# 28

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- Lola -

"Oh Mann!" Stöhnend setze ich mich auf den Boden der Aula und winkle meine Beine an, bevor ich meinen Oberkörper nach hinten fallen lasse und meine Arme weit von meinem Körper weg strecke. "Wenn ich mich wieder bewegen kann, werde ich es Habib doppelt und dreifach heimzahlen, dass er uns für diesen bescheuerten Aufbaudienst eingetragen hat."
"Ich bin mir sicher, dass Rohan dich dabei gerne unterstützen würde", erwidert Rebecca, die sich neben mich gesetzt hat und mit einer Hand ihren Nacken massiert. "Ich habe das Gefühl, als hätte ein Elefant auf meinen Schultern gesessen."
"Ich habe das Gefühl, mich hätte einer zertreten", entgegne ich, was Rebecca kurz auflachen lässt, bevor sie ihr Gesicht verzieht und sich erneut über ihren Nacken reibt.
In den letzten beiden Stunden waren wir hauptsächlich damit beschäftigt gewesen, die Tische und Stühle, die in regelmäßigem Abstand in der Aula verteilt stehen, zusammenzuräumen und nacheinander über die lange Treppe runter ins Erdgeschoss und von dort aus in den breiten Lagerraum neben dem Biologietrakt zu tragen. Und wenn man bedenkt, dass in der Aula Platz für etwa 200 Schüler ist, ist das schon eine ganze Menge an Tischen und Stühlen. Erst recht, wenn man noch weiter bedenkt, dass wir die Tische und Stühle am Samstag auch alle wieder zurückräumen müssen...
Ich seufze und bedecke mein Gesicht mit einem Arm.
Warum müssen diese dämlichen Oberstufenpartys auch immer ausgerechnet während der Klausurphase sein, in der so gut wie jeden Tag eine andere Klasse oder ein anderer Kurs eine Klausur in der Aula schreibt? Außerhalb dieser Klausurphasen ist die Aula ein genauso leerer Saal wie jetzt gerade. Warum kann man nicht in dieser Zeit diese blöden Partys veranstalten?
"Meinst du, Rohan und Habib brauchen lange, um den Hausmeister zu finden?", fragt Rebecca und bringt mich dazu, meinen Arm wieder von meinem Gesicht zu nehmen.
"Wer weiß", sage ich und setze mich wieder auf, wobei mein Blick kurz über die anderen Schüler aus unserer Stufe schweift, die auch in dem heutigen Aufbauteam eingetragen waren und sich nun alle in der Aula verteilt in kleinen Grüppchen hingesetzt haben. "Wenn er nicht in seinem kleinen Hausmeisterbüro ist oder wieder bei Tina im Sekretariat etwas Kaffee schnorrt, wird es schwer sein, ihn zu finden. Ich hoffe jedenfalls sehr, dass die Jungs damit Erfolg haben. Ich habe nämlich echt keine Lust, meinen Nachmittag hier noch weiter zu verschwenden, nur weil irgendetwas mit dieser verdammten Musikanlage nicht stimmt und wir es nicht hinkriegen, die zum Laufen zu bringen. Zumal ich heute Nachmittag eigentlich sowieso etwas ganz anderes vorgehabt hätte..."
"Du meinst deine Nachhilfestunde in Französisch?"
Ich erstarre auf Rebeccas Frage hin, als ich begreife, dass ich meinen letzten Satz laut ausgesprochen und nicht nur gedacht habe, wie ich erst angenommen hatte.
"Ähm...ja", murmle ich und räuspere mich.
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Rebecca mich mit einem interessierten Blick von der Seite betrachtet und ich muss unwillkürlich schlucken.
Hat sie gestern etwa doch etwas von dem zwischen Zoe und mir mitbekommen?
Aber warum hat sie dann nichts gesagt oder zumindest indirekt irgendwie angedeutet?
Wobei ich zugeben muss, dass sie ab und an schon ziemlich in Gedanken vertieft gewesen ist.
Vielleicht hat sie ja auch nur versucht abzuwägen, ob sie da wirklich etwas mitbekommen oder die Situation vielleicht einfach nur falsch verstanden hat. Wenn ja, dann bete ich, dass sie zu der letzteren Schlussfolgerung gelangt ist...
Ich zucke zusammen, als Rebecca sich nun räuspert.
"Sag mal, Lola...", beginnt sie und mein Hals schnürt sich zusammen, als sie eine kurze Pause macht. "Kann ich...kann ich dich vielleicht etwas fragen? Zu deiner Französischlehrerin, meine ich."
Oh nein.
"Äh..."
Ich schlucke, als nicht mehr als ein undefinierbares Krächzen aus meinem Mund kommt und räuspere mich erneut.
Okay, ruhig bleiben.
Ganz ruhig.
Egal, was Rebecca gleich sagen wird, ich streite alles ab und behaupte, sie hätte sich geirrt.
Wenn es sein muss, mach ich mich sogar darüber lustig.
Und selbst wenn sie mir nicht glauben sollte, kann sie immer noch nichts beweisen. Es steht Aussage gegen Aussage, so wie bei der Sache mit Herrn Lüdenscheid und seinem Auto...
"Was...was willst du denn wissen?", frage ich und versuche, meine Stimme möglichst ruhig klingen zu lassen, während mein Herz vor Nervosität wie wild gegen meinen Brustkorb hämmert.
"Na ja, kann es sein, dass..." Rebecca verstummt und schaut für einen Moment zur Seite, bevor sie ihren Kopf wieder zu mir dreht, "kann es sein, dass deine Französischlehrerin mich nicht leiden kann?"
Für einen Moment starre ich Rebecca vollkommen verdattert an, bevor ich vor Erleichterung losprusten muss.
"Hey!" Ich bin zu sehr mit Lachen beschäftigt, um Rebeccas Gesicht zu sehen, aber ich höre den vorwurfsvollen Ton in ihrer Stimme. "Das ist nicht witzig! Ich meine das ernst!"
"Okay, okay. Entschuldige", sage ich und fahre mir einmal über das Gesicht, während ich mich langsam wieder beruhige, "aber warum machst du dir denn bitte darüber Gedanken? Du kennst Frau Jacobi ja nicht mal wirklich und hast sie auch nicht im Unterricht."
"Weil sie mich gestern so angesehen hat, als würde sie mich gerne hochkant rausschmeißen." Etwas verunsichert kaut Rebecca auf ihre Unterlippe. "Und das ist nicht das erste Mal. An dem Tag, als wir unsere erste Nachhilfestunde hatten und ich dich auch vom Französischraum abgeholt habe, hatte ich den Eindruck, sie würde mir am liebsten den Hals umdrehen. Und sie sieht mich auch immer noch so an, wenn wir uns mal im Schulflur kurz über den Weg laufen."
"Ach, so ein Quatsch." Ich schüttle den Kopf und drehe mich etwas mehr in Rebeccas Richtung. "Das bildest du dir mit Sicherheit ein. Frau Jacobi ist wirklich sehr nett."
Und hübsch. Und klug. Und witzig. Und charmant. Und hat ein großes Herz. Und ist extrem süß, wenn sie rot wird. Und...ich sollte am besten aufhören, bevor ich mich wieder in meinen Gedanken verliere und Rebecca vielleicht doch noch misstrauisch wird.
Ich straffe meine Schultern und schaue zu Rebecca, die von meinen Argumenten immer noch nicht ganz überzeugt wirkt.
"Jetzt mach dich nicht verrückt", sage ich und lächle ihr aufmunternd zu, "was sollte Frau Jacobi schon gegen dich haben?"

Liebe Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 1) (girlxgirl; teacherxstudent)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt