach dir mal keine Gedanken darüber", sagt er und zwinkert mir zu, "also, was für Probleme hast du?"
"Na ja, Danny hat wieder seinen Ausschlag, weswegen wir gleich zum Arzt müssen. Ansonsten ist unser Kühlschrank fast leer, die Wohnung sieht aus als hätte eine Bombe eingeschlagen und das Geld reicht höchstens noch für den nächsten Einkauf."
"Soll ich dir was geben?"
Ich schüttle den Kopf. "Ich frage Xenia am Freitag nach einem Vorschuss. Sie ist ja mittlerweile bestimmt schon dran gewöhnt."
Ein trockenes Lachen entfährt mir, aber Rohan mustert mich immer noch besorgt.
"Okay, aber wenn ich irgendwas machen kann oder du etwas brauchst, sag einfach Bescheid."
"Mach ich."
"Ich meine das ernst, Lola."
"Ich weiß."
Lächelnd bleibe ich vor dem Französisch-Raum stehen, in dem ich als nächstes Unterricht habe, und drehe mich zu Rohan.
"Danke", sage ich und umarme ihn zum Abschied, "wir sehen uns." Dann drehe ich mich um und gehe in den Klassenraum.
Doch kurz nachdem ich den Raum betreten habe, bleibe ich wie angewurzelt stehen und starre mit offenem Mund die Person an, die mit überschlagenen Beinen hinter dem Pult sitzt.
"Hallo Lola", sagt Frau Jacobi und schaut mich ruhig aus ihren braunen Augen an.
Das kann doch nicht wahr sein!
"Was machen Sie denn hier?", frage ich, während sich hinter mir nach und nach immer wieder Schüler in den Raum schieben.
"Ich unterrichte diesen Kurs."
"Soll das ein Scherz sein?"
"Siehst du mich lachen?"
Ich bin viel zu irritiert, um etwas auf die ironische Bemerkung von Frau Jacobi zu erwidern und blinzle stattdessen mehrfach, während ich versuche, meine Gedanken zu sortieren.
"Wo ist Frau Kurt?"
"Sie unterrichtet nun hauptsächlich die Mittelstufe. Wie du sicher weißt, gab es einige Änderungen, was das Lehrerpersonal für das Fach Französisch betrifft. Aus diesem Grund habe ich diesen Kurs hier übernommen." Mit einer Hand weist sie auf die Stuhlreihen vor sich. "Würdest du dich nun bitte hinsetzen? Ich würde gern mit dem Unterricht beginnen."
Immer noch irritiert drehe ich mich von ihr weg.
Das kann doch einfach nicht wahr sein! Was zur Hölle macht diese Frau hier? Wieso muss sie ausgerechnet meinen Kurs unterrichten?
Mir kommt ein Gedanke und mein Gesicht verfinstert sich.
Direktorin Berger hat es gewusst. Sie hat genau gewusst, dass Frau Jacobi mich dieses Jahr in Französisch unterrichten wird. Und deshalb hat sie gestern auch darauf bestanden, dass ich nachsitze und von Frau Jacobi beaufsichtigt werde.
Prompt zieht sich mein Hals zusammen und ich muss schlucken.
Nach dem, was ich mir gestern beim Nachsitzen geleistet habe, kann ich eine gute Note in diesem Fach vergessen. Und nach unserem Streit heute Morgen erst recht...
Ich hole tief Luft und gehe langsam zu einer der hintersten Stuhlreihen.
Aber warum macht Direktorin Berger das? Ich dachte, sie will, dass ich meinen Abschluss schaffe. Aber wahrscheinlich war das auch nur wieder irgendwelches leeres Lehrergerede...
"Ach ja, da wäre noch etwas, Lola", höre ich Frau Jacobi hinter mir sagen.
Mit einem leichten Seufzer drehe ich mich wieder um und schaue zurück zum Pult.
"Nach dem Unterricht würde ich dich gerne sprechen. Unter vier Augen."
Ich schlucke erneut und nicke kurz, bevor ich mich wieder umdrehe und weitergehe.
Jetzt ist es offiziell.
Meinen Abschluss kann ich vergessen.
Und damit auch die Stelle bei Xenia.
Scheiße.

Liebe Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 1) (girlxgirl; teacherxstudent)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt