Joannas kleiner Ausflug

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Kaum hatte ich diese Wörter gesagt, wurde die Tür geöffnet und James,mit sichtlichen Augenringen, trat ein. Ich betete und hoffte, dass er es nicht gehört hatte.
„Ah, heute siehst du ganz erholt aus.", begrüsste er mich. „Das gefällt mir."
Ich verdrehte die Augen und konterte gekonnt.
„Bei Vollmond schlafe ich immer gut, ganz im Gegensatz zu dir."
Ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit, welches ich nicht zuordnen konnte.
„Mut hast du auch geschöpft. Gut, den wirst du heute noch brauchen."
Mit diesen Worten lief er davon, damit ich mich frisch machen konnte.

Was hat das zu bedeuten?

Ich ging wie gewohnt zum Waschraum, in welchem ich mich frisch machen durfte. Joanna, welche ausgeschlafen aussah, erwartete mich schon mit einem Lächeln.
Seit ein paar Tagen drängte sich eine Frage immer mehr in den Vordergrund und heute fasste ich mir den Mut und stellte sie ihr.
„Joanna?", zog ich ihre Aufmerksamkeit auf mich und sobald sie mich ansah, stellte ich die Frage.
„Warum bist du hier? Also ich meine ganz offensichtlich gehörst du nicht zur Familie."
Ein Hauch von Traurigkeit legte sich in ihr Gesicht.
„Nein, ich gehöre nicht zur Familie, da hast du recht.", sagte sie traurig.
„Was ist den los?", fragte ich vorsichtiger.
„Weisst du, als ich noch ein Kind war, wurde unser Rudel angegriffen und meine beiden Brüder und ich konnten dank unserer Mutter fliehen.
Es gelang uns, aber da waren wir plötzlich auf uns alleine gestellt. Verzweifelt suchten wir uns einen Unterschlupf in der Nähe einer Wasserquelle. Ich weiss nicht mehr, aber wir legten bestimmt zigtausende Kilometer zurück. Auf ein mal griff uns jemand an und wir wurden getrennt. Ich versteckte mich unter einer Wurzel, wo mich der Angreifer bestimmt nicht sehen konnte und wartete, bis ich eine Weile nichts gehört hatte. Dann lief ich zurück an den Ort, an welchem ich meine Brüder zuletzt gesehen hatte, konnte sie aber nicht mehr finden.
Ich rief verzweifelt nach ihnen und fing an zu weinen. Eine Stunde später erschien James und nahm mich wider Willen zu sich nach Hause.
Naja, seit dem bin ich hier und kann nicht mehr weg.
Ich wünschte, ich könnte es, denn dann würde ich mich auf die Suche nach meinen Brüdern machen."
Den letzten Satz sprach sie sehnsüchtig aus.
„Das tut mir schrecklich leid, Joanna.", gab ich ihr mein Beileid.
Dankbar lächelte sie mich an. „Seit du hier bist, geht es mir besser und meine Hoffnung wird stärker.", gestand sie mir.
Überrascht sah ich sie an.
„Was? Wieso denn?", fragte ich verblüfft.
„Du strahlst gute Energie aus. - Und du machst es James schwer dich zu haben, das gefällt mir."
Beim zweiten schnitt ich eine Grimasse.
„Du liebst ihn nicht.", stellte sie fest.
„Nein.", gestand ich und dachte an Brian. Wie schön es wäre, wenn er jetzt hier wäre.
„Trotz, das er alles versucht dich zu brechen?", stellte sie überrascht sie Frage.
„Naja, weisst du, er hätte es fast geschafft. Ich wusste nicht mehr, was ich glauben sollte und was nicht. -Und da hatte ich gestern einen Traum."
Kurz sah ich zu ihr und stellte fest, dass sie ganz gespannt an meinen Lippen hing. „Ich träumte von ihm. Und ich wusste sofort wieder, dass er der richtige ist."
„Und woher weisst du, dass dies kein Wunschtraum war?", fragte sie neugierig.
„Weil er Dinge gesagt hatte, welche ich nie gedacht hätte. Und weil er das schon mal getan hatte, als ich.. naja, als ich nicht wirklich da war."
Verständnisvoll nickte sie und zeigte ihr vollbrachtes Werk mit meinen Haaren.
Sie hatte es auf eine spezielle Weise geflochten, was wunderschön aussah.
„Danke.", hauchte ich ihr entgegen und umarmte sie innig.

Danke für alles. Danke, dass du niemandem was erzählt hast, als ich dein Auge geheilt hatte. Danke, dass du so nett zu mir bist. Danke, dass du mir zuhörst. Danke, dass du mir eine Freundin bist.

Als wüsste sie, was dieses Danke zu bedeuten hatte, drückte sie mich fest und hauchte ebenfalls ein „Danke".

Der restliche Tag musste ich, wie immer mit James verbringen. Er liess noch immer nichts unversucht, um mich zu brechen. Es schmeichelte mir so oft es ging mit Komplimenten, erzählte von den gemeinsamen Plänen mit Brian und zählte mir all die Vorteile auf, welche ich bei ihm hätte.
Es war schwer ihm nicht ins Gesicht zu schlagen, jedesmal, wenn er den Mund aufmachte.
Ich war froh, als er nach dem Abendessen schlafen gehen wollte. So hatte ich mehr Zeit für mich und mein Training.
Heute liess ich das körperliche Training aus und übte dafür umso mehr mit meinen Fähigkeiten.
Der Schweiss auf meiner Stirn tropfte vor sich hin, während ich gerade drei Sachen gleichzeitig ausübte.
Ich liess mich einen Meter über der Erde schweben, während ich Wasser in der Luft herumschwirren liess und verschieden grosse Steine auf dem Boden erscheinen und wieder verschwinden liess.
Alles einzeln war ein Klacks für mich, aber alles zusammen war höchste Konzentration und Beherrschung pur.
Als ich dachte, ich hätte jemanden gehört, liess ich mich sinken und wischte alle Spuren weg.
Mit angehaltenem Atem wartete ich darauf, dass jemand die Tür öffnete.
Nichts geschah.
Meine Gedanken wechselten zu Brian und da wurde mir etwas bewusst.

White WolveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt