# 25

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- Lola -

Der Geruch von frischem Kaffee lässt meine Nase etwas zucken und ich öffne langsam die Augen, nur um sie kurz darauf wieder zusammenzukneifen. Geblendet von den Sonnenstrahlen, welche trotz des weißen Vorhangs vor dem Fenster grell und auffordernd in das Gästezimmer scheinen, drehe ich mich murrend im Bett auf die andere Seite und vergrabe mein Gesicht im Kissen unter mir.
Sofort steigt mir der sanfte Duft von Zoe in die Nase und lässt mich lächeln.
Erinnerungen an den Kuss von letzter Nacht drängen sich in mein Bewusstsein, auch wenn ich immer noch nicht so recht glauben kann, dass das wirklich passiert ist.
Es hat fast wie ein Traum gewirkt, auch wenn Zoes anschließender Einwand mir in gewisser Weise versichert hat, dass es keiner gewesen ist.
In einem Traum hätte sie schließlich keine etwaigen Zweifel anmerken wollen und ich bin ihr wirklich dankbar, dass sie zugestimmt hatte, es auch nicht zu tun. Zumindest für den gestrigen Moment. So bleibt wenigstens diese Erinnerung perfekt.
Ich gebe zu, dass ich sie mit meinem Verhalten ziemlich überfallen habe, aber ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten und Zoe offensichtlich auch nicht, sonst hätte sie den Kuss nicht begonnen und auch nicht so intensiv erwidert.
Wie ich mir schon gedacht habe, brauchte sie nur einen kleinen Stoß in die richtige Richtung...
Aber wie sieht das Ganze heute aus, nachdem sie Zeit hatte, darüber nachzudenken?
Ob sie sauer auf mich ist?
Ob sie es bereut?
Meinetwegen kann sie sauer auf mich sein, das verkrafte ich schon noch und das geht auch wieder vorbei. Aber ich hoffe so sehr, dass sie den Kuss nicht bereut...
Seufzend hebe ich meinen Kopf wieder aus dem Kissen und schaue zur Seite, woraufhin sich meine Augen weiten. Danny liegt nicht mehr neben mir.
Verwirrt setze ich mich auf und reibe mir über die Augen, bevor ich mich erneut umschaue, aber Danny ist tatsächlich nicht mehr im Gästezimmer.
Dann ist er wohl schon aufgestanden.
Gähnend fahre ich mir mit einer Hand durch die vom Schlaf zerzausten Haare und greife mit der anderen Hand nach meinem Handy, das ich neben mein Kopfkissen gelegt hatte.
Als ich das Display mit einem Druck auf den kleinen Knopf an der Seite zum Aufleuchten bringe, weiten sich meine Augen erneut.
10:24 Uhr.
So lange schlafe ich eigentlich nie.
Kein Wunder, dass Danny schon aufgestanden ist.
Zum Glück ist heute Samstag.
Ich gähne erneut und schiebe mein Handy in die Tasche der dünnen Pyjamahose von Zoe, dessen Beine mir ein kleines Stück über die Füße reichen, bevor ich aufstehe und mich ausgiebig strecke.
Dabei fällt mir auf, dass die Zimmertür nur angelehnt ist. Wahrscheinlich habe ich deshalb den frisch gekochten Kaffee riechen können.
Immer noch etwas verschlafen öffne ich die Tür und trete auf den Flur, wo mir eine weitere Welle des Kaffeedufts entgegenweht.
Blinzelnd schaue ich mich um und folge schließlich dem Klang gedämpfter Stimmen bis zur Küche.
Als ich in den Türrahmen trete, muss ich unwillkürlich lächeln.
Zoe steht mit dem Rücken zu mir an der Küchenanrichte und ist gerade dabei, auf einem Küchenbrett verschiedene Obstsorten kleinzuschneiden und zusammen in eine kleine Schüssel zu geben.
Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass sie einen dünnen, wenn auch etwas kürzeren, Morgenmantel über ihrem Nachthemd trägt, auch wenn dieser ihrer Figur ebenso sehr schmeichelt.
Ihre blonden Haare sind ebenfalls etwas vom Schlaf zerzaust, was ihr jedoch unfassbar steht, und als sie über etwas, was Danny gerade gesagt hat, leicht auflacht, spüre ich das beschleunigte Herzklopfen in meiner Brust.
Sie hat Danny ein Stück neben sich auf die Küchenanrichte gesetzt.
Er trägt wie ich Sachen von Zoe, allerdings nur ein Pyjamaoberteil, das ihm etwa bis zu den Knöcheln reicht und dessen Ärmel fast doppelt so lang sind wie seine Arme, wodurch man seine Hände nicht mehr sieht. Oder zumindest eine Hand, denn er hat den Ärmel des anderen Arms so weit zurückgeschoben, dass seine andere Hand eine Gabel umfassen kann und er so die Möglichkeit hat immer wieder Obststücke aus der kleinen Schüssel zu stibitzen.
Bemerken tun die beiden mich nicht, wodurch ich mich mit einem amüsierten Grinsen gegen den Türrahmen lehne und die Arme vor der Brust verschränke, während ich die beiden weiter beobachte.
An dieses Bild könnte ich mich durchaus gewöhnen...
Als Danny sich ein Kiwistück in den Mund schiebt, hebe ich eine Augenbraue.
"Ich wusste gar nicht, dass du Kiwi magst, Großer."
Sofort schnellt Dannys Kopf in meine Richtung und er grinst mich breit an, wohingegen Zoe sich mit einem überraschten Blick zu mir wendet.
"Du bist wach!"
Etwas unbeholfen und mit Zoes Unterstützung klettert Danny von der Küchenanrichte und läuft auf mich zu, während ich mich hinhocke und ihn mit einer leichten Bewegung hochhebe.
"Dir auch einen guten Morgen", sage ich und drücke ihm einen Kuss auf die Stirn.
"Der Morgen ist doch schon fast vorbei", entgegnet Danny und schaut mich mit vorgeschobener Unterlippe an. "Du hast total lange geschlafen. Genau wie Zoe."
Prompt gleitet mein Blick zu Zoe, die mich aus großen Augen anschaut, bevor sie ihren Kopf zur Seite dreht und sich eine Haarsträhne hinters Ohr streicht. Trotzdem sehe ich die bekannte Röte, die sich über ihren Wangen ausbreitet.
Wahrscheinlich geht ihr auch gerade der Kuss durch den Kopf...
Um ehrlich zu sein weiß ich gar nicht, wie spät es gewesen ist, als Zoe mich zum Gästezimmer gelotst hat. Ich bin nämlich nach einiger Zeit fast im Halbschlaf gewesen und hätte den Weg alleine bestimmt nicht mehr hinbekommen. Aber ich habe mich einfach so wohl und geborgen bei ihr gefühlt, dass ich gar nicht anders konnte, als fast in ihren Armen einzuschlafen.
Aber das kann ich Danny ja schlecht erzählen...
Ich beiße mir auf die Unterlippe und schaue wieder zu Danny, der mich immer noch mit vorgeschobener Unterlippe betrachtet.
"Ich...war einfach ziemlich müde", sage ich ausweichend und räuspere mich, "wieso hast du mich denn nicht geweckt?"
"Hab ich ja versucht, aber du hast dich immer wieder weggedreht. Dann bin ich zu Zoe gegangen und habe sie geweckt, weil sie mir helfen sollte dich wach zu machen. Aber Zoe meinte dann, dass wir dich nicht wecken sollen, wenn du so tief und süß schläfst."
"Ach...ach so", sage ich und schaue mit gehobenen Augenbrauen wieder zu Zoe, deren rote Wangen einen noch tieferen Ton annehmen, während sie sich wegdreht und wieder dem halbgeschnittenen Obst auf dem Küchenbrett zuwendet.
Ich muss lächeln.
Sie ist diejenige, die mit ihren ständig geröteten Wangen süß ist...
"Ähm...", ich räuspere mich erneut und zwinge meine Gedanken zurück in die Gegenwart, bevor ich meinen Kopf wieder zu Danny drehe und zur Küchenanrichte gehe, "also...dann seid ihr ja gerade offenbar beim Frühstück."
Danny nickt, als ich ihn auf der Anrichte absetze, und greift wieder nach seiner Gabel, mit der er auf einen gefüllten Obstkorb deutet, der in einer Ecke der Anrichte steht.
"Ja. Schau mal, Lola. Das ist fast so viel Obst wie bei uns im Supermarkt."
Diese maßlose Übertreibung entlockt sogar Zoe ein leichtes Lachen und einen kurzen Blick in Dannys Richtung, den sie jedoch wieder rasch sinken lässt, als sich unsere Blicke treffen.
Stattdessen schaute sie wieder zurück auf das Küchenbrett vor sich, auf dem sie zuvor aus einer Nektarine portionsgerechte Stücke für Danny geschnitten hat.
Enttäuschung macht sich in meinem Magen breit und ich verziehe das Gesicht etwas, als ich meinen Kopf abwende.
Kann sie mich jetzt wirklich nicht mal mehr ansehen?
Bereut sie den Kuss etwa so sehr?
"Deine Sachen sind im Übrigen getrocknet."
"Ähm, was?"
Noch halb in Gedanken drehe ich meinen Kopf wieder zu Zoe und ich stelle zu meiner Freude fest, dass sie wieder zu mir schaut, auch wenn sie mich nicht direkt ansieht.
Immerhin etwas.
"Deine Sachen", wiederholt Zoe und schluckt kurz. "Die, die wir gestern noch gewaschen hatten. Sie sind getrocknet. Und die Flecken sind auch ziemlich gut rausgegangen. Also, falls du..."
Beim Reden sind ihre Augen immer mehr zu mir gewandert, bis sie schließlich wieder meinen Blick gefunden haben, woraufhin Zoes Stimme verstummt. Kurz darauf schließt sie ihre Augen, wendet den Blick wieder ab und räuspert sich.
"Falls du dich nachher umziehen möchtest."
"Ähm, okay. Danke", sage ich und blinzle mehrfach, während Zoe meinen Blick bewusst nicht erwidert und sich stattdessen wieder auf das Zerteilen der Nektarine konzentriert.
Verwirrt über Zoes Verhalten schüttle ich leicht den Kopf und nehme mir mit zwei Fingern ein Apfelstück aus Dannys Schüssel.
"Hey!", ruft Danny und schiebt erneut die Unterlippe vor, als ich mir das Apfelstück in den Mund schiebe, "das ist meins!"
"Na ja, eigentlich gehört es Zoe", entgegne ich und grinse Danny an, während ich das Apfelstück zerkaue und es anschließend herunterschlucke.
Trotzdem habe ich gemerkt, wie Zoe bei meiner Erwähnung ihres Vornamens kurz zusammengezuckt ist, während Danny es scheinbar gar nicht wahrgenommen hat, so schmollend wie er mich ansieht.
Versöhnlich streiche ich ihm über die Haare.
"Ach komm schon, Großer. Wenn du willst, kaufe ich dir nachher einen Apfel ganz für dich alleine. Wir müssen wahrscheinlich sowieso noch ein paar Dinge erledigen, bevor wir nach Hause gehen."
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Zoe innehält und sich langsam zu mir dreht.
"Ihr...ihr wollt nach Hause gehen?"
Ich zucke mit den Schultern und nicke. "Was sollen wir sonst machen? Wir können ja schlecht hier einziehen, oder?"
"Nein, aber...also..."
Als Zoe nicht weiterspricht, drehe ich mich wieder zu ihr. Sorge und Unentschlossenheit ziehen sich über ihr Gesicht, während sie mich zum ersten Mal heute für eine längere Zeit betrachtet.
"Ich meine nur..." Zoe verstummt erneut und legt das Messer auf das Küchenbrett, bevor sie die Arme vor der Brust verschränkt und mich zögernd mustert. "Hältst du das wirklich für eine gute Idee? Ich meine, nach dem, was gestern passiert ist? Was ist, wenn eure Mutter wieder handgreiflich wird?"
"Glaub ich nicht", entgegne ich und schüttle den Kopf, während ich mich seitlich gegen die Küchenanrichte lehne. "Sie wird eigentlich nicht so schnell aggressiv und wenn doch, hält es nicht lange an. Es sind eben spontane Ausbrüche. Dass sie also jetzt immer noch so ist, ist eher unwahrscheinlich. Und für den Fall, dass sie es doch sein sollte...", ich ziehe mein Handy aus der Pyjamahosentasche und drehe es zwischen den Fingern, bevor ich es auf die Küchenanrichte lege, "...nehme ich die Jungs mit. Ich wollte ihnen sowieso gleich schreiben. Und während Rohan, Habib und ich die Lage bei meiner Mutter abchecken, kann Marvin solange auf Danny aufpassen."
Mit einem Lächeln stoße ich Danny leicht an, der kauend von seiner Obstschüssel aufschaut und uns anscheinend nicht zugehört hat.
"Was hältst du davon, Großer? Hast du Lust, heute kurz Marvin zu treffen?" Dannys Augen leuchten auf und er nickt heftig, während er weiterkaut, was mich zum Lachen bringt. "Dann machen wir das so."
Zoes Ausdruck auf ihrem Gesicht verrät mir, dass sie immer noch nicht ganz von meinem Plan überzeugt ist.
"Bist du...bist du dir wirklich sicher? Ich meine, es...es wäre wirklich kein Problem, wenn ihr zumindest über das Wochenende hierbleiben würdet, bis sich die ganze Situation wirklich beruhigt hat. Ihr müsst jetzt nicht extra gehen, nur weil wir uns..."
Ihr Blick wandert zu Danny, der sie mit schiefgelegtem Kopf mustert und sie errötet erneut, bevor sie auf ihre verschränkten Arme schaut und unschlüssig von einem auf den anderen Fuß tritt.
Verstehe...
"Danny?" Sofort dreht sich sein Kopf in meine Richtung. "Was hältst du davon, wenn du dein Obst im Bett weiter isst? Das wäre doch viel gemütlicher als hier auf der harten Küchenanrichte."
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Zoe mir einen dankbaren Blick zuwirft, während Danny mich anstrahlt.
"Darf ich?"
"Ja. Aber nur, wenn du aufpasst und nichts schmutzig machst."
"Ich pass auf", verspricht Danny und nickt eifrig, woraufhin ich ihn von der Küchenanrichte hebe und ihm anschließend die Gabel und die kleine Obstschüssel in die Hand drücke.
Während Danny mit einem zufriedenen Grinsen aus der Küche stapft, entspannt sich Zoes Körperhaltung ein wenig.
"Danke", murmelt sie, wobei sie meinem Blick jedoch wieder ausweicht.
"Schon okay", entgegne ich und kaue auf meiner Unterlippe, "also...ich schätze, du willst reden, oder?"

Liebe Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 1) (girlxgirl; teacherxstudent)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt