# 62

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- Lola -

Ich seufze tief, während ich der Sonne dabei zusehe, wie sie nach und nach hinterm Horizont verschwindet und dabei das Hafenbecken und die angedockten Boote zum Abschluss des Tages in ein goldenes Licht taucht.
Ich weiß, dass ich mich eigentlich langsam auf den Weg nach Hause machen sollte, allein schon um sicherzugehen, dass meine Mutter Danny abgeholt hat, wobei ich mir diesbezüglich wahrscheinlich keine allzu große Gedanken machen muss. Schließlich hat meine Mutter fast die ganze vergangene Woche über ohne Probleme Danny aus dem Kindergarten abgeholt und von Samstag auf Sonntag sogar über Nacht auf ihn aufgepasst.
Warum sollte sie also ausgerechnet jetzt Schwierigkeiten damit haben?
Zumal sie mich dann vermutlich auch schon längst angerufen hätte und nicht nur Zoe...Zoe...
Ich spüre, wie mein Herz erneut schwerer wird, wie schon so oft an diesem Abend, und ich stütze mein Kinn wieder auf meiner angewinkelten Armbeuge auf dem Brückengeländer ab.
Zum Glück hat Zoe nach dem zwölften Anruf nicht mehr versucht mich anzurufen...obwohl...ob das wirklich so ein Glück ist?
Vielleicht ist sie sauer auf mich, dass ich ihre Anrufe ignoriere...
Schließlich will sie bestimmt eine Erklärung dafür haben, warum ich einfach so die Schule abbreche...erst recht nach der ganzen Arbeit, die wir in die Verbesserung meiner Note gesteckt haben...
Sie ist bestimmt furchtbar enttäuscht von mir...und ich kann es ihr nicht mal verübeln...
"Lola."
Erschrocken über die plötzliche Stimme fahre ich hoch und meine Augen weiten sich, als ich Zoe nur wenige Schritte von mir entfernt auf der Brücke stehen sehe, umhüllt von dem goldenen Licht der untergehenden Sonne, während sie mich mit einer Mischung aus Erleichterung und Sorge betrachtet.
"Da bist du ja, ma chérie", sagt sie leise und schenkt mir ein leichtes Lächeln, als meine Augen ihren Blick finden, bevor sie langsam einen Schritt auf mich zutritt, welcher mich jedoch sofort nach meiner Tasche auf dem Boden greifen lässt.
"Was machst du denn hier?", stoße ich hervor und stolpere ein paar Schritte zurück, während ich mir meine Tasche über die Schulter werfe.
"Ich...ich habe dich gesucht", erwidert Zoe, die wieder stehen geblieben ist und deren Blick nun verunsicherte Züge angenommen hat.
"Ge...Gesucht? Ausgerechnet hier?" Ich schüttle verständnislos den Kopf, während ich die Tasche über meiner Schulter zurechtrücke. "Ich meine, nicht mal Rohan weiß, dass ich ab und an hier bin. Wie kommst du also darauf, dass..."
"Deine Mutter."
"Meine...was?!"
"Deine Mutter", wiederholt Zoe und strafft ihre Schultern ein wenig, während sie tief Luft holt, "sie hat vermutet, dass du vielleicht hier sein könntest und..."
"Moment mal", unterbreche ich sie und hebe eine Hand, um parallel meine Gedanken zu sortieren. "Also, dass meine Mutter vermutet hat, dass ich hier bin, ist die eine Sache, die ich nicht verstehe. Aber noch viel mehr würde mich interessieren, wieso du mit meiner Mutter gesprochen hast? Und wo, vor allen Dingen?!"
Zoe schluckt kurz und strafft ein weiteres Mal ihre Schultern, während ihr Gesichtsausdruck etwas ernster wird. "Ich habe doch gesagt, dass ich dich gesucht habe. Und deshalb bin ich unter anderem auch zu dir nach Hause gefahren, um..."
"Du bist was?!"
"Verdammt, lässt du mich jetzt auch mal ausreden?!"
Ich zucke bei Zoes Ausruf ein wenig zusammen, die nun kurz die Augen schließt und sich mit einer Hand durch die Haare fährt.
"Wie gesagt", fährt sie fort und öffnet ihre Augen wieder, um in meine Richtung zu schauen, "ich bin zu dir nach Hause gefahren und habe mit deiner Mutter gesprochen, weil ich dich gesucht habe...weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe...und weil ich mit dir über deinen heutigen Besuch in Monas Büro reden wollte...und über das, was du ihr gesagt hast."
Mein Magen zieht sich zusammen und ich muss meinen Kopf zur Seite drehen, weil ich Zoes Blick nicht länger standhalten kann.
Verdammt...warum musste sie mich auch finden?
Was soll ich denn jetzt machen?
Ich darf ihr doch nichts sagen...
"Kannst du mich wenigstens ansehen, wenn ich dir schon nicht näher kommen darf?"
Der verletzte Unterton in Zoes Stimme lässt mich schwer schlucken und ich brauche einen Moment, bevor ich wieder zu ihr zurückschaue.
Für eine Weile schaut Zoe mich einfach nur an und atmet dann tief durch.
"Warum, Lola? Warum hast du gesagt, dass du das Auto von Herrn Lüdenscheid so verunstaltet hast? Und vor allem, warum brichst du die Schule ab? Nach allem, was wir für die Zulassung zu deinem Abschluss getan haben. Du warst so stolz auf dich und das mit Recht. Und jetzt brichst du ab. Einfach so. Warum? Warum machst du das? Bitte erkläre es mir. Bitte..."
Zoes Stimme ist gegen Ende immer schwächer geworden, so als könnte sie selbst nicht so recht glauben, was sie da gerade sagt.
Genauso wie ich, als ich in Direktorin Bergers Büro gewesen bin...aber das kann ich ihr nicht sagen...ich darf es ihr nicht sagen...
Ich senke erneut meinen Blick und versuche mein Verhalten mit einem Räuspern zu überspielen, bevor ich den Kopf wieder hebe und so gleichgültig wie möglich meine Schultern zucke.
"Ich...ich hätte den Abschluss doch sowieso nicht geschafft", presse ich schließlich davor, während mein Blick wieder zu Boden gleitet.
Ich kann Zoe einfach nicht ansehen, wenn ich sie anlüge...
"Was redest du denn da? Natürlich hättest du das!"
An Zoes Absätzen höre ich, wie sie wieder auf mich zutritt und weiche instinktiv wieder ein paar Schritte zurück, während ich den Kopf hebe und einen schweren Stich in meiner Brust spüre, als ich Zoes verletzten Blick sehe, während ihre Augen inzwischen verdächtig schimmern.
Oh nein...
Nein, bitte schau mich nicht so an...
Ich darf dir doch nichts sagen...dir am allerwenigsten...
Mit einem schweren Schlucken schließe ich die Augen und öffne sie nach einigen Augenblicken wieder.
"Nein, das hätte ich nicht", erwidere ich und versuche meine Stimme dabei so fest wie möglich klingen zu lassen, auch wenn es wahrscheinlich nicht sehr überzeugend klingt.
"Seien wir doch ehrlich, ich hätte bestimmt nicht mal die Zulassung zum Abschluss geschafft, wenn du mir nicht so viel geholfen hättest. Warum soll ich also meine Zeit noch weiter in der Schule verschwenden, wenn ich doch schon im Vorfeld weiß, dass ich meinen Abschluss am Ende eh nicht schaffen werde? Dann kann ich doch genauso gut abbrechen und irgendetwas anderes machen."
"Und was?"
Die Mischung aus Verletzung und Schärfe in Zoes Stimme lässt mich kurz zusammenzucken, doch ich schaffe es, dem Blick von Zoes immer mehr schimmernden Augen trotzdem standzuhalten.
Auch wenn es schwer ist...
"Mal schauen", erwidere ich und zucke erneut so gleichgültig wie möglich mit den Schultern, "irgendetwas werde ich schon finden."
"Und warum hast du nicht mit mir darüber gesprochen? Ich meine, wir haben das halbe Wochenende miteinander verbracht und du hast es nicht mal ansatzweise erwähnt."
"Hat sich irgendwie nicht ergeben", murmle ich, während meine Augen sich wieder auf den Boden richten und ich nun meine Hände zur Ablenkung tief in den Taschen meiner Lederjacke vergrabe.
Trotzdem spüre ich, wie Zoes Blick weiterhin auf mir ruht, bis ich schließlich wieder aufsehe, als ich höre, wie Zoe erneut tief Luft holt.
"Das...das glaube ich dir nicht, Lola", sagt sie und schüttelt den Kopf, wobei ihre Stimme etwas zittert. "Diese Aussagen...passen überhaupt nicht zu dir. Dir ist es am Sonntag so schwer gefallen, dich von mir zu verabschieden...und das wäre es nicht gewesen, wenn du gewusst hättest, dass du demnächst die Schule abbrichst. Und abgesehen davon hättest du vorher auch mit Sicherheit mit mir darüber gesprochen...oder hättest es wenigstens beiläufig erwähnt...oder wärst zumindest noch zu meinem Unterricht gekommen und nicht währenddessen zu Mona ins Büro gegangen, um ihr zu sagen, dass du die Schule abbrichst. Und abgesehen davon erklärt das Ganze auch immer noch nicht, warum du zugegeben hast, dass du das Auto von Herrn Lüdenscheid ruiniert hast, obwohl es nicht mal einen Anhaltspunkt für deine Schuld gibt. Tut mir Leid, Lola...aber das...das glaube ich dir einfach nicht...ich kann es dir nicht glauben."
Das Zittern und die zunehmende Schwere in Zoes Stimme lassen meinen Hals immer mehr zusammenziehen. Tränen der Verzweiflung steigen in meine Augen, doch trotzdem erkenne ich, wie Zoe mich eindringlich, fast flehend, ansieht und erneut einen Schritt auf mich zutritt. Diesmal habe ich nicht die Kraft zurückzuweichen...
"Was ist los, Lola?", fragt Zoe und tritt einen weiteren vorsichtigen Schritt auf mich zu. "Das...das bist doch nicht du. Dieses Verhalten passt überhaupt nicht zu dir. Sag mir bitte was los ist. Bitte, ma chérie..."
Ich fühle, wie der Widerstand in mir langsam zu bröckeln beginnt und ich beiße mir auf die Unterlippe, um die sich anbahnenden Worte zurückzuhalten, während ich Zoes Blick erneut ausweiche.
Ich darf es ihr nicht sagen.
Ich darf es ihr nicht sagen.
Ich darf es ihr einfach nicht sagen...
"Lola..." Zwei Finger legen sich unter mein Kinn und drücken es langsam nach oben, bis ich schließlich durch den Tränenschleier meiner Augen in Zoes Gesicht sehe. "...bitte."
Mir entfährt ein hoffnungsloser Schluchzer, der mich blinzeln lässt, wodurch ein paar Tränen über meine Wangen laufen, die Zoe sanft wegwischt.
Verdammt...jetzt wird sie doch erst recht misstrauisch...
Ich ziehe die Nase hoch und schaue auf Zoes Hand, dessen zwei Finger immer noch unter meinem Kinn liegen, bevor ich leicht mit dem Kopf schüttle.
"Ich...ich kann nicht..."

Liebe Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 1) (girlxgirl; teacherxstudent)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt