Die Gabe

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Nachdem James mich so sanft wie möglich zum Tisch geführt und sich 1000 Mal für das Benehmen seiner rechten Hand entschuldigt hatte, sass ich wie eine leere Hülle da.

Wollte Brian mich wirklich umbringen? War alles nur eine Lüge?
Warum fühlte sich denn alles so echt an?

„..Sophie?", riss mich eine Stimme zurück in die Realität.

Ist das denn dir Realität oder träume ich?

Ich blinzelte ein paar mal um meine Gedanken wegzuschieben.
„Hmm?", war alles was ich von mir gab.
„Ich hab dich gefragt, ob alles in Ordnung ist?", wiederholte er seine Frage.
„Ja, alles gut.", sagte ich ihm noch immer ein bisschen abwesend.
Mein Teller vor mir hatte ich noch gar nicht bemerkt. Eigentlich hatte ich keinen Hunger mehr, aber ich wollte, dass mein Plan funktionierte, also stopfte ich so viel es ging in mich hinein.
Mit der Zeit wurde ich müde und wollte mich nur noch hinlegen.
„Wenn du mich entschuldigst. Ich möchte mich gerne hinlegen.", bat ich ihn so höflich, wie es nur ging.
Ein undefinierbares Grinsen stahl sich auf sein Gesicht und nickte.
Er begleitete mich bis zur Tür eines Zimmers und öffnete sie mir.
Fragend sah ich ihn an und stellte fest, dass er zu nahe war.
Sein Kopf war nur noch Millimeter von meinem entfernt und ich konnte nicht ausweichen, denn der Türrahmen war mir im Rücken.

Bitte nicht schon wieder.

Ich wollte nicht wieder von ihm geküsst werden, aber ich wollte auch in einem Bett schlafen.
Gekonnt drehte ich den Kopf leicht ab, so dass ich mich nicht voll präsentierte.
Er jedoch legte seine Hand unter mein Kinn und drehte meinen Kopf zurück.
Bevor ich mich nur ansatzweise wehren oder darauf vorbereiten konnte, drückte er schon einen sanften Kuss auf meine Lippen.
Ich stand wie versteinert da, unfähig auch nur die kleinste Bewegung zu machen.
„Du liebst ihn immer noch.", stellte James fest.
Ich traute mich nicht zu antworten.
„Weisst du, warum er dich nicht markiert hat?", fragte er mich und gab die Antwort, ohne abzuwarten, was ich zu sagen hatte. „Weil er dich gar nicht geliebt hat."
Diese Worte taten mir weh, obwohl ich sie nicht glauben wollte.
„Bei mir könntest du glücklich werden."
Mit dieser Ansage küsste er mich wieder. Innig und lange.
Mit der Zeit fühlte es sich fast wie mit Brian an, aber eben nur fast.
Ich war so erschöpft und in Gedanken versunken, dass ich keine Kraft mehr hatte meine Lippen zusammen zu pressen und schwupp die pupp, James merkte dies und gab mir einen letzten sanften Kuss, der sich anfühlte, als hätte ich ihn zurück geküsst.

Hab ich aber nicht. Oder?

„Na geht doch.", lächelte er mich zufrieden an.
„Du kannst dich schon hinlegen, ich komme gleich nach."
Bei seinen ersten Worten machte ich grosse Schritte Richtung Bett, drehte mich aber abrupt um, als ich hörte, dass er gleich nach kommt.
„Wie bitte?!", fragte ich verwirrt.
Seine Augen glänzten voller Begierde und sei Lächeln auf dem Gesicht hiess nichts Gutes.
„Das ist mein Bett. Du schläfst bei mir.", bestätigte er meinen Verdacht.
„Den Teufel werd ich!", schrie ich und stapfte an ihm vorbei.
„Wo willst du denn sonst schlafen?", fragte er amüsiert.
Aber mit meiner Antwort hatte er nicht gerechnet.
„Ich geh zurück in meine Zelle."
Ich sah ihm an, dass er nach einer Antwort suchte, aber nicht fündig worden war.
„Bis morgen früh.", war alles was ich noch zu sagen hatte und war schon weg.

James hatte keine Anstalten gemacht, zu mir in meine Zelle zu kommen. Wofür ich auch äusserst dankbar war.
Sobald ich sicher war, dass alle schliefen, setzte ich mich auf und begann mit meinen neuen Fähigkeiten zu experimentieren.
Der Mond schien heute ziemlich hell, obwohl letzte Nacht Vollmond gewesen war.
Wasser hatte ich leider keines in der Nähe, weshalb ich mit der Erde anfing.
Kleine Sachen, wie Stolpersteine erscheinen zu lassen, stellten sich als sehr einfach heraus, aber sobald ich etwas grösseres errichten oder bewegen wollte, nagte dies an meiner Energie. Ich war noch zu schwach für solche Dinge.
Also fing ich an zu trainieren.
Schweissdurchnässt legte ich eine Verschnaufpause ein und wollte gerade den Schweiss abwischen, als mir eine Idee kam.

Schweiss ist wie Wasser.

Ich wollte versuchen, ob es funktioniert, den Schweiss wie Wasser zu bewegen.
Und siehe da. Mit einer kleinen Handbewegung brachte ich es fertig alle Tropfen von mir zu entfernen und sie in der Luft schweben zu lassen.

Cool.

Die Tropfen fanden zu einander und so hatte ich eine grosse Wasserkugel vor mir schweben.
Mit Leichtigkeit gelang es mir diese in alle jeglichen Formen zu bringen.
Draussen schob sich eine Wolke vor den Mond und es wurde zu dunkel in meiner Zelle, sodass ich nichts mehr sehen konnte.
Ich liess die Hand sinken und hörte ein Plätschern, als die Wasserkugel auf den Boden spritzte.

Wie gern ich jetzt was sehen könnte.

Kaum hatte ich meine Gedanken fertig gedacht, entstand ein kleines Flämmchen auf meiner Handfläche.
Ich erschrak und schüttelte meine Hand. Abrupt löschte die Flamme und ich war wieder im Dunkeln.

War das gerade Feuer?

Meine Hand zitterte zu stark, als dass ich es hätte ausprobieren können. Ich hatte noch immer eine Höllenangst vor Feuer. Es war gefährlich, denn es konnte Leute, die man liebt verletzen oder gar töten.
Eine Panikattacke war im Anflug und ich versuchte hastig mich zu beruhigen.
Mit den Händen fächerte ich mir Luft zu, da ich das Gefühl hatte zu ersticken.
Ich war so in Panik, dass ich gar nicht bemerkte, dass die Luft, die ich mir zufächelte einen zu starken Luftzug hatte.
Endlich genügend entspannt, registrierte ich, dass sich die Luft zu stark bewegte.

Kann es sein?

Ich streckte meinen Zeigefinger und schwang ihn im Kreis.
Es bildete sich tatsächlich ein Minitornado vor mir in der Luft, der kaum grösser als meine Hand war.
Erfreut darüber liess ich ein kleines Lachen im Raum los, welches zum Glück niemand gehört hatte.

Ich kann also die Elemente bändigen.
Wie cool ist das denn!

Überglücklich über meine Gabe, wollte ich es unbedingt jemandem erzählen, doch dann viel mir auf, dass ich niemandem hatte, dem ich das anvertrauen konnte.
Meine Glückseligkeit verpuffte ins Nichts und ich fühlte mich so alleine.
Traurig legte ich mich hin um zu schlafen und die Tränen flossen nur so dahin.

White WolveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt