# 45

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- Lola -

"Schätzchen! Was machst du denn hier?", fragt Xenia und schaut überrascht von der Tischplatte auf, die sie zuvor noch mit einem nassen Lappen abgewischt hat, als ich ihre Kneipe begleitet von dem Klang des Glockenspiels über der Tür betrete.
"Das würde mich jetzt aber auch interessieren, Prinzessin", sagt Habib, der zusammen mit Marvin und Rebecca auf ein paar Barhockern sitzt und mit seinem Daumen hinter sich auf Rohan deutet, der hinter dem Tresen steht. "Romeo hat uns nämlich gesagt, dass die Party abgesagt ist, weil du nicht kommst. Und jetzt bist du hier...also...", mit einem irritierten Blick dreht Habib sich zu Rohan um, "...war das ein schlechter Witz oder was?"
"Schlechte Witze sind dein Spezialgebiet, Bibi", knurrt Rohan und stellt klirrend ein Glas vor Habib auf den Tresen, sodass ein Teil des Getränks über den Rand auf den Tresen und Habibs Hand schwappt.
"Mann, entspann dich, Alter", erwidert Habib genervt und wischt seine Hand an der Hose ab, "gibt's Ärger bei euch im Paradies oder was?"
"Fresse", schnaubt Rohan und knallt zwei weitere Gläser vor Rebecca und Marvin so stark auf den Tresen, dass die beiden kurz zusammenzucken.
Ich schlucke und kaue etwas unsicher auf meiner Unterlippe, während ich in Rohans Richtung schaue, der mich kurz wütend anfunkelt und sich dann wieder wegdreht, um um den Tresen herumzugehen und hinter dem Holzperlenvorhang zu verschwinden, hinter dem eine Treppe nach unten in den Keller führt.
Ein leises Seufzen entfährt mir.
Er ist immer noch sauer wegen vorhin...
Ich meine, ich kann es ihm nicht übel nehmen...ich war wirklich gemein und unfair zu ihm.
Er kann ja nichts dafür, dass Zoe und ich für ein Jahr auf Abstand gehen müssen.
Ich muss mich bei Rohan entschuldigen...ich hasse es, wenn er sauer auf mich ist...
"Jetzt lass dich erstmal umarmen", holt Xenia mich aus meinen Gedanken zurück und kommt mit ausgebreiteten Armen auf mich zu, um mich kurz darauf fest an sich zu drücken.
"Herzlichen Glückwunsch zu deiner Zulassung zum Abschluss, Schätzchen. Ich bin so unfassbar stolz auf dich."
"Danke", erwidere ich und muss sogar ein bisschen lächeln, als ich Xenias Umarmung erwidere.
Doch kurz bevor Xenia sich wieder aus unserer Umarmung löst, lehnt sie sich ein Stück zu meinem Ohr vor.
"Rohans Laune ist schon den ganzen Nachmittag über unterirdisch schlecht", flüstert sie. "Und Habibs Sticheleien und Marvins Fragen reizen ihn noch mehr. Vorhin hätte er sich sogar fast mit Habib geprügelt. So schlecht ist er nur drauf, wenn ihr beiden Streit habt. Was immer das auch ist, klär das bitte mit ihm."
Sie lehnt sich zurück und klopft mir mit einem auffordernden Blick auf die Schulter, was mich leicht nicken lässt.
Aus diesem Grund war ich schließlich vorbeigekommen. Sogar bevor ich zu Dannys Kindergarten gegangen bin.
"Also, jetzt sag schon, Prinzessin", ruft Habib vom Tresen aus in meine Richtung. "Was ist da zwischen Romeo und dir? So schlecht drauf hab ich ihn nicht mehr erlebt, seit Marv wegen dem Lüdenscheid sitzen geblieben ist."
"Wenn dir langweilig sein sollte, kannst du mir gerne beim Abwischen der Tische behilflich sein, Habib", entgegnet Xenia und wirft geschickt den nassen Lappen in Habibs Richtung, den dieser reflexartig auffängt.
"Aber mir ist nicht langweilig", protestiert er, woraufhin Xenia die Augen verdreht und ihre Hände in die Hüften stemmt.
"Wenn du dich für Angelegenheiten interessierst, mit denen du nichts zu tun hast, kannst du ja gerade nicht mit etwas Wichtigem beschäftigt sein. Das bedeutet für mich, dass du Langeweile hast und das beste Mittel dagegen ist immer noch Arbeit. Also schwing dich von deinem Hocker herunter und hilf mir bei den Tischen, aber zack zack."
Mit einem genervten Stöhnen legt Habib den Kopf in den Nacken, rutscht aber von seinem Hocker und geht zu Xenia, während ich mit Rebecca und Marvin kurze amüsierte Blicke austausche. Dann nicke ich den beiden kurz zu und gehe auf den Holzperlenvorhang zu, durch den ich mich mit einem leichten Klimpern der Holzperlen schiebe.
Mit schnellen Schritten gehe ich die Treppe dahinter hinunter, durch einen schmalen Gang und auf die Holztür an dessen Ende zu, die ich mit einem knarzenden Geräusch öffne.
Auch wenn der Keller für mich mehr einem Labyrinth aus leeren und vollen Getränkekästen und lauter anderem Kram gleicht, das von einer einzigen Glühbirne an der Decke erleuchtet wird, weiß ich, dass die Jungs sich hier ihr eigenes System ausgedacht haben und genau wissen, wo was steht und wie der Bestand der einzelnen Getränke ist, den sie auch regelmäßig überprüfen, damit Xenia rechtzeitig bestellen kann.
Trotzdem brauche ich eine Weile, bis ich Rohan schließlich gefunden habe, der gerade dabei ist, einige Bierkästen neu zu stapeln.
Als sein Blick auf mich fällt, verdreht er die Augen und wendet sich mit einem genervten Stöhnen ab.
"Was willst du?", fragt er tonlos und hievt einen der Kästen auf einen Stapel, der fast so groß ist wie ich.
Nette Begrüßung...
Aber was habe ich erwartet...?
Ich schlucke und trete etwas unschlüssig von einem Fuß auf den anderen, während ich Rohan weiter zuschaue, wie er Kästen stapelt.
Fieberhaft suche ich in meinem Kopf nach den richtigen Worten, aber ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll...und wie viel ich sagen soll, wenn er nach dem Grund für mein Verhalten fragt...
"Kommt da heute noch was?", fragt Rohan nach einer Weile und dreht sich schwer atmend zu mir um, "wenn nicht, kannst du dann verschwinden und mich meine Arbeit in Ruhe machen lassen? Du weißt, dass ich es hasse, wenn ich dabei abgelenkt werde."
"Ich stehe hier doch einfach nur", erwidere ich, bevor ich mich zurückhalten kann, und beiße mir hastig auf die Unterlippe.
So wollte ich unser Gespräch definitiv nicht beginnen...
"Dann kannst du ja auch oben bei den anderen einfach nur stehen, oder?", entgegnet Rohan gereizt und will sich wieder umdrehen, doch ich trete schnell ein paar Schritte vor und halte ihn am Arm fest.
"Rohan, ich...es tut mir Leid...ich bin eigentlich hier runter gekommen, um mich bei dir zu entschuldigen. Du weißt schon, wegen vorhin. Dass ich dich so angefahren habe. Und so gemein war. Und gereizt. Und unfair. Und...einfach eine miese Freundin. Du wolltest mich nur schützen, bevor ich mir wieder unnötigen Ärger einhandle. Und das weiß ich auch...ich...ich war einfach nur so wütend..."
Rohan betrachtet mich für einen Moment schweigend über seine Schulter hinweg und mit einem ernsten Gesichtsausdruck aus seinen dunklen Augen, bevor er seinen Arm aus meiner Hand zieht und sich  vollständig zu mir umdreht.
"Warum warst du so wütend?", fragt er ruhig.
Mein Hals zieht sich zusammen und ich schaue rasch zur Seite.
"Ich...das kann ich dir nicht sagen."
"War ja klar", entgegnet Rohan und gibt ein abfälliges Schnauben von sich, doch als er sich schon wieder von mir abwenden will, packe ich ihn erneut am Arm.
"Bitte, Rohan! Ich kann es dir wirklich nicht sagen...ich...ich darf es dir nicht sagen."
Rohan hält inne und dreht langsam seinen Kopf wieder zu mir um.
"Du...darfst es mir nicht sagen?", fragt er ungläubig und mustert mich mit gerunzelter Stirn, bevor sich ein besorgter Ausdruck auf seinem Gesicht ausbreitet. "Hast du Probleme? Wirst du bedroht? Sind es wieder Till und seine Idiotenfreunde? Ich schwöre dir, wenn ich den Kerl erwische..."
"Nein, nein. Es ist alles in Ordnung", sage ich und hebe beschwichtigend beide Hände, wodurch ich Rohans Arm wieder loslasse und er sich erneut vollständig zu mir dreht. "Mach dir keine Sorgen. Mich bedroht keiner und Till und seine Waschlappentruppe habe ich auch schon länger nicht mehr gesehen. Es...es ist etwas anderes."
"Und darüber darfst du nicht sprechen?", hakt Rohan erneut nach, was mich aufseufzen lässt.
"Mach es mir bitte nicht so schwer."
"Aber ich sehe doch, dass dich diese Sache belastet", erwidert Rohan und tritt auf mich zu, um mir seine beiden Hände auf die Schultern zu legen und mich eindringlich anzusehen, "was ist los, Lola?"
Ich seufze tief und fahre mit beiden Händen über mein Gesicht.
Ich kann es ihm nicht sagen, ich kann es ihm nicht sagen, ich kann es ihm nicht sagen...
Aber ich drehe durch, wenn ich ein Jahr lang auf Abstand zu Zoe gehen muss und mit niemandem darüber reden kann außer mit Zoe, mit der ich nicht reden darf, und mit Direktorin Berger, mit der ich bestimmt nicht darüber reden würde...
Mit einem weiteren Seufzer nehme ich meine Hände wieder von meinem Gesicht und schaue auf, um zu sehen, wie Rohan mich immer noch besorgt betrachtet.
Dann räuspere ich mich.
"Du...du musst mir versprechen, dass du mit niemandem darüber reden wirst. Auch nicht mit Habib, Marvin, Rebecca, Xenia oder sonst wem. Okay?"
"Ja, natürlich", sagt Rohan und nickt ernst, während er mich weiter mustert.
"Gut", ich nicke ebenfalls und suche in meinem Kopf ein weiteres Mal nach den passenden Worten.
Ohne das mit Zoe oder Direktorin Berger abzusprechen, werde ich Rohan zwar nicht die ganze Wahrheit sagen, aber zumindest einen Teil.
"Ich", beginne ich nach einer Weile, "ich...habe mich...verliebt...in eine Frau..."
Bei dem Wort "verliebt" merke ich, wie Rohan kurz das Gesicht verzieht, aber ansonsten geduldig wartet, dass ich weiterspreche. Als ich das jedoch nicht tue, hebt er fragend eine Augenbraue.
"Ähm...du weißt aber schon, dass wir alle schon seit einer halben Ewigkeit wissen, dass du auf Frauen stehst, oder?"
"Ja...klar weiß ich das...ich...es ist nur alles ein bisschen kompliziert..."
"Wieso? Erwidert sie deine Gefühle nicht? Oder nutzt sie dich aus oder..."
"Nein, nein, alles gut", unterbreche ich ihn, als ich merke, wie Rohan wieder wütender wird, "sie...sie erwidert meine Gefühle und...und sie ist einfach nur wundervoll. Aber es gibt...Gründe...weswegen wir nicht zusammen sein können. Zumindest jetzt noch nicht...sondern erst in einem Jahr. Und deshalb war ich vorhin so wütend und habe dich so angefahren."
"In einem Jahr erst?", fragt Rohan und hebt irritiert eine Augenbraue. "Ist sie noch verheiratet oder so was?"
"Nein, sie ist geschieden", murmle ich und schüttle leicht den Kopf, "und bitte frag auch nicht weiter. Wir hatten eigentlich vereinbart, dass wir es niemandem sagen, aber wenn...wenn ihre beste Freundin Bescheid weiß, ist es nur fair, wenn es auch mein bester Freund weiß."
Das lässt Rohan breit grinsen und er zieht mich zu sich, um mich fest zu umarmen.
"Mach dir keine Gedanken", sagt er und zwinkert mir zu, nachdem er mich wieder losgelassen hat, "ich werde den anderen nichts sagen. Versprochen."
Erleichtert atme ich auf und umarme ihn erneut.
"Danke."

- Zoe -

"Danke."
"Wenn du dich jetzt noch ein einziges Mal bedankst, gibst du mir einen aus", sagt Mona und nimmt einen Schluck von ihrem Weinglas, während sie mich mit einer gehobenen Augenbraue mustert, "man könnte glatt meinen, du hättest irgendeine Störung in den letzten Stunden entwickelt, weshalb du dich ständig bei mir bedankst."
"Aber ich bin dir nun mal sehr dankbar", entgegne ich und greife nach Monas freier Hand, die vor ihr auf dem leeren Restauranttisch liegt, während wir auf unser bestelltes Essen warten. "Du hast nicht nur Lola ins Gewissen geredet, weswegen sie doch noch mit mir das Gespräch gesucht hat, sondern hast uns auch noch diesen nervigen Herrn Lüdenscheid vom Hals gehalten."
"Oh, für diesen Punkt solltest du mir aber auch dankbar sein", stöhnt Mona auf und stellt ihr Weinglas wieder ab, "ich habe mir fast eine Stunde lang irgendeinen Monolog von diesem Typen anhören müssen, weswegen er den Lehrplan der siebten Klasse für unzureichend hält und dass die Klasse im Allgemeinen extreme Lücken in Mathe hätte, so als ob ich persönlich für dieses mangelnde Wissen der Klasse verantwortlich wäre."
"Oh", ich kaue etwas zerknirscht auf meiner Unterlippe, "und...wie seid ihr verblieben?"
"Ich habe Tina eine kurze Nachricht geschrieben, dass sie mich unter irgendeinem Vorwand aus dieser Horrorbesprechung rausholen soll", sagt Mona trocken und greift erneut nach ihrem Glas, während ich auflachen muss.
"Das heißt, er wird dich wegen dieser Sache erneut belästigen?"
"Oh, darauf kannst du wetten", seufzt Mona und verdreht theatralisch die Augen, während sie einen weiteren Schluck aus ihrem Glas nimmt, "vielleicht könntest du dich ja doch bei mir revanchieren, indem du irgendwo in meinem Büro eine Weinflasche versteckst. Ich ertrage diesen Typen nicht in nüchternem Zustand."
"Aber sicher", sage ich lächelnd und umfasse auch Monas andere Hand, nachdem sie ihr Weinglas wieder auf den Tisch gestellt hat, "für die Umstände heute bekommst du ein ganzes Weinfass von mir."
Amüsiert hebt Mona eine Augenbraue und mustert mich belustigt.
"Mal abgesehen davon, dass ich mich dann wahrscheinlich eher darin ertränken würde, als ein weiteres Gespräch mit diesem Vollidioten zu führen, könnte man glatt meinen, dass du mir hier einen Antrag machen möchtest."
Während Mona mit vielsagendem Blick auf unsere ineinander verschlungenen Hände schaut und dann mit dem Kopf zur Seite deutet, wo uns ein Paar am Nachbartisch mit neugierigen Blicken begutachtet, steigt Hitze in meine Wangen und ich lasse Monas Hände so schnell wieder los, als hätte ich mich daran verbrannt.
"Entspann dich, Süße", sagt Mona und lehnt sich lachend in ihrem Stuhl zurück, während ich weiter rot anlaufe, "ich will mir bestimmt keinen Stress mit Lola einhandeln. Auch wenn ich nicht gescherzt habe, als ich gesagt habe, dass ich ihr das Leben zur Hölle machen werde, wenn sie dich irgendwie verletzen sollte."
"Das wird sie nicht."
"Ach? Dann habe ich mir also heute Morgen eingebildet, dass du für zwei Stunden heulend in meinem Büro gesessen hast, interessant."
"Das war doch etwas ganz anderes", entgegne ich und schüttle den Kopf, "Lola hat sich übergangen gefühlt. Verständlicherweise. Und sie dachte..."
"...dass sie dir nicht mehr wichtig wäre, ich weiß. Ich habe die Erklärung vor dir gehört, Süße. Und dieses Missverständnis war auch der einzige Grund, weswegen ich Lola nicht an Ort und Stelle die Leviten gelesen habe." Seufzend streicht Mona sich eine Haarsträhne hinters Ohr. "Aber Lola hat dem Ganzen ja jetzt doch letztendlich zugestimmt, oder?"
"Ja", murmle ich und senke meinen Blick etwas, "aber begeistert ist keiner von uns."
"Das erwartet ja auch niemand, Süße", erwidert Mona und richtet sich in ihrem Stuhl wieder etwas auf, "aber du musst zugeben, dass es die einzig vernünftige Entscheidung ist, die ihr in eurer Situation treffen könnt."
"Vernünftig", stöhnend stütze ich meine Arme auf den Tisch und vergrabe mein Gesicht in beiden Händen, "als ob mich interessieren würde, was gerade vernünftig ist. Ich liebe Lola. Und sie liebt mich. Und jetzt, wo ich mir meine Gefühle zu ihr nach Wochen der Zweifel endlich eingestanden und sie akzeptiert und ihnen auch nachgegeben habe, kann ich nicht mit ihr zusammen sein. Kannst du dir vorstellen, wie frustrierend das ist?"
"Auch wenn ich mich noch nie in eurer konkreten Situation befunden habe, und es hoffentlich auch niemals werde, denke ich schon, dass ich deine Frustration nachempfinden kann, Süße. Aber sieh es positiv...", mit einem vielsagendem Blick hebt Mona ihr Weinglas erneut an und prostet mir zu, "...ich werde dir an dem Abend von Lolas Abschlussfeier definitiv nicht die Aufsicht erteilen, damit ihr beiden jederzeit verschwinden und eure eigene Feier veranstalten könnt...wenn du verstehst, was ich meine."
Während Mona mir zuzwinkert, verdrehe ich genervt die Augen und lehne mich trotzig in meinem Stuhl zurück.
Das würde ein sehr langes Jahr werden...

Liebe Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 1) (girlxgirl; teacherxstudent)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt