# 52

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- Lola -

"Na, ihr drei?"
Xenia mustert Rohan, Habib und mich mit einer gehobenen Augenbraue, als wir ihre Kneipe durch die Eingangstür betreten und dabei das Glockenspiel darüber klimpernd ertönt.
"Jetzt schau uns nicht so an", stöhnt Habib, der vor Rohan und mir läuft und sich zwischen den verschiedenen Tischen und Stühlen hindurchschiebt, um zum Bartresen zu gelangen, hinter dem Xenia steht.
"Wie schaue ich euch denn an?", fragt Xenia und ich meine selbst aus der Entfernung sehen zu können, dass sie ihre Augenbraue noch ein Stück höher zieht.
"Genau so wie Direktorin Berger, die uns zum Abschluss der Woche beim Nachsitzen nochmal eine schöne Standpauke gehalten hat", erwidert Habib, der die Augen verdreht und vor dem Tresen stehen bleibt.
"Na ja, eigentlich hat sie nur dir eine Standpauke gehalten, weil du deinen Strafaufsatz nicht fertig hattest, Bibi", entgegnet Rohan, der sich schulterzuckend an ihm vorbeischiebt und hinter den Tresen zu Xenia tritt, um seine Tasche darunter zu schieben. "Zumal sie ja auch noch den Vergleich zu Lola hatte, die nicht nur ihren Strafaufsatz in den letzten Tagen fertiggeschrieben hat, sondern auch noch den Aufsatz von Herrn Schneider."
Grinsend zwinkert Rohan mir zu, während Habib ein übertriebenes Würgegeräusch von sich gibt, was ihm nicht nur einen missbilligenden Blick von Xenia einbringt, sondern auch ein gefährliches Knurren von Rohan.
"Ach, komm schon, Romeo", stöhnt Habib und verdreht erneut die Augen, "erst versuchst du dich mit irgendwelchen Klamotten von deiner Schwester bei unserer Prinzessin beliebt zu machen und jetzt lobst du sie noch für eine Sache, die sie ohne Rebeccas Hilfe nie im Leben geschafft hätte."
Auch wenn an Habibs Einwänden in der Regel kaum bis gar nichts dran ist, muss ich ihm dieses Mal Recht geben, zumindest was den Teil mit dem Aufsatz für Herrn Schneider betrifft.
Rebecca hatte mir bei dem Aufsatz wirklich sehr geholfen, hatte mir einige Denkanstöße gegeben und Gliederungsvorschläge gemacht und hatte den Aufsatz gestern sogar nochmal Korrektur gelesen, wodurch ich heute während des Nachsitzens nur noch die wenigen letzten Änderungen machen musste, die sie mir am Rand der Blätter notiert hatte.
Den Aufsatz von Herrn Schneider habe ich zusammen mit dem Strafaufsatz, den Direktorin Berger von uns verlangt hatte, abgegeben und Direktorin Berger hat mir versprochen, dass sie diesen umgehend an Herrn Schneider weitergeben würde.
Eine Sorge weniger...
Genauso wie die Sachen, die Rohan mir heute Morgen in einer Plastiktüte und einem ganz lieben Gruß von Elisa in die Hand gedrückt hat und er mir damit die Sorge bezüglich eines passenden Outfits für Zoes Geburtstag genommen hat. Ich habe zwar noch nicht in die Tüte geschaut, die ich seitdem mit mir herumtrage, aber die Tüte ist so gut gefüllt, dass ich mir ziemlich sicher bin, darin etwas Schönes zum Anziehen zu finden.
Jetzt muss nur noch der Geburtstag an sich klappen.
Und dafür muss ich gleich noch unbedingt mit Xenia sprechen...
"Ach ja?" Mit einem provozierenden Blick in Habibs Richtung stützt Rohan seine Hände auf dem Bartresen ab und lehnt sich ein Stück vor. "Das ändert aber nichts daran, dass du in den letzten Tagen beim Nachsitzen mehr damit beschäftigt warst, mit Papierkugeln den Mülleimer abzuwerfen, als dich mit deinem Aufsatz zu beschäftigen. Den hättest du nämlich locker geschafft, wenn du dich auch darauf konzentriert hättest."
"Und was hat das damit zu tun, dass du dich mal wieder bei unserer Prinzessin einschleimst?"
"Jungs, bitte!" Das genervte Stöhnen von Xenia lässt die beiden sofort verstummen. "Anstatt den ganzen Abend lang über so einen Schwachsinn zu diskutieren, könntet ihr euch nützlich machen, indem ihr runter in den Keller zu Marvin geht und ihm bei den Bestellungen und der Bestandsaufnahme helft. Ich brauche die vollständige Liste bis morgen früh und das sollte euch für einige Stunden gut beschäftigt halten. Und Lola und ich werden in der Zeit hier oben alles für gleich vorbereiten. Und einer von euch kann dann ja später hochkommen und uns helfen, wenn das Geschäft dann richtig losgeht."
Rohan und Habib geben zustimmende Laute von sich, funkeln sich aber immer noch wütend an, als Habibs ebenfalls hinter den Tresen tritt und seine Tasche darunter schiebt, nur um dann zusammen mit Rohan in Richtung Keller zu gehen.
"Ich hoffe sehr, dass die Jungs sich heute Abend nicht wieder unnötig gegenseitig hochschaukeln", seufzt Xenia und schüttelt leicht den Kopf, als die beiden durch den Holzperlenvorhang nach unten verschwunden sind, "immer, wenn die beiden zusammen Dienst haben oder ihr vier zur Abwechslung mal den ganzen Abend über hier seid, so wie heute, kriselt es zwischen den beiden."
"Was meistens daran liegt, dass Habib Rohan provoziert und Rohan sich das nicht gefallen lässt", entgegne ich, während ich zu Xenia hinter den Tresen trete und meine Tasche und die Plastiktüte mit Elisas Sachen zu Habibs und Rohans Taschen stelle. "Aber wenn es darauf ankommt, sind die beiden ein gutes Team."
"Stimmt. Zum Beispiel, als die beiden sich in die Prügelei eingemischt haben, die du angezettelt hattest, nicht wahr?"
Na super...
Schuldbewusst ziehe ich meinen Kopf zwischen die Schultern und schaue langsam zu Xenia, die immer noch ihre Augenbraue hochgezogen hat und mich prüfend ansieht.
"Du...weißt davon?"
"Überrascht dich das wirklich?" Xenia gibt ein spöttisches Lachen von sich. "Marvin musste mir doch erklären, weswegen ihr drei heute später kommt. Und als er das Nachsitzen erwähnt hat, habe ich einfach immer weiter nachgehakt, bis er mir schließlich von der Prügelei erzählt hat und davon, dass du dich nur für ihn einsetzen wolltest. Er hat dich wirklich sehr verteidigt, aber du kennst meine Meinung und meine Einstellung zu dieser bestimmten Art von Konfliktlösung."
"Ja", murmle ich kleinlaut und kaue auf meiner Unterlippe, die zum Glück nicht mehr allzu sehr wehtut. Auch die aufgeplatzte Stelle ist in den letzten Tagen gut verheilt.
"Und sicherlich kannst du dir vorstellen, dass ich sehr enttäuscht von dir gewesen bin, als ich das vorhin von Marvin erfahren habe, oder?"
Ich ziehe meinen Kopf noch weiter zwischen die Schultern und senke meinen Blick, während ich langsam nicke.
"Und du weißt auch, dass die Aktion einfach nur dumm und unnötig gewesen ist, richtig?"
Ich nicke erneut.
"Wenigstens bist du einsichtig", seufzt Xenia und ihr versöhnlicher Ton lässt mich meinen Kopf wieder vorsichtig heben, wodurch ich sehe, dass Xenias Mundwinkel sich zu einem leichten Lächeln heben, während ihr Blick jedoch weiterhin forschend und nachdenklich ist. "Wieso hast du das überhaupt gemacht? Dieses Verhalten passt doch absolut nicht zu deiner Entwicklung seit Anfang des Schuljahres, auch wenn ich zugeben muss, dass du in den letzten Wochen schon etwas gereizter warst. Gibt es vielleicht Stress bei dir zu Hause? Verhält sich deine Mutter wieder komisch? Oder stimmt etwas mit Danny nicht?"
"Nein, mit den beiden ist alles in Ordnung", erwidere ich und ziehe meine Lederjacke aus, um sie unter den Tresen über meine Tasche und die Plastiktüte zu legen. Dann richte ich mich wieder auf und stemme die Hände in die Hüften, während ich wieder zu Xenia schaue. "Ich meine, für mich ist es immer noch komisch, dass meine Mutter ihre Veränderung so ernst nimmt, aber ich muss zugeben, dass sie das Abholen von Danny in den letzten Tagen wirklich gut hinbekommen hat. Sogar ihre Kochkünste werden immer besser."
"Das klingt doch gut", sagt Xenia und lacht kurz amüsiert auf, bevor sie mich wieder nachdenklich mustert, "aber dann muss es doch einen anderen Grund geben, warum du in deine alten Muster verfallen bist, dich geprügelt hast und auch sonst so gereizt bist in letzter Zeit."
"Den gibt es auch", ein verschwörerisches Lächeln legt sich auf meine Lippen, "und du kannst mir dabei helfen, diesen Grund ein wenig zu schwächen."
"Ach, tatsächlich?" Mit einer Mischung aus Überraschung und Neugier legt Xenia ihren Kopf schief, während ihr Blick neugierige Züge annimmt. "Und wie genau kann ich dir dabei helfen?"
"Indem du mir einen Vorschuss gewährst...und für mich deine Kontakte spielen lässt..."

- Zoe -

"Süße, jetzt warte doch!", ruft Mona mir hinterher, während sie kurz nach mir aus der Bar und auf den recht belebten Bürgersteig stolpert.
Ich mache mir nicht die Mühe meinen Schritt zu verlangsamen, da ich aus meinen Unierfahrungen weiß, dass Mona zu den wenigen Frauen gehört, die in hochhakigen Schuhen und in leicht angetrunkenem Zustand noch ohne erhebliche Probleme einen Marathon bestreiten könnten.
Und tatsächlich dauert es nicht lange, bis ich Monas Hand auf meiner Schulter und sie an meiner Seite spüre.
"Das ist jetzt schon die vierte Bar, aus der du einfach rausgestürmt bist."
"Da war es viel zu voll", erwidere ich knapp, während ich weiter zielstrebig geradeaus gehe, auch wenn ich keine Ahnung habe, wohin ich eigentlich will.
"Natürlich", entgegnet Mona und verdreht auf übertriebene Weise die Augen, "die erste Bar war dir zu dunkel, die zweite hatte grausame Musik, bei der dritten haben dir die Getränke nicht zugesagt und jetzt war es dir angeblich zu voll. Wenn du weiterhin so wählerisch bist, haben wir bis zum Ende der Nacht sämtliche Bars der Stadt durch. Vorausgesetzt natürlich, dass dir auch so viele Gründe einfallen werden, weswegen wir die ganzen Bars wieder verlassen sollten."
"Gründe können sich auch wiederholen."
"Aber das wäre viel zu unkreativ für dich."
"Das hat nichts mit Kreativität zu tun."
"Und womit dann?"
"Damit, dass mir die Bars nicht gefallen."
"Tatsächlich? Dabei waren wir in den letzten Monaten mehrere Male in zwei der vier bisherigen Bars und bislang hattest du dich noch nie beschwert."
Monas gespielter verwunderter Tonfall lässt mich frustriert aufstöhnen und ich funkle sie wütend kann.
"Na und?! Ist es mir jetzt etwa nicht mehr gestattet, meine Meinung zu ändern?!"
"Wenn ich es nicht besser wissen würde, würde ich annehmen, dass du etwas zu viel getrunken hast. Aber heute ist es vermutlich eher etwas zu wenig."
Während Mona kurz belustigt auflacht und sich dann bei mir unterhakt, verdrehe ich die Augen und schaue auf meine Armbanduhr.
Noch eine Stunde bis Mitternacht...bis zu meinem Geburtstag...und dann kann ich mich hoffentlich unter irgendeinem Vorwand verabschieden...
Ich seufze tief und lege den Kopf in den Nacken, um in den dunklen Nachthimmel zu schauen.
Ich weiß ja, dass Mona es nur gut meint.
Dass sie mich auf andere Gedanken bringen möchte.
Nur ist das sehr schwer, wenn sich meine Gedanken einzig und allein um Lola drehen.
So wie schon die ganze Woche über...
Und daran wird auch dieser Abend und mein Geburtstag nichts ändern können...
"Vorsicht!"
Mit einem Ruck zieht Mona mich zur Seite und bewahrt mich damit davor, in die Glasscherben einer Bierflasche zu treten.
"Danke", murmle ich, immer noch halb in Gedanken, während Mona mich mit einer gehobenen Augenbraue von der Seite mustert.
"Soll ich mal raten, wo du wieder mit deinen Gedanken warst oder kann ich mir und dir dieses Ratespiel ersparen, weil es sowieso nur eine, leider viel zu offensichtliche Antwort gibt?"
"Du kennst mich eben einfach zu gut", erwidere ich seufzend und drehe meinen Kopf wieder zur Seite, als ich mit einem Mal stehen bleibe und auf die andere Straßenseite schaue.
Ich blinzle.
Mehrfach.
Schaue mich um...und stelle fest, dass ich mir das tatsächlich nicht einbilde und ich mich wirklich in der richtigen Gegend befinde.
Ein Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus.
So ein Zufall.
Ein schöner Zufall...
"Was ist los?", fragt Mona und folgt meinem Blick, verzieht ihr Gesicht jedoch kurz darauf, "das ist nicht dein Ernst, oder Süße? Du willst doch nicht etwa da rein?!"
"Warum nicht?", entgegne ich und drehe meinen Kopf mit einem leichten Lächeln zu Mona, "es ist schließlich mein Geburtstag."
"Und es muss wirklich so eine Lokalität sein?"
"Ja, muss es."
Mit diesen Worten ziehe ich eine leicht widerspenstige Mona zum Rand des Bürgersteigs und weiter auf die andere Straßenseite zu einer Kneipe.
Zu Xenias Kneipe, wo Lola heute Abend sicherlich wieder arbeiten wird...

Liebe Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 1) (girlxgirl; teacherxstudent)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt