# 64

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- Lola -

"Wie jetzt?, höre ich Rohan sagen, während ich mein Handy etwas fester unter mein Ohr klemme und einen tiefen Zug von meiner Zigarette nehme, "du warst die ganze Woche über krankgeschrieben und nicht in der Schule, kommst aber heute Abend trotzdem zu Xenia?"
"Wahrscheinlich hat unsere Prinzessin sich einfach mal eine Woche Urlaub gegönnt", dröhnt Habibs Stimme aus dem Hintergrund, gefolgt von einem dumpfen Schlaggeräusch. "Au! Spinnst du, Romeo?! Ich hab doch Recht! Dann kann sie doch auch genauso gut in die Schule kommen!"
"Halt die Klappe, Bibi", knurrt Rohan, woraufhin Habib etwas Undeutliches erwidert Marvins und Rebeccas Stimme ebenfalls ertönen.
"Ach, lass ihn doch", sage ich und puste den Zigarettenrauch aus dem geöffneten Küchenfenster, bevor ich mich gegen den Fensterrahmen lehne, "ich meine, ich kann Habib diese Unterstellung nicht verübeln."
"Ja, schon möglich", erwidert Rohan, bevor er seine Stimme etwas senkt. "Sag mal, gibt es denn irgendeinen Grund, warum du nicht in die Schule kommst? Also...abgesehen davon, dass du krankgeschrieben bist? Hast du Probleme? Kann ich dir irgendwie helfen?"
Ich seufze leise, während ich zuschaue, wie die Zigarette nach und nach abbrennt und die graue Asche auf die Fensterbank fällt.
Ich sollte wirklich mit dem Rauchen aufhören...
Erst recht jetzt, wo ich so viel Geld für Herrn Lüdenscheid auftreiben muss...da zählt jeder Cent...
"Lola? Bist du noch da?"
"Ja", erwidere ich abwesend und drücke die halbgerauchte Zigarette im Aschenbecher auf der Fensterbank aus, "ja, ich bin noch dran."
"Okay, also sag schon. Was ist los?", fragt Rohan, dessen Stimme trotz der gedämpften Tonlage eindringlich klingt, "du wirkst so, als ob du irgendetwas sagen wollen würdest, dich aber nicht traust. Was ist passiert? Hast du Stress mit jemandem? Macht deine Mutter wieder Schwierigkeiten? Oder hast du...hast du vielleicht Probleme mit dieser Frau, in die du verliebt bist und kommst deshalb nicht zur Schule?"
Ich schlucke, während meine Gedanken zu Zoe wandern.
Heute ist Freitag und seit unserer Begegnung am Dienstag auf der Brücke am Hafen habe ich nichts mehr von ihr gehört.
Kein Anruf.
Keine Nachricht.
Nichts.
Ich schlucke und kaue auf meiner Unterlippe.
Sie ist bestimmt furchtbar verletzt...und traurig...und enttäuscht...und wütend...und das alles zurecht...ach, Zoe...
Rohans Räuspern am anderen Ende der Leitung reißt mich wieder aus meinen Gedanken.
"Tut mir Leid", murmle ich und bin mir in diesem Moment nicht mal wirklich sicher, ob ich damit ihn oder Zoe meine...oder beide...
"Schon okay", sagt Rohan und atmet tief durch, "aber du verhältst dich wirklich komisch, Lola. Also...wirklich wirklich wirklich komisch. Ich hoffe du weißt, dass du jederzeit zu mir...zu uns kommen kannst, wenn du Probleme hast. Egal, um was es geht."
"Ja, ich weiß", murmle ich, während meine Gedanken sich wieder auf Wanderschaft begeben.
Auch wenn ich es Xenia, Rohan und den anderen nicht sagen möchte, kann ich ihnen nicht länger was vormachen und muss ihnen gestehen, dass ich die Schule abgebrochen habe...auch wenn ich ihnen den Grund dafür nicht nennen kann und auch nicht nennen werde...es ist ja schon schlimm genug, dass ich in einem schwachen Moment meiner Mutter davon erzählt habe...
Mit einem Räuspern straffe ich meine Schultern.
"Okay, pass auf, Rohan. Ich...", ich schlucke und atme tief durch, "ich werde heute Abend mit euch reden. Mit dir, den anderen und auch mit Xenia. Aber erst heute Abend. In Ordnung?"
"Ähm, ja...klar", ich höre das Zögern und die Sorge in Rohans Stimme, die vom Klingeln der Schulglocke begleitet wird. Anscheinend ist die Pause vorbei...
"Okay, gut." Ich nicke, auch wenn Rohan das nicht sehen kann. "Dann bis heute Abend."
"Ja, bist heute Abend. Und...Lola?"
"Ja?"
"Egal, was ist, pass auf dich auf, okay?"
Ein leichtes Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus, während ich mit einer Hand das Küchenfenster schließe und mit der anderen weiter das Handy an mein Ohr drücke.
"Mach dir keine Sorgen. Ich komme schon klar. Du kennst mich doch."
"Eben", erwidert Rohan, was mich die Augenbrauen heben lässt, "ich kenne dich und ich weiß, wie schwer du Hilfe annehmen kannst, weil du meinst, alles immer mit dir alleine ausmachen zu müssen, so wie die Erziehung von Danny. Aber du bist nicht alleine, okay? Also...wenn du uns heute Abend davon erzählst und wir dir irgendwie helfen können, dann versprich mir bitte, dass du unsere Hilfe auch annehmen wirst."
"Rohan, ich..."
"Versprich es!"
Ich stöhne leise auf und massiere mir mit zwei Fingern meine dröhnende Schläfe. "Okay, ich...ich verspreche es. Zufrieden?"
"Sehr", erwidert Rohan und ich höre, wie er sich kurz räuspert, "also, bis heute Abend, Lola."
"Ja...bis heute Abend."
Mit einem tiefen Seufzer lege ich auf und lehne mich mit dem Rücken gegen den Küchentisch, bevor ich mein Handy auf dessen Oberfläche lege und mir mit beiden Händen durch die Haare fahre.
Verdammt...verdammt!
Was habe ich da nur getan?!
Warum habe ich ihm das versprochen?!
Jetzt wird Rohan doch so lange nachbohren und mich festnageln, bis ich ihm den Grund für meinen Schulabbruch nenne! Und so, wie ich die anderen kenne, werden sie alles daran setzen, um sich an Herrn Lüdenscheid wegen der Erpressung zu rächen, vor allem Rohan und Habib! Und wenn Herr Lüdenscheid dann herausbekommt, dass ich ihnen von der Erpressung erzählt habe, wird er das Video garantiert irgendwelchen Behörden vorlegen und meine Beziehung zu Zoe kommt heraus...verdammt...
Verdammt, verdammt, verdammt!
Vor Wut und Ärger über mich selbst schlage ich mit einer Faust auf die Tischplatte, was diese laut aufscheppern lässt.
Das anschließende Klingeln an der Tür lässt mich jedoch aufhorchen und die Augenbrauen heben.
Meine Mutter hat heute Morgen Danny in den Kindergarten gebracht und wollte nach ihrem Einzelgespräch mit ihrer Therapeutin noch einkaufen gehen.
Die beiden konnten es also auf gar keinen Fall sein...aber wer dann?
Mit gerunzelter Stirn trete ich auf den Flur und stapfe zur Wohnungstür, an der es erneut klingelt.
Genervt verdrehe ich die Augen.
"Ich komme ja schon", rufe ich und drücke zwei Schritte später die Türklinke herunter, um die Wohnungstür aufzuziehen.
Kurz darauf weiten sich meine Augen und mein Mund öffnet sich vor Erstaunen und Verwirrung.
"Sie?! Was machen Sie denn hier?!"
"Begrüßt du immer alle Leute, die bei euch an der Tür klingeln, derart charmant?", fragt Direktorin Berger und hebt eine Augenbraue, während sie eine Hand in die Hüfte stemmt, "aber ich will mal nicht so sein. Dir auch einen wunderschönen guten Morgen, Lola."
"Morgen?" Ich verziehe das Gesicht und verschränke die Arme vor der Brust. "Es ist schon nach elf."
"Nun, deiner Kleidung nach zu urteilen scheint es aber noch durchaus Morgen zu sein", erwidert Direktorin Berger und mustert mich mit vielsagendem Blick, durch welchen mir erst bewusst wird, dass ich immer noch ein Top und meine Schlafshorts trage.
Na super...
So würdevoll wie möglich straffe ich meine Schultern und werfe Direktorin Berger einen provozierenden Blick zu. "Na und? Das kann Ihnen doch egal sein, wie ich herumlaufe."
"Ist es aber nicht", entgegnet Direktorin Berger und schaut mit einem ungeduldigen Blick auf ihre Armbanduhr, "erst recht nicht, wenn ich daran denke, dass wir in knapp einer Stunde einen Termin haben. Und da kannst du, bei aller Liebe, nicht in diesen Sachen erscheinen."
"Ähm...", vollkommen irritiert runzle ich die Stirn und blinzle mehrfach, "...was?"
"Mal abgesehen davon, dass es wie bitte und nicht was heißt", Direktorin Berger schließt für einen Moment seufzend die Augen, "zweifle ich gerade ernsthaft an deiner Auffassungsgabe, die ich bislang eigentlich für recht ausgeprägt gehalten habe."
"Ach ja?" Ich schnaube leise und verschränke meine Arme etwas fester vor der Brust. "Was kann ich denn dafür, wenn sie so ein komisches Zeug reden?"
"Habe ich mich vielleicht unklar ausgedrückt?"
"Unklar nicht, aber ohne Kontext", entgegne ich und lehne mich gegen den Türrahmen, "ich kann mich nämlich nicht daran erinnern, mit Ihnen irgendwo einen Termin zu haben."
"Nicht irgendwo, sondern an einer anderen Schule."
"Was?" Überrascht lasse ich die verschränkten Arme sinken und schüttle leicht den Kopf. "Aber...aber..."
"Kein aber!", unterbricht Direktorin Berger mich und schaut mich mit einer Mischung aus Strenge und Entschlossenheit an, "ich werde bestimmt nicht zulassen, dass Zoe und du in den vergangenen Wochen und Monaten umsonst an der Zulassung zu deinem Abschluss gearbeitet habt. Du wirst deinen Abschluss machen, Lola. Und wenn nicht an meiner Schule, dann eben an einer anderen. Und wenn ich dafür sämtliche Kontakte, die ich auf den ganzen Konferenzen zu den anderen  Schuldirektoren geknüpft habe, spielen lassen muss. Aber, wie schon gesagt, dafür musst du dir wirklich etwas anderes anziehen."
Während Direktorin Berger mit einer Handbewegung auf meine Schlafsachen deutet, weiten sich meine Augen mehr und mehr.
Sie meint es ernst.
Sie meint es tatsächlich ernst.
Aber das...das geht doch nicht...ich kann doch nicht einfach an eine andere Schule gehen...wenn Herr Lüdenscheid das rausbekommt...
Meine Gedanken verstummen, als Direktorin Berger sich mit einem verschwörerischen Ausdruck auf dem Gesicht zu mir vorlehnt.
"Also, falls du dir Gedanken um eine gewisse...Angelegenheit...machen solltest, kann ich dich beruhigen. Du wirst diesbezüglich keine weiteren Probleme mehr haben."
Verwirrt ziehe ich eine Augenbraue hoch.
Eine...eine gewisse Angelegenheit?
Weiß sie etwa...aber nein, das ist doch Unsinn!
Wieso sollte Direktorin Berger denn bitte von der Erpressung wissen?
Ich habe ihr schließlich nichts davon gesagt und Herr Lüdenscheid mit Sicherheit auch nicht, wie also sollte Direktorin Berger davon erfahren ha-...oh nein...
Oh nein, das kann nicht wahr sein!
Das hat sie jetzt nicht getan!
Sowohl die aufsteigende Wut als auch die Panik, die mit meinem Verdacht einhergeht, müssen sich mehr als deutlich auf meinem Gesicht abgezeichnet haben, denn ich spüre kurz darauf, wie Direktorin Berger mir beruhigend eine Hand auf die Schulter legt.
"Ich werde dir alles in Ruhe erklären, Lola. Versprochen. Aber jetzt musst du dich wirklich fertig machen. Ich werde unten in meinem Auto auf dich warten und dann fahren wir gemeinsam zu der anderen Schule. Direktor Gruber erwartet uns wie gesagt in einer Stunde und er legt höchsten Wert auf Pünktlichkeit. Und um den Rest wird Zoe sich kümmern."
"Z-Zoe?", stammle ich, während meine Augen sich erneut weiten, "was...was hat Zoe denn damit zu tun?"

Liebe Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 1) (girlxgirl; teacherxstudent)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt