- Lola -
Ich warte nicht mal, bis Frau Jacobi auf den Parkplatz vor dem Kindergarten gefahren ist, als ich die Autotür aufdrücke und aus dem langsamer werdenden Auto auf den Asphalt springe. Mit einer gekonnten Bewegung schlage ich die Autotür hinter mir zu und stürme zum Eingang des Kindergartens.
Ich bin Frau Jacobi zwar unfassbar dankbar, dass sie mich hierhin gefahren hat, aber ich muss erst wissen, was mit Danny ist. Vorher kann ich nicht klar denken.
In dem Gebäude angekommen muss ich mich in dem langen Flur an einigen herumtobenden Kindern vorbeidrängen, bis ich zu dem Raum von Dannys Kindergartengruppe gelange.
Kurz nachdem ich den Kopf in den Raum gesteckt habe, sehe ich auch schon Danny, der auf einem der kleinen Stühle am Basteltisch sitzt. Neben ihn hat sich Frau May, eine seiner Erzieherinnen, gehockt und hilft ihm, ein Kühlakku auf sein Handgelenk zu drücken, das für ihn eindeutig viel zu groß ist.
Als Danny mich sieht, hellt sich sein Gesicht sofort auf.
"Lola!", ruft er und grinst mich breit an, woraufhin Frau May ebenfalls zu mir schaut und mir mit einem Lächeln zunickt.
"Danke, dass du gleich kommen konntest", sagt sie, während ich zu ihr und Danny hinübergehe.
"Ist doch klar. Danke, dass Sie mich sofort angerufen haben", sage ich und hocke mich vor Danny hin, um ihm einmal durch die Haare zu streichen. Dabei entdecke ich einige Kratzer an seiner linken Wange und eine leichte Schürfwunde über seiner Augenbraue. Trotzdem lächelt Danny mich weiter breit an und scheint sich überhaupt nicht daran zu stören.
Mir hingegen zieht sich der Magen zusammen und ich zwinge mich zu einem Lächeln.
"Was machst du denn für Sachen, Großer?", frage ich, woraufhin Danny seinen Kopf stolz ein Stück nach oben hebt.
"Ich bin heute bis ganz nach oben geklettert. Da, siehst du!"
Er dreht sich um und deutet durch die Scheiben der Fensterreihe nach draußen auf den kleinen umzäunten Spielplatz, auf dem neben ein paar Schaukeln, einer Wippe, einer Rutsche und einem Spielhaus auch das besagte Klettergerüst steht.
"Siehst du! Bis ganz nach oben habe ich es geschafft", wiederholt Danny und lächelt mich immer noch stolz an, während mir bei dem Gedanken, dass er von dort oben heruntergefallen ist, schlecht wird.
"Es tut mir Leid, dass ich nicht besser auf ihn aufgepasst habe", sagt Frau May und sieht mich zerknirscht an, "ich habe mich wirklich nur ganz kurz zu ein paar anderen Kindern umgedreht und..."
"Es ist schon in Ordnung. Sie können ja nichts dafür", unterbreche ich sie und schaue mit einem etwas strengeren Blick zu Danny, "und ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, dass du beim Spielen aufpasst."
Das stolze Lächeln verrutscht etwas auf Dannys Lippen und macht einem leicht schuldigen Gesichtsausdruck Platz.
"Aber ich wollte doch unbedingt nach ganz oben klettern", murmelt er und schiebt die Unterlippe vor.
"Mit dem Ergebnis, dass du dich verletzt hast", erwidere ich und nehme vorsichtig das Kühlakku von Dannys Handgelenk.
Ich verziehe das Gesicht, als ich sehe, dass es geschwollen und leicht gerötet ist.
Danny und seine verdammte Neugier...
"Tut es sehr weh?", frage ich und hebe das Handgelenk sanft mit zwei Fingern an, um es besser betrachten zu können.
"Zoe!"
Anstatt mir auf meine Frage zu antworten, schaut Danny mit seinem strahlendsten Lächeln an mir vorbei, wodurch ich mich auch umdrehe und Frau Jacobi im Türrahmen stehen sehe.
Überrascht hebe ich die Augenbrauen.
Ich dachte, sie würde im Auto bleiben.
Um ehrlich zu sein habe ich sogar gedacht, sie würde gleich wieder fahren, nachdem sie mich hier abgesetzt hat, aber zum einen habe ich meine Tasche in ihrem Auto liegen gelassen und zum anderen schien sie auch etwas besorgt um Danny zu sein, als ich ihr davon erzählt habe.
"Hallo Danny", sagt Frau Jacobi und lächelt ebenfalls, bevor sie auf uns zutritt und sich neben mich vor Danny hockt. "Ich habe gehört, du hattest einen kleinen Unfall."
"Und Sie sind?"
Auf den fragenden Blick von Frau May hin schaut Danny zu ihr. "Zoe ist eine Freundin von Lola."
"Oh."
Während Frau May mit gerunzelter Stirn zwischen Frau Jacobi und mir hin und her schaut, starre ich Danny mit geweiteten Augen an.
Er wird es nie lernen...
Als ich aus den Augenwinkeln sehe, wie Frau Jacobi mich mit einem überraschten Blick mustert, spüre ich, wie meine Wangen wärmer werden und räuspere mich.
"Ja, so was in der Art", murmle ich und richte meine Aufmerksamkeit wieder auf Dannys Handgelenk.
"Das sollte sich ein Arzt ansehen."
Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus, als Frau Jacobi sich ein Stück mehr zu mir lehnt, um Dannys Handgelenk besser betrachten zu können. Dann legt sie einen Finger unter Dannys Kinn und dreht seinen Kopf leicht in ihre Richtung, um die Schürfwunde über seiner Augenbraue zu begutachten.
"Bist du mit dem Kopf auf dem Boden aufgekommen, Danny?", fragt sie, während sie die Schürfwunde mit prüfendem Blick mustert.
Danny nickt. "Ja, aber nicht so schlimm. Es ist so, als ob ich mir den Kopf gestoßen habe."
"Verstehe", sagt Frau Jacobi und nickt leicht, immer noch auf Dannys Verletzung konzentriert. "Kannst du dich an alles erinnern?"
Danny nickt erneut.
"Hast du Kopfschmerzen? Ist dir schwindelig oder übel?"
"Nein", Danny schüttelt den Kopf und deutet mit der anderen Hand auf sein verletztes Handgelenk, "nur da tut es weh."
"Okay, kannst du deine Finger bewegen?"
Zu meiner Erleichterung schafft Danny das ohne Probleme.
"Sehr gut. Schaffst du es auch, dein Handgelenk ein wenig zu bewegen?"
Als Danny es versucht und kurz darauf sein Gesicht verzieht, hält Frau Jacobi ihn zurück.
"Okay, kein Problem. Gut gemacht, Danny", sagt sie und lächelt ihm aufmunternd zu, bevor sie zurück zu mir schaut. "Eine Gehirnerschütterung können wir vermutlich ausschließen, aber das Handgelenk sollte auf jeden Fall von einem Arzt untersucht werden. Es könnte eine einfache Prellung sein, aber eventuell auch verstaucht oder vielleicht sogar leicht angebrochen. Das ist schwer zu beurteilen, ohne eine professionelle ärztliche Einschätzung."
Auch wenn sich nach Frau Jacobis Ausführungen ein schwerer Kloß in meinem Hals gebildet hat, blinzle ich sie verwirrt an.
"Ähm...also Ihre Einschätzungen haben sich bisher auch schon ganz professionell angehört. Arbeiten Sie in Ihrer Freizeit vielleicht als Undercover-Ärztin?"
"Ach, Unsinn", sagt Frau Jacobi und lacht etwas verlegen, während sie den Kopf schüttelt. "An der Schule, an der ich vorher gearbeitet habe, mussten alle Lehrer einen Erste-Hilfe-Kurs absolvieren. Davon sind noch ein paar Dinge in meinem Kopf geblieben. Aber wir sollten Danny jetzt wirklich zum Arzt bringen. Am besten ins Krankenhaus, da könnte er gegebenenfalls auch geröntgt werden."
"Wir?"
"Ja." Amüsiert hebt Frau Jacobi eine Augenbraue. "Es sei denn natürlich, du willst lieber mit dem Bus fahren als mit dem Auto."
"Du hast ein Auto?!"
Begeistert strahlt Danny Frau Jacobi an, während diese seinen Blick etwas überrascht erwidert.
"Ähm...ja?"
"Toll!" Dann schaut er wieder zu mir. "Könnten wir mit Zoe Auto fahren, Lola? Bitte! Bitteeee!"
Ich seufze leicht, während Danny mich aus großen Kulleraugen anschaut.
Dass wir in erster Linie mit dem Auto fahren würden, um mit ihm ins Krankenhaus zu fahren, scheint er vollkommen vergessen zu haben. Aber wiederum kann ich ihm seine Begeisterung auch nicht übel nehmen, schließlich ist er bisher nur in einem Auto gefahren, wenn er den Nachmittag bei einem seiner Freunde verbracht hat und ihn die Eltern seiner Freunde mitgenommen haben.
"Na sicher, Großer", sage ich schließlich und streiche ihm mit einem schwachen Lächeln über die Haare, "wir fahren mit dem Auto."
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Liebe Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 1) (girlxgirl; teacherxstudent)
RomanceSie wissen nicht, was sie voneinander halten sollen. Lola Sommer, die durch ihre rebellische und vorlaute Art in der Schule nur Ärger macht und Zoe Jacobi, die ihre Stelle als neue Französischlehrerin an Lolas Schule antritt. Beide haben Gründe, den...