- Lola -
Fröstelnd ziehe ich meinen Kopf zwischen die Schultern und vergrabe meine Hände etwas tiefer in den Taschen meiner Lederjacke, während ich auf dem Weg zum Lehrerparkplatz bin.
Kurz nach Mitternacht haben wir die Musik und die Lichter in der Aula ausgestellt und damit begonnnen, die restlichen schmutzigen Becher und leeren Getränkekisten in die Cafeteria zu tragen, während die anderen Schüler sich auf den Weg nach Hause oder weiter in die Altstadt zum Feiern gemacht haben.
Zusammen mit ein paar anderen aus unserer Stufe haben Rebecca, Rohan, Habib und ich dann anschließend noch die Kisten, aus denen unser Bartresen bestand, wieder zurückgeräumt und den kompletten Saal der Aula erst durchgefegt und danach durchgewischt.
Die Arbeit war zwar gerade um diese Uhrzeit extrem lästig gewesen, aber wir hatten zuvor mit unseren Stufensprechern vereinbart, dass wir dafür morgen nicht mehr zum Zurückräumen der Tische und Stühle vorbeikommen müssten. Und darauf konnte ich nach dem Aufbau am Mittwoch echt verzichten!
Nachdem wir also nach einer gefühlten Ewigkeit endlich fertig waren, habe ich Zoe kurz geschrieben und sie meinte, dass sie in ihrem Auto auf dem Lehrerparkplatz auf mich warten würde.
Bevor ich allerdings zu Zoe gehen konnte, musste ich mich erst mal bei Rebecca und den Jungs rausreden, die noch zu Marvin und Xenia gehen wollten. Insbesondere Habib hatte wissen wollen, was ich denn noch zu erledigen hätte, auch wenn seine Hartnäckigkeit mich nicht sonderlich überrascht hat. Erst als ich ihnen versprochen hatte, dass ich nachkommen würde, hat Rohan Habib an der Jacke gepackt und hinter sich hergezogen, während er und Rebecca in die Straße zur nächsten Straßenbahnhaltestelle abgebogen sind.
Für ein paar Minuten habe ich noch gewartet, um sicherzugehen, dass die drei auch wirklich gegangen sind, und bin dann in die entgegengesetzte Richtung zum Lehrerparkplatz gegangen, den ich jetzt gerade betrete.
Zoes Auto habe ich trotz der Dunkelheit schnell erkannt, was daran liegt, dass es das einzige Auto ist, das sich noch auf dem Parkplatz befindet. Die übrigen Lehrer haben sich nämlich zusammen mit den anderen Schülern verabschiedet, weswegen wir während unserer Aufräumarbeiten von dem Hausmeister beaufsichtigt worden sind, der praktischerweise direkt in einem kleinen Anbau neben der Schule wohnt.
Ich bin noch nicht ganz an Zoes Auto angekommen, erkenne aber trotzdem, dass Zoe auf dem Fahrersitz sitzt und gedankenverloren ins Leere schaut. Das immer wieder kurz aufleuchtende Licht, welches in der Dunkelheit mehr als gut zu sehen ist, verrät mir, dass Zoe in fast regelmäßigen Abständen ihr Handydisplay aufleuchten lässt. Vermutlich weil seit meiner letzten Nachricht mittlerweile fast eine Viertelstunde vergangen ist, da ich mich ja noch bei den Jungs und Rebecca rausreden musste.
Als ich durch die Autofensterscheibe sehe, wie sie nach einem weiteren Blick auf ihr Handy tief aufseufzt und sich mit einer Hand durch die Haare fährt, huscht mir ein amüsiertes Lächeln über das Gesicht.
Hat sie etwa Angst, dass ich sie versetzen würde?
Ich schüttle leicht den Kopf, wenn auch lächelnd und mehr zu mir selbst, bevor ich die letzten Schritte auf Zoes Auto zugehe und leicht gegen die Fensterscheibe auf der Fahrerseite klopfe.
Trotz meines vorsichtigen Klopfens zuckt Zoe heftig zusammen, doch ihr Gesichtsausdruck entspannt sich sofort, als sie mich erkennt.
Ich lächle ihr kurz zu, bevor ich ihr Auto umkreise und anschließend die Tür zur Beifahrerseite aufziehe.
"So", sage ich und lasse mich auf den Beifahrersitz fallen, bevor ich die Autotür hinter mir zuziehe und Zoe erneut ein leichtes Lächeln schenke, "da bin ich."
"Ja, da bist du." Zoe erwidert mein Lächeln schüchtern und streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr, während sie meinem Blick allerdings etwas ausweicht. "Ich...ich hatte schon befürchtet, dass du nicht mehr kommen würdest", sagt sie leise.
Ich hatte mit meiner Vermutung also Recht gehabt...
"Ich habe dir doch gesagt, dass ich kommen werde", erwidere ich, wobei ein belustigter Unterton in meiner Stimme mitschwingt. "Ich habe nur ein bisschen mehr Zeit gebraucht, um die Jungs und Rebecca loszuwerden, ohne dass sie misstrauisch werden. Dafür musste ich ihnen allerdings auch versprechen, dass ich später zu Xenia nachkommen werde."
"Wenigstens handelt einer von uns verantwortungsvoll."
Obwohl Zoe mit einem kurzen Lächeln zu mir schaut, klingt ihre Stimme bitter und frustriert.
Ich drehe mich auf dem Beifahrersitz zu ihr und greife nach einer von Zoes Händen, die sie in ihren Schoß gelegt hat.
"Es ist doch nichts passiert, Zoe. Rebecca hat nichts gemerkt und es war auch niemand anderes da, der unsere Unterhaltung hätte mitbekommen können. Sonst hätte ich dich ja auch nicht geküsst."
Ich zwinkere ihr zu, in der Hoffnung, dass sie das vielleicht ein bisschen aufheitert, aber in Zoes Blick schwingt weiterhin etwas Reue und Bitterkeit mit.
"Aber es hätte etwas passieren können! Es hätte vorhin wirklich nicht viel gefehlt und ich hätte Rebecca unzählige nicht sehr angemessene Worte an den Kopf geworfen oder ihr womöglich noch die Augen ausgekratzt, womit ich mich nicht nur absolut unprofessionell verhalten hätte, sondern in allererster Linie das zwischen uns verraten hätte! Und alles nur, weil ich mich und meine Gefühle nicht im Griff hatte!"
Zoe zieht ihre Hand wieder aus meiner und vergräbt mit einem tiefen Seufzer ihr Gesicht in beiden Händen, bevor sie sich mit ihnen durch die Haare fährt und danach kraftlos in ihren Sitz zurückfällt.
Schweigend betrachte ich Zoe für eine Weile, bevor ich auf meinem Sitz ein Stück mehr in ihre Richtung rutsche.
"Warum warst du denn so eifersüchtig?", frage ich leise und mustere sie mit schief gelegtem Kopf, "vertraust du mir nicht?"
"Doch!" Mit einer überraschend schnellen Bewegung dreht Zoe sich zu mir und schaut mir fest in die Augen. "Natürlich vertraue ich dir! Es ist nur..."
Sie verstummt und holt tief Luft, bevor sie wieder zur Seite schaut.
Ich rücke noch näher an Zoe heran, wodurch ich mit meinem Knie gegen die Gangschaltung zwischen unseren Sitzen stoße, und streiche ihr sanft über die Schulter.
"Hast du diesbezüglich vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht? Mit deinem Exmann, meine ich."
Für einen Moment hält Zoe inne, bevor sie schließlich nickt, wenn auch zögernd.
"Verstehe", sage ich und nicke langsam, "das bestätigt ja auch nur nochmal meine damalige Aussage, dass dein Exmann ein Idiot ist."
Das bringt Zoe für einen kurzen Moment zum Lachen, bevor ihr Gesichtsausdruck wieder etwas ernster wird und sie weiterhin vor sich ins Leere schaut.
Erneut betrachte ich sie schweigend, bevor ich mich leicht räuspere.
"Du...bist du schon länger auf Rebecca eifersüchtig?"
Auch wenn sie mich nicht ansieht, erkenne ich wie Zoes Gesicht sich ein wenig verzieht.
"War das so offensichtlich?"
"Na ja, für mich ehrlich gesagt nicht."
Meine Antwort bringt Zoe dazu, ihren Kopf wieder in meine Richtung zu drehen und verwundert ihre Augenbrauen zu heben.
"Aber du hast doch gerade gefragt, ob..."
"Rebecca hat mich darauf angesprochen. Also, nicht ob du eifersüchtig auf sie bist, sondern ob du sie vielleicht nicht leiden kannst, weil du sie wohl ständig so böse angesehen hast, wenn ihr euch im Flur begegnet seid."
"Oh." Trotz der Dunkelheit sehe ich, wie sich die altbekannte Röte wieder in Zoes Wangen sammelt. "Und...was hast du ihr gesagt?"
"Dass ich mir nicht vorstellen kann dass du sie nicht leiden kannst, weil es dafür ja auch keinen wirklichen Grund gibt...na ja, zumindest habe ich das bis heute Abend gedacht."
"Verstehe", murmelt Zoe und schaut wieder auf die Hände in ihrem Schoß. Dann holt sie tief Luft und strafft ihre Schultern, bevor sie sich wieder zu mir dreht. "Lola, ich...es tut mir wirklich Leid. Ich habe mich heute nicht nur vollkommen lächerlich vor dir und Rebecca gemacht, sondern hätte auch noch fast dafür gesorgt, dass das zwischen uns auffliegt und alles nur, weil ich mich von meinen Gefühlen habe mitreißen lassen. Ich weiß wirklich nicht, was da in mich gefahren ist und...ich hätte es einfach besser wissen und mit der Situation besser umgehen müssen."
Frustriert dreht Zoe ihren Kopf erneut zur Seite, schaut aber wieder zu mir, als meine Finger sanft über ihre Wange streichen.
"Hey, es ist wirklich okay. Wie gesagt, es ist nichts passiert, du hast uns nicht verraten und Rebecca hat deine Aktion auch überlebt."
Grinsend zwinkere ich ihr zu, während Zoe mit einem zarten Lächeln die Augen verdreht.
"Und außerdem..." Ich verstumme und halte kurz inne, bevor ich leise weiterspreche. "Außerdem...ist es auch ganz schön zu sehen, dass ich dir nicht egal bin."
Auch wenn ich meinen Blick etwas gesenkt habe, sehe ich den verwunderten Ausdruck auf Zoes Gesicht.
"Natürlich bist du mir nicht egal", sagt sie und rückt nun auch ein Stück näher zu mir. "Wie kommst du denn darauf?"
"Zum Beispiel durch dein Verhalten am Dienstag nach dem Unterricht. Als du mich so abgewiesen hast." Ich halte meinen Blick zwar immer noch gesenkt, spüre aber trotzdem, wie Zoes Augen weiter auf mir ruhen. "Ich...ich weiß, wie kindisch und egoistisch das klingen muss, aber ich habe nicht übertrieben, als ich gesagt habe, dass mir die ganze Situation verdammt schwer fällt. Wahrscheinlich habe ich einfach nicht darüber nachgedacht oder es unterschätzt, was es wirklich bedeutet zu warten." Ich lache kurz und trocken auf und seufze dann tief. "Aber ich will nicht, dass du dich jetzt deswegen zu irgendetwas gezwungen fühlst. Ich habe dir versprochen, dass du dir so viel Zeit nehmen kannst, wie du brauchst, um eine Entscheidung zu treffen und daran halte ich mich auch weiterhin. Und wenn..."
"Und wenn ich diese Zeit gar nicht mehr benötige?"
Was?
Überrascht schaue ich auf und meine Augen weiten sich, als ich sehe, wie nah Zoes Gesicht vor meinem ist.
Ich spüre, wie ihre Hand über meine Schulter zu meinem Nacken wandert, bevor Zoe mich zu sich zieht und ihre Lippen mit meinen verbindet.
Im Gegensatz zu unserem ersten Kuss beginnt dieser Kuss langsam, fast schon vorsichtig, aber bereits nach einigen Augenblicken nimmt er mir die Luft und jedes Gefühl von Zeit.
Mit verführerischen Bewegungen gleiten Zoes Lippen gegen meine, die mich aufstöhnen und kurz aufwimmern lassen, als Zoe mir spielerisch in die Unterlippe beißt.
Ihr Griff um meinen Nacken ist sanft, aber bestimmt, während ihre andere Hand mir durchs Haar streicht und ab und an eine Strähne um ihren Finger wickelt.
Dann zieht Zoe mich noch näher zu sich...
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Liebe Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 1) (girlxgirl; teacherxstudent)
RomanceSie wissen nicht, was sie voneinander halten sollen. Lola Sommer, die durch ihre rebellische und vorlaute Art in der Schule nur Ärger macht und Zoe Jacobi, die ihre Stelle als neue Französischlehrerin an Lolas Schule antritt. Beide haben Gründe, den...